EU-Flaggen vor dem EU-Parlament zum Thema EU-Binnemarkt

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Der europäische Binnenmarkt wird in Artikel 26 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als "Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen dieses Vertrages gewährleistet ist", beschrieben. Der ungehinderte Warentransport über unsere Binnengrenzen ist für uns heute ebenso unverzichtbar geworden wie das ungehinderte Reisen und Niederlassen für EU-Bürgerinnen und -Bürger innerhalb der Europäischen Union und weitgehend auch des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR), zu dem Island, Liechtenstein und Norwegen gehören.

Der Binnenmarkt ist jedoch kein statisches Gebilde – politische, wirtschaftliche, soziale und technologische Veränderungen gehen nicht spurlos an ihm vorbei. Er muss an diese angepasst werden und gleichzeitig einen gemeinsamen Weg nach vorne weisen. Auf diese Weise kann er seinen Beitrag zu einer guten volkswirtschaftlichen Entwicklung der Europäischen Union leisten. Die Vollendung des Binnenmarktes ist deshalb eine europäische Daueraufgabe.

Der Aktionsplan und der Bericht über Binnenmarkthindernisse als Grundlagen der aktuellen Binnenmarktpolitik

Die Europäische Kommission hat 2020 im Rahmen des sog. Märzpakets einen langfristigen Aktionsplan zur besseren Umsetzung und Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften und einen Bericht über Binnenmarkthindernisse vorgelegt. Die Initiativen gehen auf Ersuchen des Europäischen Rates bzw. des Rates für Wettbewerbsfähigkeit zurück.

Der Aktionsplan tritt für ein gemeinsames Vorgehen von EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission ein und beinhaltet insgesamt 22 Maßnahmen. Ein zentraler Vorschlag im Aktionsplan war die Schaffung einer Task Force für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften (Single Market Enforcement Task Force / SMET), bestehend aus EU-Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. SMET soll Binnenmarkthindernisse priorisieren, horizontale Durchsetzungsfragen diskutieren und die Umsetzung des Aktionsplans begleiten. Weitere Informationen zur Arbeit der Task Force finden Sie hier.

Der Bericht über Binnenmarkthindernisse („Hindernisse für den Binnenmarkt ermitteln und abbauen“) soll die Perspektive der Unternehmen und sonstigen Nutzer des Binnenmarkts widerspiegeln und benennt 13 Haupthindernisse.

In der Aktualisierung der Industriestrategie vom 5. Mai 2021 schlägt die Europäische Kommission mehrere Instrumente vor, um die Resilienz des Binnenmarktes zu stärken und die wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie zu unterstützen. Hierzu zählt ein jährlicher Binnenmarktbericht, der zusammen mit der Aktualisierung der Industriestrategie erstmals als Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen erschienen ist.

Ein Notfallinstrument für den Binnenmarkt (Single Market Emergency Instrument / SMEI) soll als strukturelle Lösung dazu beitragen, im Falle zukünftiger Krisen den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr sicherzustellen. Ein entsprechender Vorschlag der Kommission ist für 2022 angekündigt.

Zur allgemeinen Stärkung des Binnenmarktes, auch mit Blick auf die wirtschaftliche Erholung, nennt die Aktualisierung der Industriestrategie besonders den Dienstleistungsbereich.

Schaffung eines einheitlichen Binnenmarktes für Dienstleistungen

Die EU-Kommission strebt an, das Potenzial des EU-Binnenmarktes im Dienstleistungssektor stärker auszunutzen. Ein wichtiger Schritt dahin war die Dienstleistungsrichtlinie, mit der bürokratische Hindernisse abgebaut und grenzüberschreitende Dienstleistungen gefördert werden sollen.

Dabei spielt zunehmend auch der Bereich e-Commerce eine wichtige Rolle für die Vertiefung des Dienstleistungsbinnenmarktes. So schafft die Geoblocking-Verordnung 2018/302/EG die Grundlage für einen diskriminierungsfreien grenzüberschreitenden Onlinehandel von Waren und Dienstleistungen in der EU. Die am 3. Dezember 2018 in Kraft getretene Verordnung ergreift Maßnahmen gegen die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Anbietern und Kunden aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Kunden bei dem grenzüberscheitenden Verkauf von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen. So soll das Prinzip „shop like a local“ für den europäischen Binnenmarkt verankert werden. Zentrale Bestimmungen der Geoblocking-Verordnung berühren den Zugang zu Onlinebenutzeroberflächen, die Gleichbehandlung beim Erwerb von Waren und Dienstleistungen und die Gleichbehandlung bei den Zahlungsbedingungen. Die Bundesnetzagentur ist in Deutschland die zuständige Stelle für die Durchsetzung der Geoblocking-Verordnung.

Von grundlegender Bedeutung für den Ausbau eines einheitlichen europäischen Dienstleistungsbinnenmarktes ist weiterhin der Abbau der Bürokratie im Rahmen der Arbeitnehmerentsendung. Dies gilt insbesondere für die sog. „A1-Bescheinigung“ bei Entsendungen und Dienstreisen. Sie dient dem Nachweis, dass ein in einen anderen EU-Mitgliedstaat entsandter Arbeitnehmer weiterhin dem System der sozialen Sicherheit in seinem Heimat-Mitgliedstaat untersteht. Um die bürokratischen Hürden weiter abzubauen, setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen zur Änderung der zugrundeliegenden EU-Verordnungen für entsprechende Erleichterungen ein. So soll bei kurzen oder kurzfristigen Entsendungen bzw. Dienstreisen keine A1-Bescheingung notwendig sein. Dazu hat sich der Bundeswirtschaftsminister in der Mittelstandsstrategie bekannt. Das BMWK steht dazu auch in engem Austausch mit der Europäischen Kommission und anderen Europäischen Mitgliedstaaten, um mittelstandsfreundliche Lösungen zu finden.

Von besonderer Bedeutung für die Schaffung eines Binnenmarktes für Dienstleistungen ist auch die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen der Unionsbürger in den Mitgliedstaaten. Die Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36/EG macht für reglementierte Berufe inhaltliche Vorgaben für die Anerkennungsentscheidung und enthält Regelungen zum Verfahrensablauf in den Mitgliedstaaten. Reglementierte Berufe sind dabei solche Berufe, deren Ausübung durch Gesetz an bestimmte Qualifikationen geknüpft ist. Reglementierungen gibt es vor allem dort, wo besondere Ansprüche an die Qualitätssicherung bestehen oder ein hohes Ausbildungsniveau gesichert werden soll. Dabei müssen die Anforderungen durch übergeordnete Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt und verhältnismäßig sein.

Steuerung des EU-Binnenmarktes

Bürger und Unternehmen können die Chancen des Binnenmarktes nur dann effektiv wahrnehmen, wenn alle Binnenmarktrichtlinien in den EU-Mitgliedstaaten rechtzeitig umgesetzt und korrekt angewandt werden. Um dies zu überwachen, veröffentlicht die Europäische Kommission das Single Market Scoreboard Online. Hier wird die Leistung der Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Anwendung von Binnenmarktrecht anhand des Funktionierens unterschiedlicher Instrumentarien gemessen. Relevant sind beispielsweise die Anzahl der nicht fristgerecht umgesetzten Binnenmarktrichtlinien sowie die Arbeitsweise der SOLVIT-Stellen.

SOLVIT ist ein kostenloses Instrument der alternativen Streitbeilegung, das Unternehmen sowie Unionsbürger und -bürgerinnen einschalten können, wenn ihre EU-Rechte bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit verletzt werden. Die Grundsätze für die Arbeitsweise von SOLVIT werden in der Empfehlung 2013/461/EU der Kommission dargelegt.

Weitere Informationen über die Arbeit des SOLVIT-Netzwerkes erhalten Sie hier.

Rat für Wettbewerbsfähigkeit (Wirtschaftsteil)

Im Rat der Europäischen Union kommen die Ministerinnen und Minister aller EU-Mitgliedstaaten zusammen, um die Politik auf EU-Ebene zu gestalten. Der Rat der EU und das Europäische Parlament sind gemeinsam für die Verhandlung und den Erlass von EU-Gesetzgebungsakten zuständig. Das Initiativrecht für Gesetzgebungsvorhaben liegt grundsätzlich bei der Europäischen Kommission. Der Rat der EU tagt je nach Thema in unterschiedlichen Ratsformationen und die Bundesministerien nehmen die Ratssitzungen entsprechend ihrer Zuständigkeit wahr. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz ist für die Bereiche Binnenmarkt, Industrie, KMU und Raumfahrt des Rates für Wettbewerbsfähigkeit zuständig. All diese Felder sind entscheidend für eine wettbewerbsfähige wirtschaftliche Entwicklung in der EU, wobei Ausgangspunkt stets der europäische Binnenmarkt als zentrales Element unserer Wettbewerbsfähigkeit ist. Der Wettbewerbsfähigkeitsrat beschäftigt sich beispielsweise mit der Frage, wie in Zeiten von Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel die Wettbewerbsfähigkeit Europas langfristig gesichert und gestärkt werden kann. Der Rat tritt regelmäßig zweimal während einer EU-Ratspräsidentschaft zu formalen Ratssitzungen zusammen. Neben den formalen Ratstagungen finden einmal pro Präsidentschaftshalbjahr informelle Treffen der zuständigen Ministerinnen und Minister statt. Sie dienen primär dem offenen und allgemeinen Austausch über die künftige strategische Ausrichtung des Rates oder der Vorbereitung von Debatten zu umstrittenen Themen. Der Rat wird von zahlreichen Ausschüssen und Arbeitsgruppen unterstützt. Die Ratsarbeitsgruppen werden auf Fachebene wahrgenommen und sind die erste Ebene, auf der EU-Vorhaben inhaltlich diskutiert werden. Ziel der Ratsarbeitsgruppen ist es eine Entscheidungsgrundlage für den Ausschuss der Ständigen Vertreter zu erarbeiten, der als zentrales Vorbereitungsgremium des Rates gilt. Neben den ständigen Ratsarbeitsgruppen existieren sog. Hochrangige Gruppen, die die Arbeit des Rates bezogen auf spezifische Fachthemen vorbereiten. Die Hochrangige Gruppe "Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum" bereitet die Tagungen des Wettbewerbsfähigkeitsrates in Bezug auf horizontale oder spezifische Fragen in den Bereichen Wettbewerbsfähigkeit der EU, Binnenmarkt, bessere Rechtsetzung und Industriepolitik vor.