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Für eine klimaneutrale Zukunft beschreiten wir als Volkswirtschaft drei Wege, um möglichst wenig schädliches CO₂ in die Atmosphäre einzubringen:
Vermeidung,
Substitution, also der Ersatz von fossilen durch erneuerbare Energieträger, und
Entnahme von CO₂ aus der Atmosphäre beziehungsweise das Verhindern, dass es dorthin gelangt.
Prioritär sind die ersten beiden Strategien, denn jede Tonne CO₂, die vermieden oder ersetzt werden kann, muss nicht aufwändig eingefangen, gespeichert oder wiederverwendet werden.
Deutschland hat im Bundes-Klimaschutzgesetz das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 verankert. Nach dem Jahr 2050 sollen sogar negative Treibhausgasemissionen erreicht werden, d.h. dass der Atmosphäre dann insgesamt mehr Emissionen entzogen werden sollen als emittiert werden
Trotz aller Anstrengungen wird es aber selbst nach 2045 noch Emissionen geben, die nicht durch die bislang verfügbaren oder sich in Entwicklung befindlichen Technologien vermieden werden können.
Klimaneutralitätsstudien gehen deshalb davon aus, dass schwer bzw. nicht vermeidbare CO₂-Emissionen in bestimmten Bereichen bzw. Prozessen abgeschieden und anschließend genutzt (engl. Carbon Capture and Utilization, CCU) oder sicher und dauerhaft in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten gespeichert (engl. Carbon Capture and Storage, CCS) werden müssen.
Die Bundesregierung hat Eckpunkte einer Carbon Management-Strategie vorgelegt, um den Umgang mit diesen schwer bzw. nicht vermeidbaren Emissionen zu regeln. Sie ist weiter unten zum Download zu finden.
Technologien zur Abscheidung und Transport von CO₂
Die Abscheidung von schwer bzw. nicht vermeidbaren CO₂-Emissionen bietet sich vor allem in Teilen der Industrie und in der Abfallwirtschaft an. Hier ist der Einsatz von CCS/CCU auch unter der Annahme ambitionierter Ansätze zur Kreislaufwirtschaft, zum Recycling und zur Nutzung alternativer Baustoffe unerlässlich, um CO₂-Neutralität zu erreichen. In den vergangenen Jahren hat die Entwicklung verfügbarer Abscheidetechnologien große Fortschritte hinsichtlich Abscheideeffizienz, Marktreife und Kostenreduktion gemacht, sodass ein großtechnischer Einsatz heute möglich erscheint.
Der Transport großer Mengen CO₂ zum Standort der Nutzung oder zum Zweck der dauerhaften Speicherung kann besonders effizient über Leitungen erfolgen und erfordert entsprechende Infrastrukturen. Zum Teil kommt aber auch der Transport per Schiff, LKW oder Schiene in Betracht. Durch ein gezieltes Carbon Management in Industrieclustern können Transportbedarfe reduziert werden.
CO₂ als Rohstoff: Schaffung von Kohlenstoffkreisläufen
Die Nutzung von abgeschiedenem CO₂ bietet eine Option, den Ausstoß von Prozessemissionen aus industriellen Quellen zu verringern und gleichzeitig Kohlenstoffkreisläufe zu schließen. CO₂ wird als Kohlenstoffquelle eine wachsende Bedeutung in der chemischen Industrie zugerechnet; spätestens dann, wenn fossile Kohlenstoffquellen nicht mehr bzw. nur noch in geringem Umfang genutzt werden.
Das im Zuge des Nutzungsverlaufs in den Produkten gebundene CO₂ wird allerdings – solange der CO₂-Kreislauf noch nicht vollständig geschlossen ist – am Ende des Produktlebens wieder freigesetzt.
Dauerhafte Speicherung von CO₂
Die dauerhafte geologische Speicherung von CO₂ in Tiefenbereichen von etwa 800 bis 4.000 Metern bietet die Möglichkeit, CO₂ permanent zu speichern. Die geologische Speicherung von CO₂ wird weltweit seit Jahrzehnten praktiziert – von kleinen Pilot- bis hin zu großen Industrieprojekten und unter verschiedenen geologischen Rahmenbedingungen. Geeignete geologische Speicher sind zum Beispiel ausgeförderte Öl- oder Erdgaslagerstätten und Salzwasser führende Gesteinsschichten (sog. salinare Aquifere). In diese Speicher können große CO₂-Mengen injiziert und sicher über geologische Zeiträume gespeichert werden.
Das bisher einzige CO₂-Speicherprojekt in Deutschland befindet sich in Brandenburg westlich von Berlin am Pilotstandort Ketzin. Von Juni 2008 bis August 2013 wurden insgesamt ca. 67 Tausend Tonnen CO₂ in einem salinaren Aquifer in einer Tiefe von 630 bis 650 m gespeichert. Das Forschungsprojekt hat gezeigt, dass die CO₂-Speicherung an Land (onshore) sicher und ohne Gefährdungen von Menschen und Umwelt umgesetzt werden kann.
Die großen und erkundungswürdigen Offshore-Speicherkapazitäten in Deutschland und Europa liegen insbesondere unterhalb der Nordsee bzw. der Norwegischen See.
Negative Emissionen
Sogenannte negative Emissionen entziehen der Atmosphäre CO₂. Sie können entweder durch natürlichen Klimaschutz, bspw. die Erhöhung der Kohlenstoffvorräte im Wald, aber auch mit Hilfe technischer Ansätze erreicht werden. Hier sind v.a. Verfahren zum direkten CO₂-Entzug aus der Luft (DACCS, engl. Direct Air Capture and CCS) oder der energetischen Biomassenutzung mit CCS (BECCS, engl. Bioenergy and CCS) zu nennen. Bei der BECCS-Technologie wird CO₂ aus der Verbrennung von Biomasse abgeschieden und anschließend im geologischen Untergrund dauerhaft gespeichert. Wichtig dabei ist jedoch, dass nachhaltig erzeugte Biomasse genutzt werden sollte, diese aber nur im begrenzten Umfang verfügbar ist. Zum Umgang mit Negativemissionen hat die Bundesregierung eine Langfriststrategie Negativemissionen (PDF, 337 KB) erarbeitet.
Fördermaßnahme CO₂-Vermeidung und -Nutzung in Grundstoffindustrien
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) wird Projekte energieintensiver Grundstoffindustrien fördern, die zum Ziel haben, im Einklang mit der Carbon Management-Strategie Treibhausgasemissionen mittels CCU/CCS-Technologien einer Nutzung zuzuführen oder möglichst dauerhaft im tiefen geologischen Untergrund zu speichern. Die Projekte sollen damit einen Beitrag auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität leisten und zum Erhalt strategischer Wertschöpfungsketten in Deutschland und Europa beitragen. Die geförderten Projekte sollen einen hohen Innovations- und Demonstrationscharakter haben und modellhaft auf andere Unternehmen übertragbar sein.
Die Bundesregierung hat das KSpG sowie die Erfahrungen zur CCS-Technologie Ende 2018 evaluiert. Im zweiten Evaluierungsbericht zum KSpG von Ende 2022 hat die Bundesregierung zusätzlich CCU-Technologien evaluiert. Die Bundesregierung hat in dem Bericht die Empfehlung ausgesprochen, den Rechtsrahmen für CCS/CCU anzupassen. Dazu solle das KSpG angepasst werden, u.a. um den Bau von CO₂-Leitungen zu erleichtern und auch für Zwecke von CCU im KSpG zu regeln. Außerdem sollten Hindernisse für den Export von CO₂ abgebaut werden.
Am 29.05.2024 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Änderung des KSpG beschlossen. Um mit dem Bau von CO₂-Pipelines in privater Trägerschaft innerhalb eines staatlichen Regulierungsrahmens beginnen zu können, wird das KSpG entsprechend den Vorschlägen der Bundesregierung im Evaluationsbericht von Ende 2022 aktualisiert. Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung des Gesetzes werden behoben. Konkret wird im Gesetzentwurf ein einheitliches Zulassungsregime für Kohlendioxidleitungen geschaffen. Zudem beinhaltet der Gesetzentwurf verschiedene Konkretisierungen zur Verfahrensbeschleunigung bei Genehmigungsverfahren zum Bau von CO₂-Infrastruktur.
Die Erkundung von Offshore-Speicherstätten in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) bzw. dem Festlandsockel wird gesetzlich ermöglicht. Bei nachgewiesener Standorteignung, unter Berücksichtigung von Sicherheitsstandards und ökologischen Kriterien sowie raumordnerischer Festlegungen können entsprechende Speicher für die industrielle Nutzung erschlossen werden. Eine Speicherung von CO₂ in Meeresschutzgebieten bleibt ausgeschlossen.
Die dauerhafte Speicherung von CO₂ im geologischen Untergrund auf dem Gebiet des deutschen Festlands (onshore) wird durch das Bundesgesetz weiterhin nicht ermöglicht. Jedoch wird aufgrund der Rückmeldung von der Länderseite im KSpG eine gesetzliche Grundlage geschaffen, die ein Opt-in einzelner Bundesländer zur Onshore-Speicherung auf deren jeweiligem Landesgebiet ermöglicht, sofern die Länder das durch Landesrecht entsprechend beschließen. Eine Onshore-Speicherung zu Forschungszwecken wird unabhängig davon bundesweit ermöglicht.
Über den am 29.05.2024 vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf zur Änderung des KSpG hinaus ist vorgesehen, dass Deutschland die Änderung des London-Protokolls zur Ermöglichung des CO₂-Exports zwecks Offshore-Speicherung ratifiziert und die hierfür notwendigen Änderungen am Hohe-See-Einbringungsgesetz vorgenommen werden.
Eckpunkte einer Carbon Management-Strategie
Die Eckpunkte einer Carbon Management-Strategie sind – vorbereitet durch einen umfassenden Stakeholderdialog mit Expertinnen und Experten aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft – im Februar 2024 vorgelegt worden. Es folgten die Ressortabstimmung und die Anhörung der Länder- und Verbände und schließlich am 29.05.2024 der Beschluss im Bundeskabinett.
Die Eckpunkte der CMS stellen die politischen Maßgaben den für den Umgang mit CCS/CCU dar und bilden die Grundlage für die umfassende Carbon Management-Strategie selbst. Diese wird auf Basis der Eckpunkte jetzt in einem nächsten Schritt als fachlich vertiefendes Dokument finalisiert. In der CMS selbst wird es u.a. darum gehen, notwendige Anwendungsgebiete für CCU und CCS zu benennen sowie die rechtlichen, ökologischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf in Deutschland darzustellen. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Schaffung der notwendigen Infrastruktur gelegt.
Downloads
29.05.2024 - Download - Industriepolitik
Publikation:FAQ zu CCS und CCU
Häufig gestellte Fragen zu CO₂-Abscheidung und -Speicherung sowie anschließende Nutzung von Kohlenstoff
Publikation:Stellungnahmen zum Referentenentwurf eines Ersten Änderungsgesetzes zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz sowie Entwurf von Eckpunkten der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategie
Publikation:Stellungnahmen zum Referentenentwurf eines Ersten Änderungsgesetzes zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz sowie Entwurf von Eckpunkten der Bundesregierung für eine Carbon Management-Strategie
Video:Pressekonferenz Eckpunkte Carbon Management Strategie
Mit Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
Ottmar Edenhofer, Direktor Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung
Dominik von Achten, CEO Heidelberg Materials