Welche Rolle spielt für Sie der Weltfrauentag?
Der 8. März war für mich schon immer ein besonderer Tag. Meine Mutter hat an dem Tag Geburtstag. Sie ist für mich ein großes Vorbild. Sie hat immer alles „gewuppt“. Es war selbstverständlich, dass sie mit meinem Vater zusammen das Unternehmen führt. Dabei hat sie alles Mögliche gleichzeitig gemacht: Essen kochen, sich um drei Kinder kümmern, den Betrieb organisieren, Lohnabrechnungen schreiben, Stapler fahren. Was für eine Frau! Dass der 8. März auch Weltfrauentag ist, habe ich erst später wahrgenommen. Ich fände es schön, wenn es sich dabei um einen bundesweiten Feiertag handeln würde. Bisher ist das ja nur in Berlin der Fall. Aber dann müsste auch der Internationale Männertag am 19. November ein Feiertag sein. Gleichheit finde ich wichtig.
Gibt es einen weiblichen Führungsstil, und wenn ja, was zeichnet ihn aus?
Ich denke nicht in den Kategorien weiblicher und männlicher Führungsstil. Es gibt Menschen, die unterschiedlich führen. Punkt. Was ich Frauen aber mehr zuschreibe, ist ein Gespür für verschiedene Stimmungen: Wie fühlen sich die einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter? Wie fühlt sich die Gruppe? Da gibt es Frauen, die darauf sensibel reagieren. Gleichzeitig gibt es aber auch Frauen, die eher maskulin unterwegs sind. Die sind dann bissig, wollen ihr Territorium verteidigen. Eine Frage, die mich persönlich übrigens als Führungsperson interessiert, ist: Wie kann sich jeder Beteiligte gut einbringen? Ich verbinde mit Erfolg ein gut eingespieltes Team, in dem jede und jeder etwas hinzutut. Das ist vergleichbar mit einer Familie, die das Abendbrot vorbereitet: Der eine kocht etwas, der andere holt das Besteck und wieder einer dekoriert den Tisch. Das ist meine persönliche Idee von guter Führung.
Unterstützen Sie in Ihrem Unternehmen Frauen besonders, und wenn ja, wie?
Tatsächlich habe ich am Anfang gedacht, Frauen sollen sich selbst durchbeißen. Ich habe sie nicht extra unterstützt. Denn ich wollte sie nicht bevorzugen, um selbst nicht angreifbar zu sein. Diese Haltung hat sich bei mir geändert. Ich setze mich sehr dafür ein, dass Familie und Beruf bei uns unter einen Hut passen. Zum Beispiel schreiben wir Vollzeitstellen aus, die wir an zwei Personen als Teilzeitbeschäftigung vergeben. Diese Art der Arbeitsweise verlangt mehr Absprachen untereinander. Das funktioniert jedoch sehr gut und bestätigt mich wiederum darin, mehr im „Wir“ zu denken.
Sie leiten eine Firma – mit Ihrem Bruder. War die Doppelspitze immer klar? Und welche Vorteile hat diese?
Es war nicht klar, dass wir mal eine Doppelspitze bilden. 2011 hat sich mir die Gelegenheit geboten, als Geschäftsführerin ins Unternehmen einzusteigen. Ich habe sie angenommen. Ohne genau zu wissen, was mich erwarten würde. Was mich motiviert hat, war zu sehen, dass es meinen Eltern nicht mehr gut ging. Die Wirtschaftskrise hatte die Firma voll im Griff. Meine Eltern waren müde. Und für mich war klar, dass ich jetzt helfen und Verantwortung übernehmen muss. Mein Bruder Claus und ich haben uns gut ergänzt – von Anfang an. Ich bin die Extrovertierte, die die Kommunikation des Unternehmens übernommen hat. Er ist der Introvertierte, ein Mann vom Fach, der wirklich Ahnung von unseren Technologien und Produkten hat. Seit 2019 ist außerdem mein Lebensgefährte Teil der Geschäftsführung. Nun sind wir also zu dritt. Wir bilden ein perfektes Team, verstehen uns blind und haben gelernt, zusammen die besten Perspektiven zu entwickeln.
Werden an Frauen in Führungspositionen andere Maßstäbe angelegt als an männliche Führungspersonen?
Viele verlangen von Frauen die hundertprozentige Leistung, während bei Männern auch mal 70 Prozent reichen. Frauen erwarten dies aber oft von sich selbst und bewerben sich zum Beispiel nur auf Stellen, wenn sie wirklich jede Anforderung erfüllen. Da sollten wir alle mehr Selbstvertrauen mitbringen. Ich glaube, Frauen müssen sich eine andere Lautstärke aneignen, um sich durchzusetzen. Sie müssen aufhören, sich anzupassen und sich in männlichen Ritualen zu verfangen. Sie sollten vielmehr ihrem eigenen Stil treu bleiben.
Technologieberufe sind häufig eine Männerdomäne. Wie kann man Frauen mehr dafür begeistern?
Durch Vorbilder. Man muss ihnen die Angst und die Voreingenommenheit nehmen. Der Gedanke scheint immer noch gang und gäbe zu sein, dass man für einen Technologieberuf mehr Grips braucht. Alles Quatsch. Man sollte einfach machen, worauf man Lust hat und wo die eigenen Interessen liegen. Ich habe mich schon immer an Vorbildern orientiert. Interessanterweise waren sie bisher alle älter als 65. Was ich dabei im Blick habe, ist ihre gesamte Lebensgeschichte. Woher kommt ihre Schaffenskraft? Ihr Durchhaltevermögen? Wie sehen ihre Krisenstrategien aus? Ich bewundere natürlich auch meine Eltern, die mich ja erst in die Lage der Geschäftsführung gebracht haben. Was mir meine Vorbilder vermitteln, ist: Es geht immer um das „Wir“: Wir schaffen das gemeinsam. Und um Psychohygiene, das ist ganz wichtig. Ich kann nur jedem raten: Sport machen, in die Sauna gehen, sich mit Freunden treffen. Dann läuft es auch mit dem Unternehmen, mit der Idee, mit dem Job. Es gibt so viele Menschen, vor allem Männer, die sich kaputt schuften und mit 50 Jahren einen Herzinfarkt erleiden. Das muss nicht sein.