Neben dem sogenannten Compliance-Markt, also dem Markt, dessen Nachfrage sich in letzter Instanz aus den Klimaschutzzielen der Nationalstaaten speist, hat sich über die vergangenen Jahre ein Markt für die freiwillige Kompensation von Treibhausgasemissionen entwickelt.

Die Käuferinnen und Käufer müssen dafür allerdings nicht unbedingt auf Zertifikate zurückgreifen, die den internationalen Regeln der Vereinten Nationen entsprechen, sondern können auch private Zertifizierungsmechanismen nutzen.

Eine Entwicklung, die diesem „freiwilligen Kohlenstoffmarkt“ zuletzt bedeutenden Aufschwung verlieh, ist die Verkündung von Klimaneutralitätszielen von Unternehmen. Da die meisten Unternehmen jedoch auf absehbare Zeit Emissionen verursachen werden, ist zumindest mittelfristig der Ankauf von CO2-Zertifikaten notwendig, um die weiterhin anfallenden Emissionen bilanziell auszugleichen. Hierdurch besteht ein erhebliches Nachfragepotential für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Jedoch sind bei diesem Vorgehen aus Sicht der Bundesregierung einige Grundprinzipien zu beachten: So sollte dem Vermeiden und Reduzieren von Treibhausgasemissionen immer Vorrang eingeräumt werden gegenüber der Kompensation von Emissionen. Anbieter von Kompensationsdienstleistungen sollten diesen Vorrang deutlich machen und zunächst über Möglichkeiten zur Emissionsvermeidung und -reduktion informieren, bevor über einen Emissionsausgleich gesprochen wird.

Zudem sollte die Kompensation nur durch Projekte erfolgen, die anspruchsvollen Qualitätskriterien genügen. Es sollte beispielsweise sichergestellt sein, dass die Emissionsreduktionen nachweisbar zusätzlich sind. Auch muss vermieden werden, dass eine Emissionsminderung doppelt gezählt wird, also bspw. ein Unternehmen mit dieser Minderung seine Emissionen ausgleicht und gleichzeitig das Gastgeberland sich die Minderung in seinem Inventar für seine Erfüllung der Klimaschutzziele anrechnet.

Schließlich ist der Gefahr der Verbrauchertäuschung entgegen zu wirken. Viele Unternehmen bezeichnen ihre Produkte oder Dienstleistungen als „klimaneutral“ oder „carbon neutral“, da sie Emissionen gemindert und verbliebene Emissionen „kompensiert“ haben. Um diese negativen Auswirkungen bestmöglich zu vermeiden, ist das Grundprinzip „Vermeiden und Reduzieren vor Kompensieren“ und eine transparente Kommunikation unerlässlich.

Details zur Durchführung von „Kompensationsprojekten“ bietet ein UBA-Ratgeber.

Vermeidung von Doppelzählung

Im Übereinkommen von Paris sind alle Staaten dazu verpflichtet, sich nationale Klimaschutzziele zu setzen und Maßnahmen umzusetzen, die zur Zielerfüllung beitragen. Wird nun in einem Land ein Klimaschutzprojekt durchgeführt, verringert dieses Projekt die Treibhausgasemissionen des Landes und trägt so zur Umsetzung des nationalen Klimaschutzziels bei. Möchte zugleich ein Unternehmen die erzeugten Klimaschutzzertifikate zur Umsetzung seines Klimaneutralitätsziels verwenden, würde die Emissionsreduktion zweimal genutzt. Deshalb stellt sich für den freiwilligen Markt die Frage der Doppelzählung: Kann der von dem Projekt erzielte Klimaschutzeffekt sowohl von dem Land als auch von dem Unternehmen beansprucht werden? Oder sollte eine solche Doppelzählung durch eine robuste Verrechnung der Emissionsminderungen unterbunden werden?

Die verschiedenen Formen der Doppelzählung

Eine Doppelzählung liegt vor, wenn eine einzelne Emissionsminderung (bzw. eine CO2-Entnahme aus der Atmosphäre) mehr als einmal auf die Erreichung von Minderungszusagen oder finanziellen Zusagen zum Zweck des Klimaschutzes angerechnet wird. In der Regel werden drei verschiedene Formen der Doppelzählung unterschieden: Eine doppelte Ausschüttung (double issuance) liegt vor, wenn eine Emissionsreduktion zur Ausstellung von mehr als einem CO2-Zertifikat führt. Von Doppelter Nutzung (double use) wird gesprochen, wenn ein CO2-Zertifikat zweimal zur Umsetzung von Minderungszielen verwendet wird. Der Begriff Doppelte Inanspruchnahme (double claiming) beschreibt eine Situation, in der zwei Akteure (Staaten oder auch Unternehmen) dieselbe Emissionsreduktion für die Erreichung von Minderungszielen geltend machen: einmal von dem Unternehmen oder Staat, der das CO2-Zertifikat zur Zielerfüllung nutzt, und einmal von dem Gastgeberland, in dessen Inventar die entsprechende Emissionsminderung auftaucht und somit zur NDC-Umsetzung beiträgt. Die Doppelte Inanspruchnahme von Emissionsreduktionen ist jene Form der Doppelzählung, die in den Verhandlungen zu Artikel 6 und in den Diskussionen zur Zukunft des freiwilligen Kohlenstoffmarkts im Mittelpunkt steht.

Für den Handel von Klimaschutzzertifikaten zwischen Staaten schließt das Übereinkommen von Paris eine solche Doppelzählung explizit aus und seit der Klimakonferenz von Glasgow 2021 steht durch die Umsetzung so genannter corresponding adjustments auch eine technische Lösung bereit.

Im Beschluss der Klimakonferenz in Sharm-el Sheik im Dezember 2022 wurden letztere nun als "mitigation contribution A6.4ER" bezeichnet (d.h. die Emissionsminderung trägt zur NDC-Implementierung im Projektland bei und wird von diesem Land an die UN berichtet). Die internationale Ebene räumt somit ein, dass es zwei unterschiedliche Typen von CO2-Zertifikaten geben kann und eröffnet damit für den freiwilligen Markt die Möglichkeit, transparent und wahrheitsgemäß über den Verbleib des Klimaeffekts der Aktivität zu berichten. Damit wird ein Signal gesendet, dass eine Doppelzählung auch bei der Nutzung von CO2-Zertifikaten durch private Akteure im freiwilligen Markt nicht erwünscht ist, ohne dies jedoch vollständig auszuschließen. Explizit genannt und durch die Namensgebung unterstrichen ist hingegen die Verwendung dieser Zertifikate im Rahmen des sogenannten Contribution Claim-Ansatzes.