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EU-Finanzen und Europäisches Semester

Einleitung

Junge Menschen halten die EU-Flagge zum Theme EU-Werte und Wirtschaftsgemeinschaft; Quelle: Fotolia.com/Photographee.eu

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Die EU erfüllt vielfältige Aufgaben, indem sie etwa weniger entwickelte Regionen oder den Klimaschutz fördert, Spitzenforschung und Digitalisierung unterstützt, oder den internationalen Handel stärkt. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2050 erster klimaneutraler Kontinent zu werden. EU-Finanzmittel, etwa aus dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und der Aufbau- und Resilienzfazilität (NGEU) sowie Aktivitäten der Europäischen Investitionsbank (EIB) unterstützen den Übergang zu einer nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft.

Die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik liegt weiterhin in den Händen der Mitgliedstaaten. Risiken und Fehlentwicklungen können aber Rückwirkungen auf alle EU-Mitgliedstaaten haben, dies gilt insbesondere für die Eurozonen-Mitgliedstaaten. Um diese frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können, gibt es das Europäische Semester, ein Monitoring- und Koordinationsprozess.

EU-Haushalt

EU-Haushalt

Die für die Tätigkeit der EU erforderlichen Mittel werden im Voraus langfristig festgelegt, in Form des so genannten „Mehrjährigen Finanzrahmens“ (MFR). Dieser bildet für einen Zeitraum von sieben Jahren den finanziellen Rahmen für das Handeln der EU und sorgt dafür, dass die Ausgaben der EU vorhersehbar und, aus Sicht der Empfänger, planbar sind. Der MFR bildet den Rahmen für die einzelnen Jahreshaushalte der EU, die festlegen, wie viele Mittel jährlich für die über 50 Ausgabenprogramme und die Institutionen zur Verfügung stehen.

Finanziert wird der EU-Haushalt in erster Linie über so genannte Eigenmittel. Diese setzen sich bislang zusammen aus Zöllen und sonstigen Abgaben, einem geringen Anteil am Mehrwertsteuer-Aufkommen der Mitgliedstaaten sowie zum Ausgleich und als mittlerweile wichtigste Einnahmequelle einem jährlich neu festgelegten Anteil am jeweiligen Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten. Dabei muss der EU-Haushalt immer ausgeglichen sein, den Ausgaben also stets Einnahmen in gleicher Höhe gegenüberstehen.

Der derzeitige MFR, auf den sich die EU-Institutionen im Dezember 2020 unter deutscher Ratspräsidentschaft geeinigt haben, läuft von 2021 bis 2027. Insgesamt umfasst er ein Volumen von 1200 Mrd. Euro (lfd. Preise) – für alle 27 Mitgliedstaaten und über sieben Jahre hinweg. Die folgende Abbildung zeigt, in welchen Bereichen die EU tätig wird – etwa der Struktur- und Kohäsionspolitik – und welche Mittel dafür bis 2027 zur Verfügung stehen.

Die Finanzen der Europäischen Union Bild vergrößern

Die Einigung vom Dezember 2020 umfasst aber nicht nur den regulären MFR, sondern auch ein einmaliges, zeitlich befristetes Aufbauinstrument „Next Generation EU“ (NGEU) im Umfang von ungefähr 800 Mrd. Euro. NGEU ist bis 2026 befristet und dient dazu, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid 19-Pandemie abzufedern und Zukunftsfelder zu fördern, vor allem in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung. Eine Besonderheit dieses Instruments besteht darin, dass es über Anleihen finanziert wird, die von der Europäischen Kommission begeben werden. Diese sind bis spätestens 2058 aus dem EU-Haushalt zurückzuzahlen, zu dem die Mitgliedstaaten entsprechend ihres Eigenmittelanteils beitragen.

Im Zuge der Einigung auf den MFR 2021-2027 hatte die Europäische Kommission erklärt, bis zum 1. Januar 2024 eine „Halbzeitüberprüfung“ (Revision) des Finanzrahmens zu unterbreiten. Am 20. Juni 2023 legte sie entsprechende Vorschläge vor. Ende Februar 2024 erzielten Europäisches Parlament und Rat eine Einigung auf die Revision des MFR, die einen besonderen Schwerpunkt auf die weitere finanzielle Unterstüützung der Ukraine und Maßnahmen zur Deckung der gestiegenen Finanzierungskosten von NGEU legt. Daneben wurde im Rahmen der Revision die Einrichtung der Plattform „Strategische Technologien füür Europa“ (STEP) beschlossen, die bestehende EU-Förderinstrumente stärken und mobilisieren soll, um die technologische Souveränität der EU zu unterstützen.

Teil der Einigung auf den MFR 2021-2027 ist die Einführung zusätzlicher neuer Eigenmittel, etwa aus dem Emissionshandelssystem, einer CO2-Grenzausgleichsabgabe oder einer – bereits eingeführten – Abgabe auf bestimmte nicht recycelte Plastikabfälle. Diese sollen in erster Linie der Rückzahlung der für NGEU begebenen Anleihen dienen. Im Juni 2023 hat die Europäische Kommission ein angepasstes Paket neuer Eigenmittel vorgelegt, das unter anderem ein befristetes Eigenmittel auf der Grundlage des Bruttobetriebsüberschusses von finanziellen und nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften umfasst. Die neuen Eigenmittel-Vorschläge werden derzeit auf europäischer Ebene verhandelt.

NextGenerationEU

NextGenerationEU (NGEU)

Den Kern von NGEU bildet die so genannte „Aufbau- und Resilienzfazilität“ (ARF), mit einem Umfang von fast 725 Mrd. Euro, davon 338 Mrd. Euro als Zuschüsse und 386 Mrd. Euro als Kredite. Sie unterstützt Investitionen und Reformen in den Mitgliedstaaten, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Krise abzufedern und letztlich ihre Volkswirtschaften zu stärken. Dabei stehen insbesondere die Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen aus dem Europäischen Semester sowie der grüne und digitale Wandel im Fokus: mindestens 37% der Mittel, die die Mitgliedstaaten aus der ARF erhalten sollen dem Klimaschutz zugutekommen, mindestens 20% der Digitalisierung.

Wie viele Mittel ein Mitgliedstaat aus der ARF enthält, richtet sich danach, wie stark er von der Pandemie betroffen war. Um Mittel erhalten zu können, müssen die Mitgliedstaaten sogenannte „Aufbau- und Resilienzpläne“ (ARP) erstellen, in denen sie darlegen, welche Investitionen und Reformen sie planen und wie welchem Umfang diese die Ziele der ARF adressieren.

Im Zusammenhang mit REPowerEU - der Reaktion der EU auf die durch die russische Invasion in der Ukraine verursachten Störungen des Energiemarktes - wurden die Mittel für die ARF um weitere 20 Mrd. Euro aufgestockt. Die Mitgliedstaaten müssen für diese Mittel ihre nationalen ARP um ein weiteres Kapitel mit energiepolitischem Schwerpunkt ergänzen (sog. REPowerEU-Kapitel).

Die Bundesregierung hat einen umfassenden ARP erstellt, der am 13. Juli 2021 durch den Rat gebilligt wurde. Nach der Neuberechnung der zu verteilenden Mittel in 2022 hat Deutschland seinen Plan Ende des Jahres 2023 erweitert. Eine weitere Ergänzung um ein REPowerEU-Kapitel ist in 2024 geplant. Deutschland stehen demnach voraussichtlich 30,3 Mrd. Euro an Zuschüssen zu.

Der deutsche ARP umfasst derzeit insgesamt 40 Maßnahmen aus sechs Schwerpunktbereichen:

1. Klimapolitik und Energiewende
2. Digitalisierung der Wirtschaft und Infrastruktur
3. Digitalisierung der Bildung
4. Stärkung der Sozialen Teilhabe
5. Stärkung eines pandemie-resilienten Gesundheitssystems
6. Moderne Verwaltung und Abbau von Investitionshemmnissen

Das BMWK hat wesentlich zum deutschen ARP beigetragen, durch ambitionierte Vorhaben in den Bereichen Klimapolitik und Energiewende sowie Digitalisierung der Wirtschaft und Infrastruktur. Dazu zählen auch drei grenzüberschreitende Vorhaben als so genannte „wichtige Vorhaben gemeinsamen europäischen Interesses“ zur Förderung von Wasserstofftechnologien, Mikroelektronik und Cloud-Dienstleistungen. Zum Klimaschutz tragen besonders auch Vorhaben zur energetischen Gebäudesanierung und zu einer Innovationsprämie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen bei. Zudem beruht die Erweiterung des deutschen ARP Ende 2023 auf Investitionsmaßnahmen des BMWK zu Wärmenetzen und der Förderung von Elektromobilität.

Die folgenden BMWK-Maßnahmen im DARP tragen wesentlich zu den Schwerpunkten des DARP bei:

 

MaßnahmeVolumen der Finanzierung aus der Aufbau- und Resilienzfazilität [in Euro]
1.1.1Wasserstoffprojekte im Rahmen von IPCEI (fuel and energy and pollution abatement)1.500.000.000
1.1.2Förderprogramm Dekarbonisierung in der Industrie450.000.000
1.1.3Pilotprogramm Klimaschutzverträge nach dem Prinzip Carbon Contracts for Difference (CCfD)550.000.000
1.1.6Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW)570.000.000
1.2.3Innovationsprämie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betriebenen Fahrzeugen4.060.000.000
1.3.2Kommunale Reallabore der Energiewende57.000.000
1.3.3CO2-Gebäudesanierung: Bundesförderung effiziente Gebäude – Innovationsförderung2.500.000.000
2.1.2IPCEI Mikroelektronik und Konnektivität1.500.000.000
2.1.3IPCEI Nächste Generation von Cloud-Infrastruktur und -Services (IPCEI-CIS)750.000.000
2.2.1Investitionsprogramm Fahrzeughersteller/ Zulieferindustrie Modul1.898.500.000

Abb.: DARP-Maßnahmen in der Federführung des BMWK

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Europäische Investitionsbank

Europäische Investitionsbank (EIB)

Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist die Bank der Europäischen Union und trägt mit ihren Aktivitäten dazu bei, wichtige EU-Ziele, wie etwa Spitzenforschung oder Aufholprozesse in weniger entwickelten EU-Regionen, zu unterstüützen und die europäische Integration zu fördern.

Seit ihrer Gründung 1958 hat die EIB mehr als eine Billion Euro investiert und damit schwerpunktmäßig Vorhaben in den Bereichen

  • Klima & Umwelt
  • Kohäsion
  • Innovation, Digitalisierung und Humankapital
  • Kleine und mittlere Unternehmen
  • Nachhaltige Städte und Regionen
  • Nachhaltige Energie und natürliche Ressourcen

unterstützt. Die EIB arbeitet in über 160 Ländern in der Europäischen Union und weltweit, um EU-Politikziele zu unterstützen. Hierzu fördert sie etwa grenzüberschreitende Projekte, fuür eine besser integrierte Infrastruktur im Binnenmarkt.

Eine zentrale Rolle nehmen die grüne Transformation und Maßnahmen gegen den Klimawandel ein: Die EIB ist einer der wichtigsten Geldgeber für den Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit und EU-Klimabank: Die EU hat sich vorgenommen, bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu werden. Für die damit einhergehende ökologische Umgestaltung und Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft, sind Investitionen in erheblichem Umfang nötig. Diese zu generieren, unterstützt die EIB mit ihrer Tätigkeit. Bis 2030 will sie Investitionen von mindestens einer Billion Euro in Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit mobilisieren.

Schwerpunkt der EIB-Aktivitäten in Deutschland als Wirtschafts- und Industriestandort sind Finanzierungen für Innovation und den Klimaschutz. So unterstützen etwa Projekten für den Ausbau Erneuerbarer Energien und Energieeffizienz oder Forschung und Entwicklung den Übergang zu einer grüneren Wirtschaft. Der Europäische Investitionsfonds (EIF) als Teil der EIB-Gruppe fokussiert auf kleine und mittlere Unternehmen und fördert innovative Start-ups.

Eigentümer der EIB sind die EU-Mitgliedstaaten, die Bundesregierung ist entsprechend in die Entscheidungs- und Kontrollstrukturen der EIB eingebunden.

Teil der EIB-Gruppe ist auch der Europäische Investitionsfonds (EIF). Mit dem EIF besteht eine langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit, um insbesondere den Zugang zu Kapital für junge, innovative und schnell wachsende Unternehmen in Deutschland und europaweit zu verbessern.

Das Europäische Semester

Das Europäische Semester

Die europäische Staatsschulden - und Finanzkrise 2010 hat strukturelle Schwächen der Wirtschafts- und Währungsunion offengelegt. Um Fehlentwicklungen früher zu erkennen und effektiv gegensteuern zu können, wurde mit dem „Europäischen Semester“ 2011 ein Monitoring- und Koordinationsprozess eingeführt.

Dieser besteht aus drei Säulen: Erstens der Koordinierung und Überwachung der Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedstaaten, zweitens dem Verfahren zur Überwachung von makroökonomischen Ungleichgewichten und drittens der Einhaltung der haushaltspolitischen Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts. Dabei werden - soweit im makroökonomischen Kontext relevant - auch horizontale Themen und Aspekte wie der grüne und digitale Wandel oder die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) berücksichtigt. Ein Semesterzyklus beginnt mit dem Herbstpaket im November. Das Frühjahrspaket im Mai enthält die Länderspezifischen Empfehlungen, mit deren Annahme im Sommer der Semesterzyklus endet. Die Mitgliedstaaten berücksichtigen diese Empfehlungen in ihrer nationalen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Im Laufe der Jahre hat sich das Europäische Semester verändert. Angesichts der Covid-19-Pandemie wurde NextGenerationEU ins Leben gerufen, um Europa stärker und krisenfester zu machen. Die Umsetzung dessen Herzstück, der Aufbau- und Resilienzfazilität, wurde mit dem Semester verwoben.

Darüber hinaus wird aber auch die laufende Revision der wirtschafts- und fiskalpolitischen Steuerung der EU – die „Economic Governance Review“ – das Europäische Semester beeinflussen. Künftig sollen die Mitgliedsstaaten ihre Wirtschafts- und Fiskalpolitik im Rahmen von mehrjährigen sog. mittelfristigen strukturellen finanzpolitischen Plänen koordinieren. Das Europäische Semester wird hier wichtige Ankerpunkte bieten, um eine fundierte Diskussion struktureller Herausforderungen, makroökonomischer Risiken und von Reformen und Investitionen zu ermöglichen.

Weitere Informationen zur wirtschafts- und fiskalpolitischen Steuerung der EU finden Sie hier.

Das Nationale Reformprogramm 2023: Sichere Energieversorgung und Modernisierung

In Nationalen Reformprogrammen (NRP) dokumentieren die EU-Mitgliedstaaten, mit welchen Maßnahmen sie den gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen in ihrem Land begegnen und wie sie die länderspezifischen Empfehlungen des Rates der Europäischen Union umsetzen. Die EU-Mitgliedstaaten nehmen dabei auch Bezug auf die UN-Nachhaltigkeitsziele.

Die Nationalen Reformprogramme beziehen sich dabei im regulären Semesterzyklus auf

  • den jeweiligen Länderbericht der Europäischen Kommission, in dem die EU- Kommission die Wirtschaftspolitik der EU-Mitgliedstaaten analysiert und wesentliche gesamtwirtschaftliche Herausforderungen in den Mitgliedstaaten darstellt,
  • die jeweiligen länderspezifischen Empfehlungen des Rates der Europäischen Union, abschließend angenommen in der Regel im Juli des Vorjahres,
  • die jährliche Strategie für nachhaltiges Wachstum der Europäischen Kommission,
  • die UN-Nachhaltigkeitsziele.

Das deutsche NRP 2023 wurde am 29. März vom Bundeskabinett beschlossen und ist hier abrufbar.

In diesem Jahr hebt das deutsche NRP einerseits die Entlastungsmaßnahmen zur Abfederung der Belastungen durch höhere Energiepreise und andererseits Maßnahmen zur Stärkung der Wachstumskräfte der deutschen Wirtschaft im Zuge von Dekarbonisierung, Digitalisierung und Demografie hervor.

Die Bundesregierung hat mit den verschiedenen Entlastungspaketen einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung der Energiekrise geleistet und gleichzeitig durch den Ausbau der LNG-Infrastruktur die Diversifizierung der Energieversorgung ermöglicht. Durch die die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern gesenkt. Mit verschiedenen öffentlichen Investitionen, Förderprogrammen und Reformen befördert die Bundesregierung die Modernisierung der digitalen Infrastruktur, die Dekarbonisierung in der Industrie und legt den Grundstein für die Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Um doppelte Berichtsstrukturen zu vermeiden, verweist das diesjährige NRP überwiegend auf Inhalte des Jahreswirtschaftsberichts.

Es ist das gemeinsame Anliegen der Europäischen Kommission und der Bundesregierung, Parlamente und Interessengruppen schon bei der Erstellung des NRP zu beteiligen. Neben den Ländern, die über eigene Maßnahmen Bericht erstattet haben, wurden auch Verbände und Sozialpartner sowie der Bundestag mit dem NRP befasst. Die Stellungnahmen der Verbände und Sozialpartner finden Sie hier.

Weiterführende Informationen