Die Europäische Kommission gestaltet die Handelspolitik in Absprache mit den Mitgliedstaaten. Um ein einheitliches Auftreten nach außen und insbesondere im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) sicherstellen zu können, trifft sich wöchentlich der vom Rat der Europäischen Union bestellte Handelspolitische Ausschuss.
Das BMWK ist innerhalb der Bundesregierung verantwortlich für die Erarbeitung der deutschen Position in der Handelspolitik und vertritt diese auf europäischer und internationaler Ebene.
Eine offene, nachhaltige und durchsetzungsfähige EU-Handelspolitik
Die Europäische Kommission hat am 18.02.2021 ihre Mitteilung zu ihrer neuen Handelsstrategie („Trade Policy Review“) veröffentlicht. Leitmotiv ist das Konzept der offenen strategischen Autonomie, das sich an offenen Märkten, regelgebundenem Handel und Verbesserung des Level Playing Field orientiert.
Die Europäische Kommission nennt drei Hauptziele für die mittelfristige Handelspolitik:
- Unterstützung der Erholung und des grundlegenden Wandels der EU-Wirtschaft im Einklang mit ihren Zielen für den ökologischen und digitalen Wandel
- Gestaltung weltweiter Regeln für eine nachhaltigere und fairere Globalisierung
- Stärkung der Fähigkeit der EU, ihre Interessen zu verfolgen und ihre Rechte durchzusetzen – wenn nötig, auch eigenständig
Daraus leitet die KOM sechs Tätigkeitsfelder ab:
- WTO-Reform
- Unterstützung des ökologischen Wandels und Förderung verantwortungsvoller und nachhaltiger Wertschöpfungsketten
- Unterstützung des digitalen Wandels und des Handels mit Dienstleistungen
- Stärkung der regulatorischen Wirkung der EU
- Stärkung der Partnerschaften der EU mit Nachbarstaaten, Erweiterungsländern und Afrika
- Stärkerer Schwerpunkt der EU auf der Um- und Durchsetzung von Handelsabkommen und der Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen
Ein Anhang zur Handelsstrategie beschreibt die Pläne der Europäische Kommission für eine WTO-Reformagenda. Dabei legt sie einen Schwerpunkt auf den Beitrag der WTO zu nachhaltiger Entwicklung. Dies umfasst neben Umwelt und Klima auch soziale Fragen wie Geschlechtergerechtigkeit und gute Arbeitsbedingungen.
Gemeinsam für ein grünes und gerechtes Wirtschaftswachstum
Mit ihrer Überprüfung zu Handel und nachhaltiger Entwicklung (Trade and Sustainable Development (TSD) Review) will die Europäische Kommission EU-Handelsabkommen umweltverträglicher, fairer und nachhaltiger gestalten und einen stärkeren Beitrag zum Schutz des Klimas und der Arbeitnehmerrechte leisten. Die am 22.06.2022 von der Kommission vorgelegte Mitteilung „Die Macht von Handelspartnerschaften: Gemeinsam für ein grünes und gerechtes Wirtschaftswachstum“ zeigt auf, wie Um- und Durchsetzung von Nachhaltigkeitskapiteln in EU-Handelsabkommen weiter gestärkt werden können. Dabei identifiziert die Kommission 20 Aktionspunkte in sechs politischen Prioritäten:
- Proaktivere Zusammenarbeit mit den Partnern
- Verstärkung des länderspezifischen Ansatzes
- Mainstreaming von Nachhaltigkeitsaspekten über die Nachhaltigkeitskapitel von Handelsabkommen hinaus
- Verstärkung des Monitorings bei der Umsetzung von Verpflichtungen zu Handel und nachhaltiger Entwicklung
- Stärkung der Rolle der Zivilgesellschaft
- Verbesserung der Durchsetzung durch Handelssanktionen als letztes Mittel.
Marktzugangsstrategie
Europäische Unternehmen sind auf Auslandsmärkten zunehmend mit einer Vielzahl von Handelshemmnissen konfrontiert. Dazu gehören nicht nur Zollschranken, sondern insbesondere nichttarifäre Hemmnisse, wie technische Vorschriften, besondere Anforderungen an die Lebensmittelsicherheit, Verletzung des Schutzes geistigen Eigentums sowie Investitionsbarrieren.
Die Marktzugangsstrategie ist Teil der Bemühungen der Europäischen Kommission, europäischen Unternehmen den Zugang zu Auslandsmärkten zu erleichtern und sicherzustellen, dass Handelsregeln eingehalten werden. Mit der Marktzugangsstrategie hat die EU einen Rahmen geschaffen, die Europäische Industrie mit Informationen zu Marktzugangsbedingungen in Drittländern zu versorgen und ungerechtfertigte Handelshemmnisse zu beseitigen. Ein Podium für die Bekämpfung von Handelsbarrieren bildet die Einführung der Marktzugangspartnerschaft. Diese legt den Schwerpunkt auf eine enge Zusammenarbeit der Europäischen Kommission mit den EU-Mitgliedstaaten und der Wirtschaft. Die Kooperation erfolgt im Rahmen von Market Access Teams (MATs) vor Ort, in Arbeitsgruppen zu bestimmten Themen sowie in Diskussion der Europäischen Kommission mit Mitgliedstaaten und der Europäischen Wirtschaftsverbände im Rahmen des monatlich tagenden Market Access Advisory Committees (MAAC).
Dank der Zusammenarbeit im Rahmen der Marktzugangspartnerschaft konnten bspw. 2021 39 Handelshemmnisse in 24 Partnerländern ganz oder teilweise beseitigt werden. Siehe hierzu auch Bericht der EU-Kommission über die Um- und Durchsetzung von Handelsabkommen von Oktober 2022.
Deutschland unterstützt die Marktzugangsstrategie und kooperiert aktiv mit der Europäischen Kommission, den EU-Mitgliedstaaten, den nationalen und europäischen Verbänden und Unternehmen, um Marktzugangsprobleme in Drittlandsmärkten frühzeitig zu erkennen und möglichst zu beheben.
Gremien der Marktzugangsstrategie
Der Beratende Marktzugangsausschuss (MAAC) – ein Zusammenschluss von Regierungs-vertretern der EU-MS und den europäischen Industrieverbänden – erörtert sektorenübergreifend im monatlichen Rhythmus handelspolitische Entwicklungen und handelshemmende Maßnahmen auf Exportmärkten in Drittstaaten und sucht entsprechende Lösungen.
In Marktzugangsarbeitsgruppen (MAWG) werden sektorspezifische handelspolitische Maßnahmen der Drittländer erörtert. MAWG gibt es derzeit zu folgenden Themen: SPS (Tier + Pflanzengesundheit), Medizinische Geräte, Textilien und Leder, Informations- und Kommunikationstechnologie, Automobilwirtschaft und Reifen, alkoholhaltige Getränke sowie kritische Rohstoffe.
Dazu wurden in wichtigen Exportmärkten Marktzugangsteams (MAT) geschaffen – bestehend i.d.R. aus Mitarbeitern der EU-Delegation sowie der Botschaften der europäischen Mitgliedstaaten vor Ort – die sich gemeinsam mit den dort tätigen/angesiedelten europäischen Unternehmen um die Überwindung von Exporthemmnissen bemühen.
Access2Markets und Single Entry Point
Seit 13. Oktober 2020 wurde im Internet das neue EU-Handelsportal „Access2Markets“ eröffnet. Es vereinigt die bisherige Marktzugangsdatenbank (MADB) und den Trade Help Desk in einem neuen Webportal und enthält viele neue Features wie zum Beispiel ROSA, ein Instrument für Unternehmen zur Selbsteinschätzung des Warenursprungs (Rules of Origin Self Assessment). Das neue EU-Handelsportal soll insbesondere KMU dabei unterstützen, die Zollpräferenzen aus den bilateralen EU-Handelsabkommen besser zu nutzen. Mit Access2Markets können sich deutsche und europäische Unternehmen produktspezifisch für ihre Export- und Importgeschäfte über Zolltarife, Zollformalitäten Produktanforderungen und -regeln und Marktzugangsbarrieren in Drittmärkten informieren. Das Portal wird kontinuierlich erweitert. Inzwischen können auch Informationen über öffentliche Ausschreibungen, Dienstleistungen und Investitionen sowie zu den Handelsbeschränkungen seitens Russland und Belarus abgerufen werden.
Über Access2Markets ist auch der Single Entry Point (SEP) erreichbar. Er ist die zentrale Anlaufstelle für alle EU-Akteure, um Marktzugangsprobleme in Drittländern oder die Nichteinhaltung von Nachhaltigkeitsverpflichtungen an die Europäischen Kommission zu melden.
Moderne Handelspolitische Schutzinstrumente
Um die europäischen Unternehmen und Industriestandorte wirksamer gegen Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Handel und unfaire Handels- und Subventionspraktiken des Auslands schützen zu können, hat die Europäische Union (EU) die Handelsschutzinstrumente in den vergangenen Jahren modernisiert und im Jahr 2016 eine überarbeitete Methodologie zur Berechnung des Dumpings in EU-Antidumpingverfahren eingeführt, was vor allem für die produzierenden Industrien in Deutschland und der EU wie beispielsweise die Stahlbranche ein wichtiges Signal ist. Die Neuregelung trägt zu einem wirksamen und effektiven handelspolitischen Schutzinstrumentarium zur Abwehr unfairer Handelspraktiken bei – insbesondere gegenüber Dumping bei Vorliegen nicht marktwirtschaftlicher Verhältnisse im jeweiligen Herkunftsland der betroffenen Waren.
Die Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen ergänzt seit Januar 2023 das handelspolitische Instrumentarium (DFS-VO).
Außerdem sollen europäische Unternehmen künftig einen besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen und Beschaffungsverfahren im Nicht-EU-Ausland erhalten. Ermöglichen soll dies das Internationale Beschaffungsinstrument (International Procurement Instrument, IPI). Angebote von Unternehmen aus Staaten außerhalb der EU, die ihren Beschaffungsmarkt nur unzureichend für europäische Bieter zugänglich machen, können künftig bei Vergabeverfahren in der gesamten EU im Rahmen der Angebotswertung bewusst benachteiligt oder sogar ausgeschlossen werden. Dadurch soll die Bereitschaft von Drittstaaten gesteigert werden, ihre Beschaffungsmärkte – etwa durch den Beitritt zu dem WTO-Beschaffungsübereinkommen GPA (Government Procurement Agreement) oder den Abschluss bilateraler Marktzugangsvereinbarungen – für Unternehmen aus der EU zu öffnen.
Handelshemmnisverordnung
Auf Grundlage der sogenannten "Trade Barriers Regulation" (Handelshemmnisverordnung, kurz TBR) können Unternehmen bei der Europäischen Kommission eigenständig ein Verfahren gegen Handelshemmnisse beantragen, ohne Verbände oder Ministerien einschalten zu müssen. Ist der Antrag zulässig, wird eine Untersuchung eingeleitet. Dabei wird festgestellt, ob die angegebenen Hemmnisse tatsächlich vorliegen und ob sie handelsschädigende Auswirkungen auf den betreffenden Wirtschaftszweig der Gemeinschaft haben. Bestätigen sich die Behauptungen und können sich die Verfahrensbeteiligten nicht einigen, kann sich die Gemeinschaft für ein formelles Streitbeilegungsverfahren im Rahmen eines internationalen Abkommens mit dem Handelspartner entscheiden.