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16.10.2024 - Artikel - Klimaschutz

Negativemissionen CO₂-Entnahme aus der Atmosphäre

Einleitung

Für effektiven Klimaschutz genügt es nicht, nur CO₂ einzusparen – wir müssen langfristig auch CO₂ aus der Atmosphäre entnehmen und einspeichern. Diese Negativemissionen lassen sich beispielsweise über die Aufforstung von Wäldern, die direkte Abscheidung von CO₂ aus der Atmosphäre mit anschließender geologischer Speicherung (DACCS) oder der beschleunigten Verwitterung von Gestein erreichen. Wie das gelingen kann, erarbeitet die Bundesregierung aktuell im Rahmen des Beteiligungsprozesses zur „Langfriststrategie Negativemissionen“.

Langfriststrategie Negativemissionen

Langfriststrategie Negativemissionen (LNe)

Mit der Langfriststrategie Negativemissionen wird die Bundesregierung ein gemeinsames Verständnis der Rolle der CO₂-Entnahme für den Klimaschutz in Deutschland schaffen. Im Februar 2024 haben sich die Ressorts auf Eckpunkte verständigt, die das Arbeitsprogramm für die Ausarbeitung der Langfriststrategie Negativemissionen festlegen.

Mit einem Ziel für das Jahr 2060 soll die Klimazielarchitektur in Deutschland über die THG-Neutralität hinaus strategisch weiterentwickelt und die nach dem Jahr 2050 angestrebte, dann insgesamt negative, Treibhausgasbilanz für Deutschland konkretisiert werden. Für den bedarfsgerechten Ausbau von Methoden und Technologien für Negativemissionen stellen sich komplexe Fragen zu Wirksamkeit, Governance und ökonomischen Anreizen, die nun angegangen werden.

Der Ausbau von negativen Emissionen berührt auch andere europäische und nationale Strategien, unter anderem die Carbon Management Strategie. Die Carbon Management Strategie ist Anknüpfungspunkt für alle negativen Emissionstechnologien, die die technische Abscheidung oder Speicherung von CO₂ als einen Prozessschritt enthalten und die deshalb auf eine CO₂-Infrastruktur angewiesen sind. Dies ist z.B. bei der direkten technischen Abscheidung von CO₂ aus der Luft mit anschließender geologischer Speicherung (Direct Air Capture and Carbon Storage, DACCS) der Fall.

Beteiligungsprozess

Beteiligungsprozess zur Langfriststrategie Negativemissionen

Die Langfriststrategie Negativemissionen wird auf Grundlage der veröffentlichten Eckpunkte in einem Beteiligungsverfahren erarbeitet. Die Beratungsunterlagen und Ergebnisse der Sitzungen sind veröffentlicht.

Darstellung der Organisation des Beteiligungsprozesses Bild vergrößern

© BMWK

Zeitplan

Zeitplan für die Langfriststrategie Negativemissionen

Bereits seit dem 28. Mai 2024 läuft das Beteiligungsverfahren zur Langfriststrategie Negativemissionen. Durch Auftragnehmer erfolgen Modellierungen zu möglichen Szenarien für Negativemissionen. Die wesentlichen Arbeiten sollen im 1. Quartal 2025 abgeschlossen werden. Ziel ist es, der neuen Bundesregierung gleich zu Beginn der 21. Legislatur eine fundierte Entscheidungsgrundlage vorlegen zu können, die diese in die Lage versetzt, rasch die erforderlichen politischen Weichenstellungen für eine Langfriststrategie Negativemissionen vornehmen zu können.

Darstellung des LNe Beteiligungsprozesses Bild vergrößern

Methoden und Technologien

Methoden und Technologien zur CO₂-Entnahme

In der Langfriststrategie Negativemissionen werden grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden Methoden und Technologien, mit denen negative Emissionen erzielt werden können, betrachtet. Die Bindungsform, der weitere Weg und der dauerhafte Verbleib des aus der Atmosphäre entnommenen Kohlenstoffs kann sich je nach Methode und Technologie erheblich unterscheiden. Einige der folgenden Methoden und Technologien beinhalten nur Teilschritte auf dem Weg von der Entnahme aus der Atmosphäre bis zur dauerhaften Speicherung.

Waldmanagement

In Deutschland sind Wälder potentiell die größte Senke von CO₂. Die Trockenheit der letzten Jahre und die damit in Verbindung stehenden Insektenkalamitäten haben allerdings insbesondere in Fichtenwäldern große Schäden hinterlassen. So ist der Zuwachs zurückgegangen und der Wald zu einer Kohlenstoffquelle geworden.

Aufforstung

Bei der Aufforstung entzieht das Wachstum der Bäume durch Photosynthese der Atmosphäre CO₂ und speichert es durch die Bildung von Biomasse. Damit führen neue Waldflächen immer zu einer Vergrößerung des Kohlenstoffvorrates in der Biomasse.

Agroforstsysteme

Unter Agroforstsystemen ist die Integration von Nutzgehölzen in landwirtschaftlich genutzte Flächen zu verstehen. Dazu zählen beispielsweise Gehölzstreifen (Wertholz, Obstgehölze und/ oder Energieholz) auf Äckern oder Grünland. Agroforstsysteme führen zu einer Erhöhung der Biomasse pro Fläche, da in den Gehölzen und im Boden mehr organischer Kohlenstoff eingelagert wird.

Kohlenstoffanreicherung im Boden

In Böden sind große Mengen Kohlenstoff gespeichert. Durch gezielte Bodenbewirtschaftung kann der Kohlenstoffgehalt des Bodens erhöht oder verringert werden (Humusaufbau oder -abbau).

Wiedervernässung von Mooren

Deutschland verfügt nur über wenig intakte Moore, die tatsächlich wachsen und so der Atmosphäre CO₂ entnehmen. Durch die Wiedervernässung von trockengelegten landwirtschaftlich genutzten Mooren können die CO₂-Emissionen signifikant gemindert und bei optimaler Vernässung gestoppt werden.

Einsatz von Pflanzenkohle

Die Methode umfasst mehrere Prozesse: die Bindung von CO₂ durch Photosynthese während des Wachstums der Biomasse sowie die pyrolytische Verkohlung der Biomasse. Der Kohlenstoff in den pflanzlichen Ausgangsstoffen kann als Pflanzenkohle (Biochar) langfristig gebunden werden.

Bioenergie mit Carbon Capture and Storage (BECCS)

Unter BECCS versteht man die energetische Nutzung bzw. Umwandlung von Biomasse unter Abscheidung und geologischer Speicherung von CO2 (CCS).

Direct Air Carbon Capture and Storage (DACCS)

Bei DACCS wird CO₂ über technische Anlagen direkt aus der Umgebungsluft gefiltert und abgeschieden, um es anschließend einer geologischen Speicherung zuzuführen (CCS). Die Abscheidung erfolgt über chemische oder physikalische Prozesse, bei denen CO₂ von den übrigen Bestandteilen der Atmosphäre getrennt wird.

Kohlenstoffbindung in Produkten

Die Herstellung von Produkten, die Kohlenstoff enthalten, der der Atmosphäre entnommen wurde, kann zu einer dauerhaften Entnahme von CO₂ führen. Eine langfristige stoffliche Nutzung von Biomasse wird beispielsweise über die Verwendung als (Holz-)Bau- oder Dämmmaterial in der tragenden Konstruktion von Gebäuden sichergestellt.

Künstliche Photosynthese

Analog zur natürlichen Photosynthese soll bei der künstlichen Photosynthese die Energie des Sonnenlichts genutzt werden, um Kohlendioxid aus der Umgebungsluft aufzunehmen und in kohlenstoffhaltige Produkte umzuwandeln. Die Umwandlung von CO₂ erfolgt durch photoelektrochemische Prozesse.

Alkalinitätserhöhung im Ozean

Der Ozean nimmt auf natürliche Weise CO₂ aus der Atmosphäre auf. Dabei wird CO₂ an der Meeresoberfläche gelöst und zum Teil chemisch gebunden. Die dabei entstehenden Protonen führen zur Versauerung des Ozeans. Säurebindende Mineralien, die aus Verwitterungsgesteinen an Land stammen und durch natürliche Prozesse ins Meer gelangen, wirken dieser Versauerung entgegen und ermöglichen so eine weitere Aufnahme von CO₂. Durch das Einbringen von Substanzen durch den Menschen, wie z.B. Kalk oder Silikat diese Prozess verstärkt werden, um eine größere CO₂-Aufnahme zu erreichen.

Marine Biomasse

Bei diesen Methoden wird marine Biomasse wie Algen auf Plattformen in Schelfmeeren oder auf dem offenen Ozean angebaut, um den Kohlenstoff, der beim Pflanzenwachstum mittels Photosynthese aus dem Wasser aufgenommen wird, zu binden. Das erforderliche CO₂ wird dabei nicht direkt der Atmosphäre, sondern aus dem Wasser entnommen, in dem es gelöst ist. Für eine langfristige Bindung des Kohlenstoffs wäre die Ernte der Biomasse erforderlich. Nach der Ernte könnte die Biomasse landbasierten Methoden wie BECCS zugeführt oder gezielt auf den tiefen Meeresboden versenkt werden.

Stärkung küstennaher Ökosysteme (Blue Carbon Enhancement)

Küstennahe Ökosysteme wie Salzmarschen, Seegraswiesen, Mangroven und Tangwälder sind hochproduktive Ökosysteme und CO₂-Senken. Sie nehmen bei der Photosynthese CO₂ aus der Atmosphäre und dem Meerwasser auf und binden den darin enthaltenen Kohlenstoff, hauptsächlich im Untergrund.

Beschleunigte Verwitterung von Gesteinen

Durch die natürliche Verwitterung von basischen Gesteinen oder Mineralen (z.B. Olivin, Basalt oder Peridotit) wird CO2 in den Reaktionsprodukten gebunden und so der Atmosphäre entzogen. In der Natur laufen diese Reaktionen sehr langsam ab. Durch Vergrößerung der reaktiven Oberfläche von Gesteinen durch Vermahlung kann der Stoffumsatz pro Zeiteinheit und damit die CO2-Bindung erhöht werden. Dazu wird das Gestein abgebaut und nach dem Zermahlen auf Böden oder ins Meer ausgebracht (siehe auch Alkalinitätserhöhung). Bei der Verwitterungsreaktion entstehende (Bi-)Karbonat-Ionen binden Kohlenstoff anorganisch in der Hydrosphäre

Weitere Methoden und Technologien

Die Entwicklung der CO₂-Entnahme ist ein dynamisches Feld, in dem immer wieder neue Verfahren entwickelt werden. Innerhalb der LNe wird kontinuierlich evaluiert, ob diese im Detail zu betrachten und bewerten sind. Bei den oben beschriebenen Methoden und Technologien wird in jedem Fall eine Bewertung erfolgen.

Treibhausgasemissionen