Die Gasversorgungslage in Deutschland ist weiterhin angespannt. Deshalb verstärkt die Bundesregierung die Vorsorge für den Winter. Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, legte heute ein weiteres Energiesicherungs-Paket vor, das die bereits ergriffenen, breit angelegten Maßnahmen ergänzt. Im Mittelpunkt des neuen Pakets stehen Gaseinsparung und die Befüllung der Speicher. Hintergrund ist, dass auch nach der Wartung der Nord Stream 1 Pipeline die Gasflüsse aus Russland deutlich reduziert sind, obwohl einer vollen Auslastung technisch nichts entgegensteht und Lieferpflichten seitens Russlands bestehen.
„Durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine befindet sich Deutschland in einer Energiekrise, die vom Aggressor Wladimir Putin bewusst geschürt wird. Es spräche technisch nichts dagegen, Nord Stream 1 nach der abgeschlossenen Wartung wieder voll auszulasten. Die geringere Auslastung bei rund 40 Prozent spricht daher eine klare politische Sprache und bestätigt, dass wir uns auf Lieferungen nicht verlassen können. Putins Ziel ist es, zu verunsichern, Preise zu treiben, die Gesellschaft zu spalten und die Unterstützung für die Ukraine zu schwächen. Dem beugen wir uns nicht, sondern setzen dem konzentriertes und konsequentes Handeln entgegen. Wir treffen Vorsorge, damit wir durch den Winter kommen“, sagte Bundesminister Robert Habeck.
Bereits in den letzten Monaten hat die Bundesregierung zahlreiche strukturelle Maßnahmen auf den Weg gebracht, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren und die Versorgungssicherheit zu stärken. Dazu gehört der Aufbau einer eigenen LNG-Infrastruktur inklusive der Beschaffung von schwimmenden Terminals, die Diversifizierung der Gaslieferungen, Befüllung der Gasspeicher, Maßnahmen zur Senkung des Gasverbrauchs im Stromsektor und der Industrie, die Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien und die Absicherung von Unternehmen der Energieversorgung. (siehe Dritter Fortschrittsbericht Energiesicherheit vom 20.07.2022).
„Wir sind gut vorangekommen, auch, weil Wirtschaft und Gesellschaft mitziehen. Darauf können wir aufbauen – und das tun wir jetzt. Die Lage bleibt angespannt, deshalb verstärken wir noch mal die Anstrengungen. Der Gasverbrauch muss weiter runter, die Speicher müssen voll werden. Daran sollten wir mit vereinten Kräften arbeiten“, sagte Habeck. Er betonte: „Wir werden einen langen Atem brauchen. Denn wir müssen nicht nur diesen Winter, sondern auch den folgenden mitdenken. Zwar sind wir in großen Schritten dabei, die Abhängigkeit von russischem Gas zu reduzieren, aber es ist jetzt schon absehbar, dass das Jahr 2023 noch anspruchsvoll sein wird. Gas bleibt ein knappes Gut und entsprechend sorgsam sollten wir damit umgehen.“
Energiesicherungspaket mit drei Elementen
Das Energiesicherungspaket hat im Kern drei Elemente: Die Befüllung der Gasspeicher wird noch einmal gestärkt, der Erdgasverbrauch in der Stromerzeugung gesenkt sowie Effizienz- und Einsparmaßnahmen ausgeweitet. Die Maßnahmen werden in den kommenden Wochen und nach der Sommerpause Schritt für Schritt in enger Abstimmung innerhalb der Bundesregierung umgesetzt.
I. Befüllung der Gasspeicher:
Um die Speicherbefüllung sicherzustellen, werden die gesetzlich vorgesehen Füllstände bei den Gasspeichern noch mal erweitert. Konkret wird für den 1. September 2022 ein neues Zwischenziel von 75% eingefügt. Die Vorgaben zielen darauf, dass auch bei geringen Gasflüssen nicht ausgespeichert wird, sondern die Speicher kontinuierlich weiter befüllt werden. Daneben werden die bisherigen Füllstandsvorgaben nochmal erhöht, zum 1. Oktober von 80 % auf 85 % , zum 1. November von 90 % auf 95 %. Die zusätzlichen 5 Prozentpunkte bedeuten im Maximum zum 1. November eines Kalenderjahres ca. 1. Milliarde Kubikmeter Gas (ca. 12 TWh). Die hierfür notwendige Ministerverordnung ist in der Ressortabstimmung und wird in den nächsten Tagen in Kraft treten.
II. Reduktion von Erdgas für die Stromerzeugung
Um den Erdgasverbrauch in der Stromerzeugung zu senken, hat die Bundesregierung bereits beschlossen, mehr Kohlekraftwerke einzusetzen. So können Steinkohlekraftwerke aus der Netzreserve zurückkehren. Eine entsprechende Verordnung ist bereits in Kraft. Neu hinzu kommt nun eine Verordnung, mit der eine Braunkohlereserve zum 1. Oktober aktiviert wird. Die Braunkohlekraftwerke können dann auch an den Strommarkt zurückkehren und Erdgaskraftwerke ersetzen. Flankiert wird die durch eine Gaseinsparverordnung, die die unnötige Verstromung von Erdgas verhindert. Diese Verordnung wird aktuell vorbereitet und tritt dann in Kraft, wenn sich abzeichnet, dass noch mehr Einsparung von Gas bei der Stromerzeugung erforderlich ist. Systemrelevante Gaskraftwerke werden nicht erfasst.
Darüber hinaus sollen Transportkapazitäten für die Brennstoffversorgung auf der Schiene sichergestellt werden. Dazu erklärte der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing: „Angesichts der aktuellen Herausforderungen im Bereich der Energieversorgung arbeiten wir mit Hochdruck an verschiedenen Handlungsoptionen, mit denen die Transportkapazitäten auf der Schiene sichergestellt und erhöht werden können. Im ersten Schritt passen wir dazu kurzfristig die Nutzungsbedingungen des Netzes an, um Mineralöl- und Kohletransporte auf der Ebene der Disposition, also bei der Vergabe freier Trassen, zu priorisieren. Falls das nicht ausreicht, können wir im Rahmen des Energiesicherungsgesetzes per Rechtsverordnung die Bevorzugung von Verkehren auf Ebene der Kapazitätszuweisung regeln. Dabei würden dann auch bereits vergebene Slots für Energie-Transporte bereitgestellt werden.“ Hier arbeiten das Bundesverkehrsministerium und das Bundeswirtschaftsministerium eng zusammen.
Auch die erneuerbaren Energien sollen einen stärkeren Beitrag leisten, um Erdgas aus dem Strombereich zu verdrängen. So soll insbesondere die Biogaserzeugung ausgeweitet werden, indem unter anderem die vorgegebenen jährliche Maximalproduktion der Anlagen ausgesetzt wird. Damit Solaranlagen ebenfalls mehr Strom einspeisen können, ist angestrebt, die 70 Prozent-Kappungsregel für Bestandsanlagen zu streichen. Für Neuanlagen gilt das schon ab dem 1.1.2023. Derartige Maßnahmen verlangen gesetzliche Änderungen, die eng innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden.
III. Effizienz- und Einsparmaßnahmen
Es ist wichtig, dass der Gasverbrauch auch in Betrieben, Bürogebäuden und privaten Haushalten sinkt. Dazu plant das BMWK neue Regelungen auf der Grundlage des novellierten Energiesicherungsgesetzes (§ 30 EnSiG). Ein Teil der Maßnahmen wird auf sechs Monate befristet sein, ein Teil auf zwei Jahre, um auch schon den kommenden Winter mit in den Blick zu nehmen.
Energieeinsparungen in Unternehmen sollen verbessert werden. Unternehmen, die ein Energie- und Umweltmanagementsystem eingeführt haben, sollen solche Energiespar-Maßnahmen umsetzen, die sich innerhalb von zwei Jahren wirtschaftlich rechnen. Betroffen wären hiervon grundsätzlich große Unternehmen mit hohen Energieverbräuchen von mehr als 10 GWh, die beispielsweise gesetzliche Privilegien beim Spitzenausgleich im Rahmen der Stromsteuer oder zur Vermeidung von Carbon-Leakage in Anspruch nehmen.
Damit der Energieverbrauch sinkt, ist es sinnvoll, Räume, in denen man sich nicht regelmäßig aufhält, etwa Flure, große Hallen, Foyers oder Technikräume, nicht mehr zu heizen, außer, es gibt dafür sicherheitstechnische Anforderungen. Für öffentliche Einrichtungen und Bürogebäude soll das in Verordnungen geregelt werden. Für diese Maßnahme ist eine Laufzeit von 6 Monaten vorgesehen. Zudem wird das BMWK mit den Sozialpartnern über weitere Einsparmöglichkeiten im Arbeits- und Betriebsbereich sprechen - dies in enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium.
Auch in Wohngebäuden lässt sich noch mehr Energie einsparen. Hier informiert das BMWK bereits intensiv über freiwillige, kleine und dabei wirksame Maßnahmen (Heizung ein wenig runterdrehen, Stoßlüften statt das Fenster bei voller Heizung auf Kipp stellen und nur die Räume heizen, in denen man sich aufhält). Damit kann man schon mal im Herbst und Winter zur Senkung des Verbrauchs beitragen und Kosten sparen (siehe Energiewechsel- Kampagne). Zudem gibt es für die energetische Sanierung (zum Beispiel für den Austausch von Fenstern) derzeit staatliche Förderungen.
Nun kommen noch ein paar Dinge dazu, damit der Verbrauch noch besser reduziert werden kann. So sollen Mieterinnen und Mieter mehr Spielraum bekommen, Energie einzusparen. Derzeit gibt es nämlich zum Teil vertragliche Verpflichtungen, eine Mindesttemperatur in gemieteten Räumen aufrechtzuerhalten – das heißt, wenn diese Mieterinnen und Mieter weniger heizen wollen, verstoßen sie gegen ihre Mietverträge. Deshalb sollen diese vertraglichen Verpflichtungen - in enger Abstimmung mit den betroffenen Ressorts der Bundesregierung - vorübergehend ausgesetzt werden, so dass Mieterinnen und Mieter, die Energie einsparen und die Heizung herunterdrehen wollen, dies auch tun dürfen.
Wer die Heizungen einem Check unterzieht und sie optimiert, kann damit Energie und Geld sparen. Dazu gehört zum Beispiel die Vorlauftemperaturen zu senken oder nachts weniger zu heizen. Diesen Heizungscheck sollten alle Eigentümer und Eigentümerinnen von Gasheizungen durchführen. Damit das gelingt, wird er künftig vorgegeben – mit ausreichenden Fristen. Über die Umsetzung sind Gespräche mit Zentralverband Sanitär Heizung Klima (ZVSHK) angelaufen.
Mehr Effizienz lässt sich auch über den hydraulischen Abgleich erzielen, weil dann das Heizwasser optimal verteilt wird. Ihn sollen künftig alle Eigentümer von Gebäuden mit zentraler Wärmeversorgung - also in der Regel Mehrfamilienhäuser – machen, wenn sie ihn nicht in den letzten Jahren schon durchgeführt haben. Da es sich hierbei um eine Instandhaltungsmaßnahme handelt, trägt hierfür der Eigentümer bzw. der Vermieter die Kosten. Ebenfalls für Gebäude mit zentraler Wärmeversorgung soll der Austausch ineffizienter, ungesteuerter Heizungspumpen verbindlich werden – auch das ist eine Investition, die sich rechnet. Denn ungesteuerte Heizungspumpen, wie Heizkreispumpen oder Zirkulationspumpen, sind große Energiefresser. Der Austausch von Heizungspumpen refinanziert sich innerhalb der Nutzungsdauer, teilweise mehrfach.
Schließlich soll es künftig untersagt werden, dass Hausbesitzer private Pools mit Gas beheizen. Neben hohem Energiebedarf für die Heizung können durch den Wegfall der Beheizung auch Einsparungen bei der Umwälzung und Filteranlagen erreicht werden.
Minister Habeck erklärte: „Die Maßnahmen sind notwendig, angemessen und zielgenau. Wir werden sie in enger Abstimmung mit den fachlich zuständigen Ressortkolleginnen und Kollegen ausbuchstabieren. Erste Gespräche haben bereits begonnen, und ich danke den Kolleginnen und Kollegen ausdrücklich“, sagte Bundesminister Habeck.
Die Bundesministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauen, Klara Geywitz, erklärte: „In der Optimierung der Technik steckt wie so oft großes Potential. Ich habe von Anfang an gesagt: Zuerst müssen die Heizungssysteme optimiert werden. Wir müssen alles aus den technischen Reserven der Gebäude holen. Das war mir in der Abstimmung mit dem BMWK bei diesen Maßnahmen besonders wichtig. Als BMWSB werden wir ab Ende Juli mit einem großen Sanierungsförderprogramm unter anderem Schwimmbäder und Jugendeinrichtungen auf den neuesten Klimastand bringen.“
Habeck kündigt Gespräche mit Bündnis für Energieeinsparung an
Minister Habeck wird erneut das im Juni geschmiedete Bündnis für Energieeinsparung, bestehend aus Verbänden aus Zivilgesellschaft, Verbraucherschutz, Wirtschaft und Städten und Kommunen einladen, um über zusätzliche Effizienzmaßnahmen zu sprechen.
„Wir konnten in den letzten Wochen schon sehen, wie viele Ideen es in Städten und Gemeinden, Wirtschaft und Gesellschaft gibt, um Energie einzusparen. Alle haben den Ernst der Lage erkannt. Kommunen reduzieren die Temperatur in Freibädern und Hallenbäder, öffentliche Gebäude sollen weniger beheizt werden, die Heizungen auszutauschen, steht auf dem Zettel. Es passiert schon sehr viel, und jetzt geht es darum, die Ideen zu bündeln, weiter in die Fläche zu tragen, neue zu schmieden. Es ist eine Phase, in der alle Bereiche etwas beitragen können. Wir als Politik, indem wir die nötigen strukturellen Maßnahmen konsequent umsetzen, die Wirtschaft, die Länder und die Kommunen und die Gesellschaft. Die Summe aller Beiträge wird helfen, damit wir durch diesen Winter kommen und auf den nächsten vorbereitet sind. Es wird eine anspruchsvolle, steinige Strecke, aber wir können sie bewältigen“, sagte Habeck.
Energie einzusparen sei auch eine wichtige Antwort auf die hohen Preise, machte der Minister deutlich. „Der Kostendruck ist enorm, gerade für Menschen, die eher niedrige Einkommen haben. Wir haben schon zwei Entlastungspakete auf den Weg gebracht, die wirken. Dennoch müssen wir zusätzlich entlasten, und zwar erst recht, wenn die Preise noch weiter steigen. Dazu ist die Bundesregierung im Gespräch.“
Das Vorgehen der Bundesregierung zu mehr Energieeinsparung reiht sich ein in das Bestreben der EU-Kommission, den Energieverbrauch in allen EU-Staaten zu reduzieren. Die Mitgliedstaaten sollen demnach ihre Gasnachfrage freiwillig um 15 % senken. Die Europäische Kommission erhält aber die Möglichkeit, einen „Union Alert“ auszurufen, der diese Nachfragereduktion verpflichtend machen würde. „Die Energieversorgung funktioniert nur europäisch. Es ist daher folgerichtig, dass alle EU-Mitgliedstaaten ihren Verbrauch senken und gleichzeitig bereit sind, einander unter die Arme zu greifen“, sagte Habeck. Die EU benennt eine Reihe von möglichen Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen können, um ihre Gasnachfrage zu senken. Dazu zählen Maßnahmen zum Brennstoffwechsel ebenso wie die Entwicklung von Auktionsverfahren in der Industrie oder Informationskampagnen zum Gas- und Energiesparen für Verbraucherinnen und Verbraucher.
Das Energiesicherungspaket finden Sie hier (PDF, 347 KB).