Umspannwerk

© BMWi/Holger Vonderlind

Das Bundeskabinett hat heute den vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vorgelegten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung (NELEV) beschlossen. Ziel ist, den Netzanschluss von Erneuerbaren Anlagen zu beschleunigen und Hürden abzubauen. Konkret soll der Anschluss an den jeweiligen Netzverknüpfungspunkten der Verteilnetzbetreiber so schnell wie möglich vorgenommen werden, in dem Zertifizierungsverfahren massentauglicher organisiert werden und eine stärkere Digitalisierung erfolgt. Dies gilt insbesondere für Erneuerbare- Anlagen im Segment bis 500 Kilowatt, wo der größte Zubau zu erwarten ist. Diese Anlagen stehen deshalb im Fokus der Neuregelungen. Von den Änderungen werden speziell Photovoltaik-Dachanlagen sowohl auf gewerblichen als auch auf privat genutzten Immobilien profitieren.

Die Verordnung ist Teil eines umfangreichen Gesamtpakets zur Weiterentwicklung und Modernisierung des Nachweisverfahrens (Zertifizierungsverfahrens) für die technischen Mindestanforderungen von Stromerzeugungs- und Speicheranlagen. Es wurde gemeinsam vom BMWK und der Bundesnetzagentur unter enger Beteiligung der Branche erarbeitet, um eine praxistaugliche Lösung zu sichern. Das Regelungspaket besteht aus der Novellierung der NELEV, der Schaffung einer die NELEV ergänzenden neuen Energieanlagen-Anforderungen-Verordnung (EAAV) sowie Änderungen des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) im Rahmen der EnWG-Novelle 2023 und des Solarpakets.

Mit dem Regelungspaket soll das bisherige Zertifizierungsverfahren der technischen Anforderungen von Stromerzeugungsanlagen und -speichern massentauglich und im Sinne der Beschleunigung von Netzanschlüssen weiter entwickelt werden. Hierfür sind deutliche Vereinfachungen vorgesehen. Gleichzeitig wird durch die Berücksichtigung von Systemsicherheitsaspekten das hohe bisherige Sicherheitsniveau der elektrischen Energieversorgung auch zukünftig gewährleistet bleiben. Durch die Einführung eines über das Internet zugänglichen, verpflichtenden Registers für Einheiten- und Komponentenzertifikate werden zudem Grundlagen für digitale Prozesse im Netzanschlussverfahren geschaffen.

Darüber hinaus hat das Bundeskabinett heute weitere Beschlüsse im Bereich des Energierechts und Energiewirtschaftsrechts getroffen.

So wurde der Gesetzentwurf zur Verlängerung des sogenannten „Gasspeichergesetzes“ (§§ 35a ff. EnWG) im Gesetz beschlossen. Diese Regelungen sollen um zwei Jahre bis 31. März 2027 verlängert werden. Damit sollen die wichtigen Füllstandsvorgaben für Gasspeicher fortgelten (1. September: 75 Prozent; 1. Oktober: 85 Prozent; 1. November: 95 Prozent;
1. Februar: 40 Prozent). Derzeit liegt der Füllstand der deutschen Speicher im Schnitt bei rund 94 Prozent. Das Zwischenziel für September von 75% wurde also bereits deutlich übertroffen.

Daneben wurde auch eine Verlängerung der Möglichkeit der temporären Höherauslastung des Höchstspannungsnetzes (§ 49b EnWG) vom Bundeskabinett verabschiedet. Neben dem beschleunigten Stromnetzausbau kommt kurzfristig auch der Optimierung der bestehenden Stromnetze eine wichtige Bedeutung zu. Seit Beginn der Legislaturperiode wurde bereits erreicht, dass innovative Leiterseile deutlich schneller und unbürokratischer in bestehenden Trassen aufgelegt werden können. Zusätzlich zu diesen Maßnahmen hat das Kabinett nun die Möglichkeit geschaffen, dass die bisher nur für den Zeitraum bis Ende März 2024 vorgesehene temporäre Höherauslastung des Höchstspannungsnetzes um drei Jahre bis Ende März 2027 verlängert wird. Damit reagiert die Bundesregierung auf die seit dem 1. Januar 2023 gewonnenen positiven praktischen Erfahrungen mit der temporären Höherauslastung.

Nähere Informationen zur Beschleunigung von Netzanschlüssen von Erneuerbaren-Anlagen (Verordnung zur Änderung der Elektrotechnische-Eigenschaften-Nachweis-Verordnung (NELEV)

1. Ausweitung der bisherigen Ausnahme von der Zertifizierungspflicht

Ein zentraler Punkt ist die erhebliche Ausweitung der bisher in der NELEV vorgesehenen Ausnahme von der Zertifizierungspflicht. Diese galt bislang nur für Anlagen mit Anschluss an ein öffentliches Niederspannungsnetz. Sie soll zukünftig unabhängig von der Spannungsebene für alle Anlagen gelten, die eine maximale installierte Gesamtleistung von bis zu 500 Kilowatt und eine maximale Einspeiseleistung von 270 Kilowatt aufweisen. Dadurch bedarf es keiner Anlagenzertifikate mehr für diese Anlagen. Ausreichend ist vielmehr ein vereinfachter Nachweis, der im Wesentlichen über Einheiten- und Komponentenzertifikate der Hersteller erbracht werden kann.

Um die Anwendung dieser Ausnahmeerweiterung möglichst schnell zu ermöglichen, aber gleichzeitig die Systemsicherheit des Stromnetzes zu wahren, wird zeitnah eine Überarbeitung der Technischen Anschlussregeln (TAR) durch das Forum Netztechnik/Netzbetrieb im VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE-FNN) erfolgen. In der Übergangsphase bis zum Abschluss der Anpassung der TAR werden einige wenige zusätzliche materielle technische Anforderungen in vereinfachter Form in einer separaten Verordnung – der EAAV – geregelt, die voraussichtlich im November vom Bundeskabinett beschlossen werden soll.

2. Schaffung eines Registers für Einheiten- und Komponentenzertifikate

Die zweite zentrale Säule des Regelungspakets ist die Schaffung eines verpflichtenden digitalen Registers für Einheiten- und Komponentenzertifikate sämtlicher Spannungsebenen. Die Einrichtung eines solchen Registers ist von der Energiebranche schon länger gefordert worden. Das Register in Form einer über das Internet zugänglichen Datenbank dient als Grundlage für die Digitalisierung und Marktüberwachung. Dadurch wird der Netzanschlussprozess für die Anlagenbetreiber und Netzbetreiber vereinfacht sowie mehr Verbindlichkeit bei der Einhaltung der technischen Anforderungen erreicht.

Das Register funktioniert so, dass Hersteller von zertifizierungspflichtigen Einheiten oder Komponenten die Zertifikate nach Erstellung an das Register übermitteln müssen. Der Betreiber des Registers wird in dem Register den aktuellen Status eines jeden Zertifikates, speziell dessen Gültigkeit, anführen. Der Netzbetreiber kann sich dann im Rahmen des Netzanschlussprozesses auf den in dem Register angegebenen Status verlassen und muss auch keine eigenständige Prüfung der Zertifikate mehr vornehmen. Zukünftig müssen die Anlagenbetreiber dem Verteilnetzbetreiber nur noch die Zertifikatnummer des in ihrer Anlage verbauten Wechselrichters nennen. Der Netzbetreiber kann automatisiert alle notwendigen Daten aus dem neuen zentralen und digitalen Register für Einheiten- und Komponentenzertifikate beziehen. Für den Anlagenbetreiber entfällt damit ein erheblicher bürokratischer Aufwand.

Dies bedeutet einen Paradigmenwechsel, denn bisher werden die erforderlichen Nachweise zwischen Anlagenbetreibern, Zertifizierungsstellen und Netzbetreibern mühsam in Papierform oder in Gestalt von E-Mail-Anhängen ausgetauscht sowie anschließend in parallelen, nicht miteinander interagierenden Datenbanken der Netzbetreiber erfasst, ohne dass eine verbindliche zentrale Erfassung erfolgen würde. Im Vergleich zum Status quo ist das neue Verfahren deshalb nicht nur schneller, sondern insbesondere leichter verständlich, digitaler und dadurch massentauglicher. Die wesentlichen Regelungen zu dem neuen Register werden im Rahmen des Solarpakets in das EnWG eingefügt. Sie werden durch Regelungen in der NELEV konkretisiert.