1. Auf einen Blick
Europas Mittelstand den Rücken stärken - neue Impulse für die europäische KMU – Politik
Auf deutsche Initiative hin hat das EU KMU-Botschafter-Netzwerk („SME Envoys Network“) ein umfassendes Aktionsprogramm für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Europa erarbeitet. Das „European SME-Action Programme“ enthält über 100 Handlungsempfehlungen und 50 „good practice“-Beispiele zu zentralen Herausforderungen für den europäischen Mittelstand. Dabei werden auch neue dynamische Themenfelder wie die Sharing Economy oder innovative Finanzierungsformen adressiert.
Ein starkes Netzwerk für einen starken europäischen Mittelstand
Das europäische KMU-Botschafter-Netzwerk („SME Envoys Network“) ist Sprachrohr und Fürsprecher der rund 23 Millionen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Europa. Seit 2011 setzen sich hochrangige KMU-Botschafter der jeweiligen Mitgliedstaaten sowie Vertreter europäischer Mittelstandsverbände für die Interessen der KMU in der EU und ihren Mitgliedstaaten ein. Dazu gehört insbesondere die effektive Durchsetzung des Prinzips „Vorfahrt für KMU“, etwa mit Blick auf den Abbau und die Vermeidung unnötiger Bürokratie. Als direkte Ansprechpartner für die kleinen und mittleren Unternehmen und deren Interessenvertretungen setzen sich die „SME Envoys“ gegenüber der EU-Kommission beispielsweise für einfachere EU-Förderinstrumente, einen besseren Zugang zu Finanzierungen und die Stärkung des Unternehmertums in Europa ein. Hierüber berichten sie regelmäßig im Wettbewerbsfähigkeitsrat der EU. Zudem sind sie hartnäckige Impulsgeber für die Weiterentwicklung der europäischen KMU-Politik und pflegen einen regelmäßigen und fruchtbaren Austausch zu nationalen „good practices“.
Prioritäten für eine moderne europäische Mittelstandspolitik
Vor diesem Hintergrund traf im Frühjahr 2016 die deutsche Initiative, ein „European SME-Action Programme“ zu erarbeiten, auf breite Unterstützung des „SME Envoys Network“. Die KMU-Vertreter waren sich einig: Neue Herausforderungen wie die Digitalisierung und der wachsende Fachkräftebedarf erfordern neue Impulse für die europäische KMU-Politik. Dies gilt umso mehr, da der „Small Business Act“, der seit dem Jahr 2008 die Grundlage für die europäische KMU-Politik bildet, seit dem Jahr 2011 nicht mehr angepasst wurde. Die Experten der verschiedenen Mitgliedstaaten und Verbände identifizierten für das KMU-Aktionsprogramm sechs zentrale Herausforderungen und Handlungsbedarfe für den europäischen Mittelstand:
- Bessere Rechtsetzung
- Zugang zu Märkten
- Zugang zu Finanzierungen
- Unternehmertum
- Fachkräftesicherung
- Digitalisierung
Zu jedem Handlungsfeld enthält das Aktionsprogramm eine ausführliche Situationsanalyse. Dabei werden auch neue durch die Digitalisierung beförderte Entwicklungen wie die Sharing Economy oder alternative Finanzierungsformen wie das Crowdfunding adressiert. Das Thema Fachkräftesicherung, das sich EU-weit zwischen den Antipoden „demographiebedingter Mangel“ und „Jugendarbeitslosigkeit“ bewegt, greift neben der dualen Berufsausbildung auch die Vermittlung von Kompetenzen für die digitale Wirtschaft und die Herausforderung der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt auf.
Auf Basis der Situationsanalysen werden insgesamt mehr als 100 Handlungsempfehlungen für die EU und die Mitgliedstaaten festgehalten. Diese reichen von der Förderung des Aufbaus der Internetbreitbandstruktur bis zur unternehmerischen Ausbildung von Lehrkräften. Darüber hinaus umfasst das „European SME-Action Programme“ insgesamt rund 50 „good practice“-Beispiele aus verschiedenen Ländern. Aus Deutschland werden in dieser Kategorie unter anderem das Programm „Berufsbildung ohne Grenzen“, das „Zentrale Innovationsprogramm für den Mittelstand“ (ZIM), der „Coparion Investmentfonds“ und die „Plattform Industrie 4.0“ vorgestellt.
Das Aktionsprogramm des „SME Envoys Network“ ergänzt bewusst die von der EU-Kommission im November 2016 vorgestellte „Start-up und Scale-up Initiative“. Die Förderung von „Scale-ups“, mit dem Ziel der Erschließung von Wachstumspotenzialen für Unternehmen, wird in einem eigenen Kapitel des KMU-Aktionsprogramms thematisiert.
Zeit zu handeln
Dem informellen Charakter des Botschafter-Netzwerks entsprach die engagierte, kollegiale Arbeitsweise der mehr als 20 Editoren, die das „European SME-Action Programme“ gemeinsam und ergebnisorientiert innerhalb eines guten Jahres erarbeitet haben. Auch wenn die mehr als 100 Handlungsempfehlungen keinen rechtlich bindenden Charakter haben, sollen sie als konstruktive Vorschläge zur Weiterentwicklung der europäischen Mittelstandspolitik dienen. Ziel der SME-Envoys ist es, diese in den politischen Raum zu tragen, sie umzusetzen und weiterzuentwickeln. Den Anfang dazu haben die öffentliche Vorstellung des Programms durch die „SME Envoys“ am 6. Juli in Lissabon und die offizielle Übergabe an die für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU zuständige Kommissarin Elżbieta Bieńkowska am 19. Juli in Brüssel gemacht. Erfreulicherweise kündigten bereits erste Mitgliedstaaten an, das Programm in ihren Mittelstandspolitiken berücksichtigen zu wollen. Auf europäischer Ebene ist eine Vorstellung des Programms im Wettbewerbsfähigkeitsrat und der entsprechenden High Level Group geplant. Und natürlich wird auch das „SME Envoys Network“ in seinen regelmäßigen Zusammenkünften die Themen weiter vertiefen und ihre Umsetzung im Sinne des europäischen Mittelstands forcieren. Mittelständische Unternehmen und ihre Interessenvertretungen können diese Arbeit unterstützen, indem sie ihre Belange aktiv an die KMU-Botschafter herantragen. Die Mittelstandsabteilung des Bundeswirtschaftsministeriums steht dafür gerne bereit.
Das „European SME-Action Programme“ ist im Internet zum Download verfügbar: www.bmwi.de/european-sme-action-programme.
Kontakt: Christiane von Trotha
Referat: Grundsatzfragen der nationalen und europäischen Mittelstandspolitik
„Friends of Industry“ fordern „Action now!“ in Form einer klaren EU-Industrie-Strategie
Am 30. Juni 2017 trafen sich auf Einladung von Bundeswirtschaftsministerin Zypries Vertreter aus 19 europäischen Staaten sowie EU Industriekommissarin Elzbieta Bieńkowska zur fünften Ministerkonferenz der „Friends of Industry“ in Berlin.
Die „Friends of Industry“ (FoI) sind eine Gruppe europäischer Industrieminister, die sich seit fünf Jahren in informeller Runde zu industriepolitischen Konferenzen zusammenfindet. Sie wollen konkrete industriepolitische Fragen besprechen und darüber beraten, wie eine zukunftsgerichtete Industriepolitik in der EU aussehen sollte. In einer gemeinsamen Abschlusserklärung werden Forderungen an die europäische Politik formuliert. Die bisherigen Treffen fanden in Paris, Rom, Madrid und Warschau statt.
„Berliner Erklärung“ zur Industriepolitik
Das Ergebnis der Konferenz ist eine Botschaft an Brüssel: Insgesamt 20 europäische Staaten haben die „Berliner Erklärung“ zur Industriepolitik unterschrieben (ein Staat war in Berlin nicht anwesend, hat aber die Erklärung mit unterzeichnet). Darin erneuern die Industrieminister ihre Forderung an die Europäische Kommission nach einer neuen industriepolitischen Strategie.
Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhalten, fordern die „Friends of Industry“, jetzt aktiv zu werden („Action now“). Die Europäische Kommission ist angehalten, durch konkrete Maßnahmen die Zukunft einer international wettbewerbsfähigen europäischen Industrie zu gestalten. Diese Maßnahmen sollen Teil der zu erarbeitenden industriepolitischen Strategie der EU sein. Die „Berliner Erklärung“ setzt ihre Schwerpunkte in den Bereichen Digitalisierung, Investitionen, Nachhaltigkeit und Handelspolitik. Exemplarisch für den Tatendrang sind die geforderte Ausrichtung des Bildungsbereichs auf die Anforderungen der Industrie zur Bewältigung der digitalen Transformation sowie die Anpassung handelspolitischer Instrumente zur Bewahrung des freien und fairen Welthandels.
Außerdem wurde in Anlehnung an das EU-Ziel eines Anteils der industriellen Bruttowertschöpfung von 20 Prozent an der gesamten Bruttowertschöpfung bis 2020 die Debatte um einen neuen Zielwert für 2030 angeregt. Damit soll der bisherige Dreiklang aus umwelt-, klima- und energiepolitischen Zielen um ein industriepolitisches Ziel ergänzt werden.
Die „Friends of Industry“ sind sich einig, dass die industrielle Basis der EU erhalten und gestärkt werden muss. In den Mitgliedstaaten wird daher nach Wegen gesucht, die industriepolitischen Trends der Zukunft zu erfassen und so wichtige Rahmenbedingungen für den Erhalt und Ausbau der Erwerbsbasis der nächsten Jahre und Jahrzehnte zu schaffen. Ziel der „Friends of Industry“ ist, die gemeinsam erkannten industriepolitischen Zukunftsfelder durch gemeinsame Aktionen hervorzuheben.
Der Dialog als Prozessbaustein moderner Industriepolitik
Die Besonderheit dieser Konferenz war die zusätzliche Einladung von Vertreterinnen und Vertretern des deutschen „Bündnis zur Zukunft der Industrie“. So bot die Konferenz durch verschiedene Impulsvorträge die Gelegenheit, den anderen „Friends of Industry“ den Dialog mit den Stakeholdern als Teil des Prozesses einer modernen Industriepolitik vorzustellen. Dieser Austausch wurde als wichtiges Instrument politischen Handelns auch in der „Berliner Erklärung“ als eine der Bedingungen für erfolgreiche Industriepolitik festgeschrieben.
Die europäische Industriepolitik wurde mit Beginn der Amtszeit der Europäischen Kommission im Jahr 2014 organisatorisch neu aufgestellt. Die zuvor eigenständige Generaldirektion „Unternehmen und Industrie“ (DG ENTR) wurde in die Generaldirektion „Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und Kleine und mittlere Unternehmen“ (DG GROW) integriert. Auf Seiten der Mitgliedstaaten wird seitdem ein Bedeutungsverlust der Industriepolitik in der Arbeit der EU festgestellt.
Es wird nun mit Spannung erwartet, wie sich Kommissionspräsident Juncker auf der für September 2017 erwarteten Rede zur Lage der Union hinsichtlich der geforderten Industriestrategie äußern wird. Der Rat für Wettbewerbsfähigkeit hatte im Mai 2017 die Europäische Kommission um Vorlage einer Industriestrategie im Frühjahr 2018 gebeten. Die „Friends of Industry“ werden diesen Prozess aktiv begleiten.
Kontakt: Farina Boardwell
Referat: Grundsatzfragen der Industriepolitik
Wirtschaftspolitische Termine des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie
August 2017 | |
04.08. | Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Juni) |
07.08. | Produktion im Produzierenden Gewerbe (Juni) |
15.08. | Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage |
September 2017 | |
06.09. | Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (Juli) |
07.09. | Produktion im Produzierenden Gewerbe (Juli) |
12.09. | Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage |
15./16.09. | Eurogruppe/ informeller ECOFIN |
20./21.09. | Informeller Rat der Energieminister/ Transport (TTE) |
Oktober 2017 | |
06.10. | Auftragseingang im Verarbeitenden Gewerbe (August) |
09.10. | Produktion im Produzierenden Gewerbe (August) |
09./10.10. | Eurogruppe/ECOFIN |
13.10. | Pressemeldung des BMWi zur wirtschaftlichen Lage |
17.10. | Wettbewerbsfähigkeitsrat zu Binnenmarkt und Industrie |
19./20.10. | Europäischer Rat |
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Grafik des Monats
Wissensbasiertes Kapital …
… gewinnt im Zuge der Digitalisierung zunehmend an Bedeutung. Bereits heute investieren deutsche Unternehmen mit etwa zehn Prozent ihrer Wertschöpfung im Durchschnitt fast so viel in wissensbasiertes wie in physisches Kapital. Investitionen in wissensbasiertes Kapital sind immaterielle Investitionen beispielsweise in Forschung und Entwicklung, innovative Designs, betriebliche Aus- und Weiterbildung, Organisationskapital wie Geschäftsprozesse und Managementpraktiken, Patente und Lizenzen sowie Software und Datenbanken.
Eine aktuelle Forschungsstudie unterstreicht die hohe Bedeutung von wissensbasiertem Kapital. Es ist entscheidend für die Produktivität von Unternehmen. Es zeigt sich aber auch: Investitionen in wissensbasiertes Kapital sind stark konzentriert auf wenige Branchen und Unternehmen in Deutschland. Im Verarbeitenden Gewerbe investieren deutlich mehr Unternehmen in wissensbasiertes Kapital als im Dienstleistungsbereich. Aber auch im Verarbeitenden Gewerbe investiert innerhalb eines Jahres nur jedes dritte Unternehmen in Forschung und Entwicklung oder Software. In Patente und Lizenzen investiert nur jedes zehnte Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, in Organisationskapital etwa die Hälfte. Die Studie können Sie hier abrufen.