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Impulse für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit setzen
Einleitung
Jahreswirtschaftsbericht 2020: Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität stärken – in Deutschland und Europa
Das Bundeskabinett hat am 29. Januar den Jahreswirtschaftsbericht 2020 beschlossen. Im Jahr 2020 nimmt die Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr wieder etwas an Fahrt auf. Die Bundesregierung unterstützt den Strukturwandel und richtet ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik wachstumsorientiert aus.
Die Wirtschaft ist im Jahr 2019 im zehnten Jahr in Folge und etwas stärker als erwartet gewachsen. Eine Rezession konnte vermieden werden. Deutschland blickt somit auf ein volles Jahrzehnt kontinuierlichen Wirtschaftswachstums zurück. Die Entwicklung am Arbeitsmarkt ist weiterhin positiv, aus der Binnenwirtschaft kommen Impulse. Löhne und verfügbare Einkommen sind in den letzten Jahren spürbar gestiegen.
Für das Jahr 2020 erwartet die Bundesregierung eine Zunahme des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 1,1 %. Die Wirtschaft nimmt im Vergleich zum Vorjahr wieder etwas an Fahrt auf; nach einer vorübergehenden Schwächephase sind erste Silberstreifen am Horizont erkennbar. Die Arbeitslosenquote bleibt im Jahr 2020 voraussichtlich stabil bei 5,0 %, die Zahl der Beschäftigten steigt weiter auf 45,4 Millionen. In der Folge nehmen auch die privaten Einkommen weiter spürbar zu. Hinzu kommen steigende Löhne sowie staatliche Entlastungen im Bereich der Sozialversicherungen und der Einkommensteuer. Dies stützt die Binnenwirtschaft, die derzeit stärkste Auftriebskraft der Konjunktur. Risiken bestehen nach wie vor im außenwirtschaftlichen Umfeld.
Transformation begleiten, Spielräume schaffen
Deutschland und Europa stehen vor großen Herausforderungen: Die digitale Transformation verändert die Wirtschafts- und Arbeitswelt grundlegend. Der demografische Wandel verstärkt den Handlungsbedarf bei der Gewinnung von Fachkräften und bei den sozialen Sicherungssystemen. Der Schutz des Klimas erfordert Innovationen und Investitionen, bietet aber auch neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Zugleich ist das weltwirtschaftliche Umfeld fragil. Angesichts dieser Herausforderungen muss die Wirtschaftspolitik darauf gerichtet sein, neue Wachstumsmöglichkeiten zu eröffnen und Spielräume für Unternehmertum, Gründergeist und individuelle Freiheiten zu schaffen.
Entlastungsmöglichkeiten nutzen
Die steuerlichen Entlastungsmaßnahmen der Jahre 2019 bis 2021 werden in voller Jahreswirkung ein Volumen von deutlich über 25 Milliarden Euro erreichen. Mit dem Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags 1995 werden in einem ersten Schritt ab dem Jahr 2021 insbesondere untere und mittlere Einkommen entlastet. In einem späteren zweiten Schritt soll der Solidaritätszuschlag in den Folgejahren vollständig abgeschafft werden. Mit dem dritten Bürokratieentlastungsgesetz (BEG III), das überwiegend zum 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, werden die Unternehmen um mehr als 1,1 Milliarden Euro im Jahr entlastet.
Die Bundesregierung prüft das Unternehmenssteuerrecht laufend auf Anpassungsbedarf an veränderte Rahmenbedingungen, insbesondere mit Blick auf kleinere und mittlere Unternehmen.
Auf solider Haushaltsgrundlage verstärkt öffentlich investieren
Der Bund hat seit 2014 hat keine neuen Schulden aufgenommen, und auch für dieses Jahr sieht die Finanzplanung keine neuen Schulden vor. Erstmals seit 2002 wird der Maastricht-Referenzwert von 60 % nicht überschritten (vgl. Abbildung 1).
Gleichzeitig steigen die Investitionen des Bundes 2020 auf ein Rekordniveau von 42,9 Milliarden Euro – nachdem es im Jahr 2013 noch rund 25 Milliarden Euro waren. Sie machen derzeit rund 12 % des Bundeshaushalts aus (vgl. Abbildung 2).
Insgesamt gibt der Bund im Zeitraum von 2020 bis 2023 für Investitionen 162,4 Milliarden Euro aus. Dies entspricht einem Zuwachs von rund einem Drittel gegenüber der vorherigen Legislaturperiode. Der ausgeglichene Bundeshaushalt in Verbindung mit hohen Reserven und einem niedrigen Schuldenstand bietet weiterhin Spielräume, die genutzt werden sollten, um die Wirtschaft zu entlasten und neues Wachstum zu schaffen.
Digitalen Wandel gestalten
Eine leistungsstarke digitale Infrastruktur ist von zentraler Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Deshalb unterstützt die Bundes-regierung den Ausbau mit hochleistungsfähigen Breitbandnetzen und beabsichtigt, die Mobilfunkversorgung insbesondere in der Fläche möglichst schnell zu verbessern.
Neue Technologien und digitale Unternehmensmodelle verändern das Zusammenspiel auf den Märkten. Deshalb muss auch die Wettbewerbspolitik auf den digitalen Wandel reagieren. Mit der 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verbessert die Bundesregierung die Möglichkeiten, dem Missbrauch von Marktmacht im Bereich der Digitalwirtschaft und Plattformökonomie entgegenzuwirken und damit gleichzeitig den Marktzugang für kleine und mittlere Unternehmen zu verbessern. Auf europäischer Ebene setzt sie sich für eine Modernisierung des Wettbewerbsrechts und eine Überprüfung des Beihilferechts ein.
Im digitalen Zeitalter sind Daten eine Schlüsselressource. Die Datenstrategie der Bundesregierung hat zum Ziel, dass Daten in Deutschland vermehrt bereitgestellt und verantwortungsvoller genutzt werden. Das Projekt GAIA-X soll den Grundstein für eine vernetzte und souveräne europäische Dateninfrastruktur legen. Reallabore schaffen zudem Testräume zur Erprobung neuer Geschäftsmodelle.
Um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher und europäischer Unternehmen angesichts des tiefgreifenden technologischen Wandels zu stärken, sind auch industriepolitische Impulse erforderlich. In zentralen Zukunftsbereichen hat die Bundesregierung bereits wichtige Impulse für Innovationen gesetzt, etwa mit der KI-Strategie oder der Blockchain-Strategie. Gemeinsam mit anderen europäischen Partnern setzt sich die Bundesregierung für eine langfristig ausgerichtete EU-Industriestrategie ein. Schlüsseltechnologien sollen verstärkt gefördert werden, etwa als wichtige Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (Important Projects of Common European Interest, IPCEI). Für die Förderung des IPCEI „Batteriezellinnovation“ stellt die Bundesregierung weit mehr als 1 Milliarde Euro bereit.
Gründungsförderung ausbauen
Unternehmensgründungen sollen künftig einfacher und unbürokratischer möglich sein. Um junge Unternehmen in der Wachstumsphase zu stärken, hat die Bundesregierung mit dem Tech Growth Fund ein Instrument aufgesetzt, mit dem innovativen Unternehmen Venture Debt-Finanzierungen als Ergänzung zur Eigenkapitalfinanzierung zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus arbeitet die Bundesregierung aktuell daran, dass sich die KfW Capital stärker im Bereich der Wachstumsfinanzierung engagieren kann. Zudem prüft sie ein Fondsmodell, um institutionelle Anleger beihilfefrei und marktgerecht an den deutschen Wagniskapitalmarkt heranzuführen, und eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Wagniskapitalfonds.
Forschung und Entwicklung unterstützen
Forschung und Entwicklung sind eine elementare Voraussetzung, um Innovationen zu generieren. Bis 2025 sollen die Ausgaben von Bund, Ländern und Wirtschaft in Forschung und Entwicklung im Einklang mit der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie von derzeit etwa 3,1 % auf jährlich 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts steigen. Die neu eingeführte steuerliche Forschungsförderung, die sich insbesondere an kleine und mittelgroße Unternehmen richtet, ergänzt die bestehende direkte Projektförderung.
Regionen als Wirtschaftsstandorte stärken
Auf Länder und Kommunen entfielen im Jahr 2018 rund zwei Drittel der gesamtwirtschaftlichen Investitionen; allein 34 % der öffentlichen Investitionen wurden auf kommunaler Ebene getätigt. Der Bund stellt Ländern und Kommunen umfangreiche Finanzhilfen zur Verfügung (vgl. Tabelle 2), u. a. insgesamt 7 Milliarden Euro für Investitionen finanzschwacher Kommunen, und entlastet sie auch weiterhin bei den Sozialausgaben.
Die regionale Strukturförderung setzt Impulse für ein nachhaltiges Wachstum und trägt zu gleichwertigen Lebensverhältnissen bei. Um regionale Potenziale besser auszuschöpfen, hat die Bundesregierung ihre regionenbezogene Förderung neu aufgestellt und ein gesamtdeutsches Fördersystem geschaffen. Mit dem Strukturstärkungsgesetz öffnet die Bundesregierung langfristige Perspektiven für die vom Strukturwandel betroffenen Kohleregionen. Insgesamt sollenbis spätestens 2038 Finanzmittel von bis zu 40 Milliarden Euro für die Kohleregionen zur Verfügung gestellt werden (vgl. Abbildung 3). Darüber hinaus leisten die Strukturfonds der EU einen wichtigen Beitrag für die Förderung wirtschaftlich und finanziell schwacher Regionen.
Fachkräfteangebot verbessern
Die Fachkräftegewinnung bleibt auch angesichts des demographischen Wandels eine Herausforderung (vgl. Abbildung 4).
Das Gute-Kita-Gesetz, der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und das Teilhabechancengesetz fördern eine höhere inländische Erwerbsbeteiligung. Mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird der rechtliche Rahmen verbessert, um Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen. Um heimische Fachkräfte für den Strukturwandel fit zu machen, setzt die Bundesregierung Impulse u. a. mit dem Qualifizierungschancengesetz.
Soziale Sicherung zukunftsfest aufstellen und Arbeitswelt modernisieren
Eine dynamische Soziale Marktwirtschaft erfordert leistungsfähige und nachhaltige Sozialversicherungen, die zugleich Spielräume für unternehmerische Entfaltung gewährleisten. Die Bundesregierung will die Sozialversicherungsabgaben daher bei unter 40 % stabilisieren. Bereits in der Mitte des vor uns liegenden Jahrzehnts wird vom fortschreitenden demografischen Wandel weiterer Druck auf die Beitragssätze ausgehen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund unter anderem die Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ einberufen. Das Arbeitsrecht entwickelt die Bundesregierung insbesondere mit Blick auf den technologischen Wandel kontinuierlich weiter. Über eine Tariföffnungsklausel im Arbeitszeitgesetz sollen Experimentierräume für tarifgebundene Unternehmen geschaffen werden, um eine Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität in der zunehmend digitalen Arbeitswelt zu erproben.
Klimaschutzprogramm und Kohleausstieg umsetzen
Mit dem Klimaschutzprogramm 2030 hat die Bundesregierung einen Meilenstein zur Reduktion von Treibhausgasen gesetzt. Der nationale Emissionshandel für Brennstoffemissionen in den Sektoren Wärme und Verkehr, umgesetzt durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz, legt die Grundlage für effizienten und sozialverträglichen Klimaschutz auch in diesen Sektoren. Die Einnahmen aus diesem Emissionshandel werden in Klimaschutzfördermaßnahmen reinvestiert oder in Form von Entlastungen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben. Mit dem Klimaschutzgesetz wurden Klimaziele gesetzlich normiert und Sektorziele festgeschrieben (vgl. Tabelle 3).
Mit dem Kohleausstiegsgesetz hat die Bundesregierung einen Vorschlag für einen gesetzlichen Fahrplan unterbreitet, mit dem der empfohlene Ausstieg aus der Kohleverstromung bis spätestens zum Jahr 2038 erfolgen soll.
Energiewende wachstumsfreundlich und sozialverträglich gestalten
Die Energiewende leistet einen wichtigen Beitrag, um nationale, europäische und internationale Klimaschutzziele zu erreichen. Das Zieldreieck aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit bleibt Richtschnur der Energiepolitik. Die Bundesregierung hat das Ziel, im Jahr 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch von 65 % zu erreichen. Ein entsprechend leistungsfähiges Stromnetz bleibt hierfür ein zentraler Baustein. Energie einzusparen und effizienter einzusetzen ist wesentlich, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Mit der Energieeffizienzstrategie 2050 hat die Bundesregierung sowohl ein Effizienzziel für das Jahr 2030 beschlossen als auch ein konkretes Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Mit dem gezielten Einsatz eines steigenden Energieforschungsbudgets setzt die Bundesregierung Anreize für innovative Technologien.
Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, den europaweiten Emissionshandel langfristig um weitere Sektoren zu erweitern. In einem ersten Schritt soll der bestehende europäische Emissionshandel für die Bereiche Energie und Industrie um einen europäischen Mindestpreis ergänzt werden, um mehr Planungssicherheit für Klimainvestitionen in diesen Sektoren zu schaffen.
Europäische Stärken und Potenziale nutzen
Die offenen Grenzen des europäischen Binnenmarktes, der Euro als gemeinsame Währung im Euroraum und die Freizügigkeit von Bürgerinnen und Bürgern innerhalb der EU fördern den wirtschaftlichen Austausch innerhalb Europas und erhöhen das Wachstumspotenzial aller Mitgliedstaaten. Um den Binnenmarkt weiterzuentwickeln, verfolgt die Bundesregierung einen umfassenden Ansatz, der Digitalisierung, Dienstleistungen, Industriepolitik und Klimaschutz verknüpft. Eine stabile Wirtschafts- und Währungsunion bildet den Kern eines starken Europas. Die Bundesregierung setzt sich daher für Reformen zur Stärkung des Euroraums ein. In diesem Jahr übernimmt Deutschland für ein halbes Jahr die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union und die Bundesregierung kann in Europa wichtige Themen voranbringen und Schwerpunkte setzen.
Der grenzüberschreitende Handel trägt weltweit zu Wachstum und Beschäftigung bei. Damit Unternehmen ebenso wie Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Europa weiterhin von Welthandel und Globalisierung profitieren können, setzt sich die Bundesregierung für eine regelbasierte, nachhaltige Handels- und Investitionspolitik und eine Stärkung und Modernisierung der WTO ein.
Kontakt
Sven Bergschmidt, Anne Feldhusen, Dr. Katja Fuder, Benedikt Langer & Dr. Kenan Šehović
Referat: Grundsatzfragen der Wirtschaftspolitik schlaglichter@bmwk.bund.de