Prognosen statt Prophetie

Massive exogene Schocks erschweren die Vorhersagen

Abstrakte Darstellung eines Potraits

Prof. Dr. Stefan Kooths leitet das Prognosezentrum im Kieler Institut für Weltwirtschaft. Er untersucht u. a. ökonomische Koordinationsprozesse als Teil gesamtwirtschaftlicher Entwicklungen.

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Professionelle Prognostiker sind keine Hellseher. Gerade Konjunkturforscher sind sich dessen in besonderem Maße bewusst. Denn: Wer der Wirtschaft kontinuierlich den Puls fühlt, hat regelmäßig ein Rendezvous mit der Wirklichkeit. Gute Prognosen ordnen die mitunter diffuse Indikatorenlage so, dass daraus ein stimmiges Gesamtbild wird. Ohne erkenntnisleitendes Theoriegerüst, langjährige Erfahrung und solides Institutionenwissen geht das nicht.

Großkrisen infolge exogener Schocks erschweren massiv das Prognosegeschäft. Typische Verlaufsmuster sind dann unterbrochen und sonst vorlaufende Indikatoren vermitteln nur noch eine Rückspiegeloptik. Umso größer ist die Bedeutung alternativer Seismografen der ökonomischen Aktivität, die in der Corona-Krise fieberhaft gesucht und auch gefunden wurden. Für ihr Frühjahrsgutachten haben die Institute der Gemeinschaftsdiagnose (GD) zudem ihre Methodik umgestellt, indem für die akute Krisenphase ein stark disaggregierter entstehungsseitiger Ansatz zum Einsatz kam. Für den BIP-Verlauf im ersten Halbjahr haben sie damit für beide Prognosequartale eine Punktlandung hingelegt. Das sagt freilich noch nichts über die Güte der Prognose aus. Denn man kann aus falschen Gründen richtig liegen und aus richtigen Gründen falsch. Und die schiere Präzision der BIP-Voraussage war natürlich Zufall – wie sich an der Risikoansprache ablesen lässt. Wichtig war vielmehr, dass das Ausmaß des Einbruchs von der Größenordnung her gut erfasst wurde und die Anatomie der Krise mit Blick auf die Teilaggregate stimmig war. Von den Anfang April grassierenden Krawallprognosen mit Nähe zur Untergangsprophetie haben sich die Institute nicht anstecken lassen. Einige haben sie dafür als weltfremde Ignoranten kritisiert, die angeblich die Krise verharmlosen wollten. Das war nicht nur unfair, sondern auch grob falsch. Die Institute wollten gar nichts, außer ihren Job machen.