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Sicherheit in Technik und Chemie zu gewährleisten, das ist der Auftrag der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feiert. Festigkeitsversuche von Eisen und Stahl standen am Anfang dieser langen Geschichte. Angeordnet hatte sie das preußische Ministerium für „Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten“ per Erlass.

Unabhängige Begleiterin des Fortschritts

Es ist das Jahr 1871, eine Schwellenzeit großer Dynamik und Umbrüche: Die Industrielle Revolution hat den europäischen Kontinent mit Wucht erfasst. Das soeben in Versailles gegründete deutsche Kaiserreich, lange Zeit ein Spätling dieser Entwicklung, schickt sich an, seinen Rückstand gegenüber Großbritannien aufzuholen. Jetzt ist die Nachfrage an Eisen und Stahl groß: für Schienen, Radreifen, Lokomotiven, für Brücken, Maschinen und Dampfkessel.
Allerdings ist noch wenig über die Eigenschaften der Werkstoffe bekannt. Besonders mit dem neuen Gussstahl gibt es immer wieder Probleme: Brückenpfeiler knicken im Sturm ein, Dampfkessel explodieren, Radachsen brechen.
Unglücksfälle dieser Art sind die Geburtsstunde der modernen Materialprüfung. Sie wird, nicht nur in Deutschland, zu einer unverzichtbaren Begleiterin des Fortschritts. In Preußen ist sie von Anfang an mit dem Ziel der Gewerbeförderung verknüpft.
So ist 1871 die allererste „Versuchsstation“ zur Prüfung von Eisen und Stahl zunächst in einem Keller angesiedelt, dann in einem Schuppen im Hof der Berliner Gewerbeakademie.
Rasch wachsen die Aufgaben und Tätigkeiten. Aus der Versuchsstation, die – in heutiger Terminologie – den Geist eines Start-ups atmet, wird die „Mechanisch-Technische Versuchsanstalt“ und 1904 das preußische „Materialprüfungsamt“. Es erhält einen repräsentativen Neubau in Berlin-Dahlem – noch heute der Hauptsitz der BAM.

Rund 1600 Mitarbeitende der BAM forschen, prüfen und beraten an vier Standorten in Berlin und Brandenburg.

Pioniergeist und Start-up-kultur

Pionier der Materialforschung

Die Prüfaufträge kommen zumeist von preußischen Ministerien und Behörden, sie zielen auf die Unterstützung von Industrie und Handel. So wird das Amt eine „Förderin und Beraterin von Industrie und Gewerbe und hat manchem Anfänger die Wege ebnen helfen“, wie ihr damaliger Leiter Adolf Martens einmal schreibt. Anfragen kommen auch direkt aus der Wirtschaft. Viele Unternehmen nutzen die Prüfergebnisse aus Berlin-Dahlem geschickt als Werbung für ihre Produkte.
Adolf Martens ist einer der Pioniere der Materialforschung in Deutschland. Er professionalisiert das Amt und vernetzt es international. Er setzt sich dafür ein, Prüfverfahren und Normen über Ländergrenzen hinweg zu vereinheitlichen und steigert so die Exportchancen deutscher Produkte. Auch greift sein Amt immer wieder vermittelnd bei Zollstreitigkeiten ein.
Dass das Siegel „Made in Germany“ – ursprünglich 1887 vom britischen Parlament eingeführt zum Schutz vor billigen und minderwertigen Nachahmerprodukten aus Deutschland – rasch zum Inbegriff für Qualität wird, ist auch wesentlich Martens‘ Verdienst.
Pionierarbeit leistet er, als 1894 auf dem Tempelhofer Feld 70 mit Wasserstoff gefüllte Gasflaschen der preußischen „Luftschiffer-Kompagnie“ explodieren und Martens im Auftrag der Regierung die Unglücksursache untersucht.
Nach dem Ersten Weltkrieg und mit Beginn der Weimarer Republik wird das „königlich-preußische“ zum „staatlichen“ Materialprüfungsamt. In den 1930ern durchleuchtet es erstmals die Schweißnähte von S-Bahn- und Autobahnbrücken mit Röntgenstrahlen auf Schwachstellen – die sogenannte „zerstörungsfreie Prüfung“ ist damals eine besonders innovative Methode.
In der Zeit des Nationalsozialismus stellt sich das Amt dann in den Dienst der Diktatur: Es übernimmt zahlreiche Prüfaufträge für Heer, Marine und Luftwaffe. Wissenschaftshistoriker*innen untersuchen derzeit in einem Geschichtsprojekt die Verstrickung in die Aufrüstung und den Zweiten Weltkrieg.
1945 wird das Materialprüfungsamt mit der ehemaligen Chemisch-Technischen Reichsanstalt, die die Alliierten aufgelöst hatten, vereinigt.

Gebündelte Wasserstoff-Expertise im Zentrum H2Safety@BAM

Pioniergeist und Start-up-kultur

Forschung an zahlreichen Zukunftsthemen

Heute, 150 Jahre nach der Gründung ihrer ersten Vorgängerinstitution, arbeitet die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung, die als Nachfolgerin des Materialprüfungsamtes seit 1954 zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums gehört, an zahlreichen Zukunftsthemen. lhr ausdrücklicher Auftrag dabei lautet, „die Entwicklung der deutschen Wirtschaft zu fördern“.
Dazu forscht, prüft und berät die BAM mit rund 1.600 Mitarbeitenden an vier Standorten in Berlin und Brandenburg. So unterstützt sie beispielsweise das Ziel der Bundesregierung, weltweit zur Nr. 1 auf dem Gebiet der modernen Wasserstofftechnologien zu werden. 2020 hat die BAM ihre exzellente Expertise auf diesem Gebiet zu einem Kompetenzzentrum H2Safety@BAM gebündelt. Es berät die Bundesregierung im Forschungsnetzwerk Wasserstoff zu Fragen der Sicherheit und hilft Fahrzeugherstellern, leichtere Tanks für Wasserstoffautos zu entwickeln und schnell in die Anwendung zu bringen.
Weitere aktuelle Schwerpunkte sind Lithiumbatterien, eine Schlüsseltechnologie der E-Mobilität und Energiewende, außerdem die Sicherheit der gigantischen Windkraftanlagen der neuesten Generation sowie Nanotechnologie und Additive Fertigung. Oft erfolgen die Forschungsprojekte in enger Kooperation mit kleineren und mittleren Unternehmen, viele von ihnen „hidden champions“ in ihrem Bereich. Die BAM ist auch an Zukunftsorten wie dem Technologiepark Adlershof oder dem Werner-von-Siemens Centre eng mit der Industrie vernetzt.
Wie nur wenige wissenschaftlich-technische Institute weltweit entwickelt die BAM Referenzmaterialien und -daten, die zur Qualitätssicherung unverzichtbar sind. Sie ist wichtige Akteurin der Qualitätsinfrastruktur, einem nationalen System zur Qualitätssicherung und zum Verbraucherschutz, das Waren und Dienstleistungen auf Übereinstimmung mit deren normierten Produktanforderungen überprüft, um so Sicherheits-, Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutz zu gewährleisten. Damit erfüllt die BAM heute das Versprechen für Qualität und Sicherheit, das „Made in Germany“ verkörpert, und passt es der digitalen Transformation an.
Zudem wirkt sie in nationalen und internationalen Gremien bei der Normung und Regelsetzung mit, um die Marktchancen deutscher Produkte zu sichern. Nicht zuletzt fördert sie selbst aktiv die Ausgründung von Start-ups, mit denen Wissenschaftler*innen der BAM Erfolgsgeschichten geschrieben haben.
So lebt die BAM heute den Gedanken, der 1871 zu ihrer Gründung führte: Sie ist eine unabhängige und unverzichtbare Begleiterin des Fortschritts, eine Förderin der deutschen Wirtschaft und der Qualitätskultur „Made in Germany“.

Kontakt

DR. ARNE HÖLL & DR. MARCUS MALOW
Referat: Messwesen, Allgemeines Akkreditierungsrecht, Fachaufsicht PTB, BAM sowie DAkkS

DR. RALF BERHORST
Referat: Kommunikation, Marketing der BAM

schlaglichter@bmwi.bund.de