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Im Fokus: Neue Räume für Innovationen
BMWK treibt einheitliche und innovationsfreundliche Regeln für Reallabore voran
Einleitung
Viel wurde getan, um den Test von digitalen Innovationen in Reallaboren zu erleichtern. Dennoch gibt es in vielen Innovationsbereichen noch keine rechtlichen Möglichkeiten für Reallabore. Und dort wo es sie gibt, ist die Rechtslage gerade für Mittelständler und Start-ups oft unübersichtlich und schwer nachvollziehbar. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat nun ein Konzept für ein Reallabore-Gesetz vorgelegt, das einheitliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für Reallabore bietet und neue Freiräume zur Erprobung von Innovationen schafft.
Warum Reallabore?
Reallabore (engl.: „regulatory sandboxes“) machen es möglich, digitale Technologien und Geschäftsmodelle unter realen Bedingungen zu erproben, die allgemein noch nicht zugelassen sind. Dazu nutzen sie oft sogenannte Experimentierklauseln, die befristete Ausnahmen von rechtlichen Vorgaben ermöglichen. Auf diese Weise kann sich auch der Gesetzgeber schon in einem frühen Stadium über die Wirkungen der Innovationen informieren und das Regulierungsumfeld innovationsfreundlich, evidenzbasiert und verantwortungsvoll gestalten.
Digitale Technologien werden unter realen Bedingungen erprobt.
Indem Reallabore Raum für Partizipation schaffen, stärken sie die gesellschaftliche Akzeptanz für digitale Innovationen. Gleichzeitig können Reallabore als modernes Instrument einer digitalen Ordnungspolitik auch zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Sie ermöglichen es zum Beispiel, wegweisende neue klima- und umweltschonende Technologien und Konzepte zu erproben, und helfen zu lernen, wie wir auch in einer zunehmend digitalen Welt wichtige Schutz- und Sicherheitsstandards gewährleisten können.
Die Reallabore-Strategie
Im Rahmen der Reallabore-Strategie arbeitet das BMWK eng mit anderen Ressorts der Bundesregierung zusammen, um die Strukturen und rechtlichen Möglichkeiten für Reallabore zu verbessern. Am 13. April 2021 haben sich die Bundesministerien im Paket für Bürokratieerleichterungen dazu bekannt, in Zukunft für jedes neue Gesetz zu prüfen, ob durch die Aufnahme von Experimentierklauseln neue Reallabore ermöglicht werden können. Neue oder verbesserte Experimentierklauseln wurden zuletzt für die Erprobung des automatisierten und autonomen Fahrens, von innovativen Modellen der Personenbeförderung sowie von Blockchain-basierten Identifizierungsverfahren für den digitalen Hotel-Check-in und die digitale Kontoeröffnung geschaffen. Das BMWK unterstützt auch die übrigen Ministerien mit einer Arbeitshilfe zur Formulierung von Experimentierklauseln und aktuellen Rechtsgutachten.
Um auf europäischer Ebene ebenfalls die rechtlichen Rahmenbedingungen für Reallabore zu verbessern, hat der Rat der Europäischen Union zudem auf Vorschlag der deutschen Ratspräsidentschaft am 16. November 2020 Schlussfolgerungen zu Reallaboren und Experimentierklauseln verabschiedet.
Netzwerk Reallabore: BMWK unterstützt mit Veranstaltungen und Workshops.
Schließlich unterstützt das BMWK die Reallabore-Praxis durch Veranstaltungen und Workshops im Rahmen des „Netzwerks Reallabore“, durch aktuelle Informationen und Leitfäden (z. B. „Handbuch Reallabore“, „Praxishilfe zum Datenschutz“ sowie durch den „Innovationspreis Reallabore“).
Trotz der erzielten Fortschritte mangelt es in vielen Innovationsbereichen nach wie vor an rechtlichen Möglichkeiten für Reallabore. Und dort, wo die rechtlichen Möglichkeiten bestehen, fehlt es oft an einheitlichen und innovationsfreundlichen „Standards“ für Reallabore. Die Anforderungen und Zugangsbedingungen für Unternehmen und andere Innovatoren unterscheiden sich oft erheblich. Die Rechtslage und die Genehmigungspraxis sind gerade für kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups unübersichtlich und teils nur schwer nachvollziehbar. Während manche Länder- und Kommunalbehörden die rechtlichen Möglichkeiten voll ausschöpfen, sind andere Verwaltungen zögerlich. Dies kann zu Unsicherheit bei allen Beteiligten führen. Auch starre Befristungen von Erprobungsgenehmigungen ohne Verlängerungsmöglichkeit erweisen sich oft als problematisch und investitionshemmend.
In Kürze Rechtliche Möglichkeiten und innovationsfreundliche Bedingungen fehlen in vielen Bereichen.
Dadurch sind in der Praxis derzeit folgende Probleme zu beobachten:
Vielversprechende Technologien und Geschäftsmodelle kommen nicht in die Anwendung oder weichen ins Ausland aus.
Gerade Mittelständler und Start-ups nutzen die Möglichkeiten von Reallaboren zu selten.
Kommunale Innovationsprojekte unterbleiben.
Die Gesetzgebung „läuft dem digitalen Wandel hinterher“ und verfügt nicht über ausreichende Informationen über relevante Zukunftstechnologien und ihre Wirkungen.
Konzept für ein Reallabore-Gesetz
Vor diesem Hintergrund hat das BMWK ein Konzept für ein Reallabore-Gesetz veröffentlicht, das übergreifend einheitliche und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen für die Erprobung von Innovationen in Reallaboren schafft und neue Freiräume für Innovationen ermöglicht (Abbildung 1). Das vollständige Konzept steht zum Download zur Verfügung (siehe nebenstehende Linksammlung).
Der Vorschlag basiert auf Rechtsgutachten im Auftrag des BMWK und auf dem Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern von europäischen Regierungen, Bundes- und Landesministerien, Wirtschaft, Forschung und Zivilgesellschaft.
Kombination aus einheitlichen Standards und fachspezifischen Experimentierklauseln
Das Reallabore-Gesetz schafft auf Bundesebene einen kohärenten und zugleich agilen Rahmen, der übergreifende Standards für die Zulassung, Durchführung und Evaluation von Reallaboren setzt. Diese Standards sollen bei der Gestaltung und Durchführung von künftigen Reallaboren und Experimentierklauseln stets berücksichtigt werden, um Unternehmen, Forschungsinstituten und Kommunen attraktive Bedingungen zu bieten und gleichzeitig regulatorisches Lernen zu fördern.
In Kürze Übergreifende Standards und attraktive Bedingungen für Reallabore.
Wie Experimentierklauseln leistungsstark und rechtssicher ausgestaltet werden, zeigt die BMWK-Arbeitshilfe für Experimentierklauseln. Der darin dargestellte Setzkasten macht deutlich, welche Bestandteile eine Experimentierklausel umfassen sollte.
Entsprechend soll das Gesetz beispielsweise sicherstellen, dass Experimentierklauseln Planungssicherheit und attraktive Investitionsbedingungen für Innovatoren schaffen. Hierzu sollten die Klauseln stets eine klare Befristung der Reallabore vorgeben, um den Erprobungscharakter des Reallabors sicherzustellen. Dabei sollte grundsätzlich die Möglichkeit gegeben werden, die Erprobungsgenehmigung bei Bedarf zu verlängern. Zudem sollte bei erfolgreicher Erprobung eine klare Perspektive für eine nahtlose Überführung in den Regelbetrieb bestehen.
Wichtig ist: Kann die Innovation in größerem Maßstab umgesetzt werden?
Ebenso relevant sind klare Vorgaben zur Ermessenslenkung der Genehmigungsbehörden, ein hinreichend bestimmter Erprobungszweck, der die Auslegung der Norm erleichtert, sowie Regelungen zur Evaluation und Nutzung der Erprobungsergebnisse mit Blick auf die mögliche Skalierung der Innovation – sowohl im Interesse des Gesetzgebers als auch des Innovators.
Auch soll das Reallabore-Gesetz die Nutzung bereits bestehender Instrumente des allgemeinen Verwaltungsrechts stärken, relevante rechtliche Begriffe definieren und grundlegende Prinzipien von Reallaboren (z. B. Transparenz, gleichberechtigter Zugang, öffentliches Interesse) festlegen.
Setzkasten der BMWK-Arbeitshilfe zur Erstellung von Experimentierklauseln
Muster einer Experimentierklausel
• ABSATZ 1 – Erprobungszweck
• ABSATZ 2 – Tatbestand Und Rechtsfolge
Allgemeiner Teil:
Zuständigkeit, Ermächtigung der Behörde, Entscheidungstenor, Erprobungsgegenstand, Materielle Begrenzung
Besonderer Teil:
Verfahrensvorgaben mit Antrag, Umfang (sachlich und räumlich) der Erprobung, Begleitende Pflichten, Befristung der Entscheidung, weitere Nebenbestimmungen, Möglichkeit der Aufhebung.
• ABSATZ 3:
Evaluation samt Transfer, Befristung der Klausel
• ABSATZ 4:
Verordnungsermächtigung bzw. Nennung der Rechtsgrundlage
Neue Experimentierklauseln für digitale Innovationen
Obwohl zuletzt verschiedene Experimentierklauseln neu geschaffen und überarbeitet worden sind, mangelt es in vielen Innovationsbereichen noch an rechtlichen Möglichkeiten für Erprobungen im Reallabor.
Das Reallabore-Gesetz soll daher – in enger Zusammenarbeit mit den fachlich zuständigen Expertinnen und Experten – neue Experimentierklauseln für digitale Innovationsbereiche in Fachgesetzen schaffen, in denen derzeit rechtliche Hürden ein Reallabor verhindern, und bestehende Klauseln verbessern. Dabei könnte auch die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) mit ihrer innovationspolitischen Expertise unterstützen. Auf diese Weise kann sich der neue Rahmen direkt praktisch bewähren. Als Anwendungsfälle für neue Experimentierklauseln kommen etwa datengetriebene KI-Anwendungen im Bereich moderner Mobilität oder Industrie 4.0, innovative digitale Identifizierungsverfahren (z. B. für den digitalen Führerschein), digitale Rechtsdienstleistungen und -verfahren sowie zahlreiche weitere innovative Ansätze in Frage. Das BMWK identifiziert derzeit mögliche neue Anwendungsfälle für Experimentierklauseln und Reallabore im Rahmen von Studien und Erhebungen.
Ziel: Erfolgreiche Reallabore nahtlos in den Regelbetrieb überführen.
One-Stop-Shop für Reallabore
Je nach Anwendungsbereich sind unterschiedliche Behörden auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene für die Genehmigung und Kontrolle von Reallaboren zuständig. Für Unternehmerinnen und Unternehmen und andere Akteure ist es oft schwierig zu erkennen, wer im konkreten Fall der richtige Ansprechpartner ist und welche Anforderungen gestellt werden. Dies führt im schlimmsten Falle dazu, dass die Idee eines vielversprechenden Reallabors verworfen wird.
Die Schaffung eines zentralen One-Stop-Shops für Reallabore ist deshalb ein wichtiges ergänzendes Element des Reallabore-Gesetzes.
Eine zentrale Kontaktstelle soll beraten und Verbindungen zu den Behörden herstellen.
Dieser One-Stop-Shop sollte folgende Funktionen erfüllen:
Beratung: Eine solche Stelle wäre zentraler Ansprechpartner für Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen und Start-ups –, die mit ihren digitalen Innovationsprojekten in Deutschland vor rechtlichen Hürden stehen, sowie für Behörden, die bei Genehmigungsfragen und im Vollzug Schwierigkeiten begegnen.
Initiativvorschläge: Für die strukturierte Erfassung und Auswertung möglicher neuer Anwendungsfelder für Reallabore könnte im Reallabore- Gesetz ein Konzept für Initiativvorschläge verankert werden. Möglich wäre ein mehrstufiger Prozess für vielversprechende Vorschläge, an dessen Ende der Vorschlag eines Unternehmens oder sonstigen Stakeholders einer Prüfung durch das fachlich zuständige Ressort zugeführt wird und der in einer neuen Experimentierklausel münden könnte.
Wissensdatenbank und Dialogstelle: Ferner kommt dem One-Stop-Shop die Aufgabe zu, Wissen mit Bezug zu Reallaboren/Experimentierklauseln zu sammeln und zu systematisieren sowie den Erfahrungsaustausch zwischen den Behörden zu fördern. Der One-Stop-Shop wird zugleich auch zur Schnittstelle zum Gesetzgeber, sodass dieser mit dem gesammelten Erfahrungswissen den Rechtsrahmen evidenzbasiert weiterentwickeln kann.
Unterstützung bei der Skalierung: Schließlich soll der One-Stop-Shop nach einem erfolgreich durchgeführten Reallabor bei der Überführung in den Regelbetrieb beraten und begleiten, um eine nahtlose Skalierung, also Ausweitung des Geschäftsbetriebs, zu ermöglichen.
Verbindlicher Experimentierklausel-Check
Ein weiteres wichtiges ergänzendes Element eines Reallabore-Gesetzes ist ein verbindlicher Experimentierklausel- Check, der sicherstellt, dass bei der Schaffung und Novellierung von Fachgesetzen grundsätzlich die Aufnahme einer Experimentierklausel geprüft wird. Dies ermöglicht die kontinuierliche Identifikation neuer Anwendungsfelder für Experimentierklauseln und Reallabore.
Tatsächlich hat das Bundeskabinett am 13. April 2021 den Experimentierklausel-Check bereits beschlossen:
„In Fachgesetzen soll die Möglichkeit zum ,Ausprobieren‘ verstärkt werden. Dazu sollen vermehrt Experimentierklauseln genutzt werden, um insbesondere Reallabore zu ermöglichen. Deshalb wollen wir im Rahmen des Ressortprinzips in Zukunft für jedes Gesetz prüfen, ob durch die Aufnahme einer Experimentierklausel innovativen Leistungen Freiraum gegeben werden kann.“
Diesen Auftrag gilt es mit Leben zu füllen sowie verbindlich und wirksam in den Gesetzgebungsprozessen der Bundesregierung zu verankern, etwa in der digitalen Gesetzgebung, in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien sowie im Handbuch der Rechtsförmlichkeit. Das vorgeschlagene Konzept für ein Reallabore-Gesetzes soll als Impuls für die weitere Diskussion um die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Reallabore dienen.
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Verbesserungsvorschläge, Kritik sowie allgemeine Rückmeldungen hierzu sind sehr willkommen und können über die folgende E-Mail-Adresse an die Geschäftsstelle Reallabore im BMWK gerichtet werden: reallabore@bmwk.bund.de
DR. KONSTANTIN KOLLOGE, JANN REINHARDT & DR. KAI HIELSCHER
Geschäftsstelle Reallabore