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Für viele Menschen in Deutschland stellen die Kosten für Strom und Gas derzeit eine zunehmende finanzielle Herausforderung dar. Tatsächlich sind die Preise für Energie in den vergangenen Monaten heftig gestiegen und zumindest kurzfristig – insbesondere vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine – zeichnet sich keine merkliche Entspannung ab (siehe Infokasten).

Bei 3,1% lag die Inflationsrate im Jahr 2021, der höchste Stand seit 1993.

Besonders stark sind diejenigen privaten Haushalte und Unternehmen betroffen, die keine langfristige Vertragsbindung zu alten Konditionen haben. In Neuverträgen werden die stark gestiegenen Großhandelspreise direkt an die Kunden durchgereicht. Energieintensive Unternehmen sind zwar oft von Abgaben und Umlagen befreit, müssen jedoch ebenfalls die deutlich höheren Beschaffungskosten in ihrer Kalkulation abbilden. Doch worin liegen die Ursachen für diesen deutlichen Anstieg der Energiepreise? Spielt die Energiewende hierbei wirklich eine Rolle?

In Kürze: Energiewende und Klimaschutz: Fachleute sehen mittelfristig eher preisdämpfende Effekte.

Inflation in Deutschland auf hohem Niveau

Im Februar 2022 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 5,1 %. Damit fiel sie zwar um 0,2 Prozentpunkte niedriger aus als noch im Januar, war abgesehen davon aber so hoch wie seit dem Jahr 1992 nicht mehr. Für das Gesamtjahr 2021 wurde eine Inflationsrate von 3,1 % gemeldet, der höchste Stand seit dem Jahr 1993. Ausschlaggebend für die Dynamik war der Preisdruck in der zweiten Jahreshälfte 2021.

Gestiegene Strom- und Heizkosten werden zunehmend zur Belastung.

Zu den Hintergründen war vielseits von sogenannten Sondereffekten die Rede, die für die außergewöhnlich hohe Inflationsrate verantwortlich seien. Insbesondere die Rücknahme der zwischenzeitlichen Senkung der Umsatzsteuersätze vom Juni 2020 wurde als ein treibender Faktor für die Preisniveausteigerung angeführt. Denn dadurch, dass die Inflationsrate immer als Steigerunges Verbraucherpreisindex gegenüber dem Vorjahresmonat gemessen wird, wurde der Abstand zur Vergleichsbasis durch den Wiederanstieg der Umsatzsteuer erhöht.

Um 0,8 Prozentpunkte hat sich die Kerninflationsrate von Dezember 2021 bis Januar 2022 verringert.
Energiepreisanstieg überlagert alles.

Aufgrund des erwarteten Wegfalls dieser Sondereffekte zum Jahreswechsel 2021/2022 gingen viele Experten davon aus, dass die Inflationsrate im Januar 2022 rund einen Prozentpunkt niedriger ausfallen würde als im Dezember. Bei Betrachtung der sogenannten Kerninflationsrate, also ohne Energie- und Nahrungsmittelpreise, ist dieser Effekt auch deutlich erkennbar: Die Kerninflationsrate hat sich von Dezember 2021 auf Januar 2022 um 0,8 Prozentpunkte verringert.

ENTLASTUNGSSCHRITTE

Am 23. Februar hat der Koalitionsausschuss folgende Entlastungsschritte beschlossen:

1. EEG-Umlage fällt weg – Unterstützung bei den Stromkosten

2. Arbeitnehmerpauschbetrag und Grundfreibetrag werden erhöht + Corona-Hilfe-Paket kommt – Unterstützung bei der Steuer

3. Fernpendlerpauschale wird angehoben – Unterstützung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

4. Corona-Zuschuss wird eingeführt – Unterstützung für Bedürftige

5. Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder kommt – Unterstützung für Kinder

6. Mindestlohn steigt – Unterstützung für Geringverdienende

7. Kurzarbeitergeld wird verlängert – Unterstützung für Beschäftigte und Unternehmen

8. Heizkostenzuschuss kommt – Unterstützung für Mieterinnen und Mieter.

EINFLUSS DES KRIEGES IN DER UKRAINE AUF DIE ENERGIEPREISE

Russland nimmt mit Blick auf Deutschlands Importe von fossilen Energieträgern eine wichtige Rolle ein. So stammten rund 36 % aller Erdölimporte nach Deutschland im Jahr 2018 aus Russland. Bei den Gasimporten in 2020 waren es sogar rund 55 %. Generell sind die bezogenen Importmengen immer stark der Witterung und anderen Faktoren abhängig, über den Zeitverlauf zeigen sie jedoch eine strukturell hohe Abhängigkeit von Russland.

Damit würde sich eine Verknappung des Angebots infolge des Krieges in der Ukraine vor allem auf die Preise für Gasimporte in Deutschland auswirken, da diese nicht ohne Weiteres kurzfristig substituierbar sind. Beim Erdöl könnten sich hingegen die bezogenen Importe aus anderen Ländern erhöhen, falls die Einfuhren aus Russland limitiert werden.

Die gesteigerten geopolitischen Risiken infolge des Kriegs in der Ukraine machen sich jedenfalls in den Preisen für Öl und Gas bemerkbar. Der Ölpreis ist seit Dezember von 70 US-Dollar auf über 100 US-Dollar pro Barrel gestiegen. Auch die Gaspreise bleiben weiterhin hoch volatil. Nach Durchsickern erster Geheimdienstinformationen zu einer möglichen russischen Invasion in der Ukraine stieg der Gaspreis sprunghaft an, erholte sich danach jedoch wieder teilweise. Seit Beginn der Invasion am 24. Februar ist der Gaspreis erneut gestiegen. Die Preissteigerungen durch den Krieg in der Ukraine erfolgen in einem Umfeld ohnehin stark erhöhter Rohstoffpreise. Denn durch den simultanen weltweiten Aufschwung nach der Corona-Pandemie hatte die Energienachfrage auch sprunghaft angezogen, wodurch insbesondere Öl- und Gaspreise massiv gestiegen waren.

Grafik Deutsche Rohölimporte (2018) und Gasimporte (2020) nach Ursprungsländern Bild vergrößern
Grafik Öl- und Gaspreise im Umfeld des Russland-Ukraine-Krieg Bild vergrößern

Fest steht allerdings, dass der Wegfall der Sondereffekte in der Gesamtbetrachtung des allgemeinen Verbraucherpreisindex von gleichzeitig deutlich gestiegenen Energiepreisen (+21 % gegenüber Januar 2021) überlagert wurde. Vor diesem Hintergrund wird zunehmend auch über die Rolle der Energiewende und des Klimaschutzes diskutiert. Manche Beobachterinnen und Beobachter behaupten etwa, die Energiewende sei der Haupttreiber hinter dem aktuellen Energiepreisanstieg.

Steigende Gaspreise wirken direkt auf den Strompreis.
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Fossile Energieträger verteuern Energiepreise

Tatsächlich bestätigt die Datenlage, dass der Anstieg der Energiepreise in erster Linie durch eine deutliche Verteuerung fossiler Energieträger verursacht wird, allen voran Steinkohle und Erdgas. In Europa ist dieser Effekt besonders deutlich zu spüren. Traditionell wird Erdgas in Deutschland zu einem hohen Anteil von über 50 % günstig über langfristige Verträge per Pipeline aus Russland bezogen. Von dort bezieht Deutschland derzeit die vertraglich vereinbarten Liefermengen. Zusätzliche Nachfrage wird aktuell vermehrt durch Flüssiggas (LNG) bedient, das zu Weltmarktpreisen eingekauft werden muss. Im vergangenen Jahr hat sich der Gaspreis auf dem Weltmarkt gegenüber dem Vorjahr mehr als vervierfacht. Zusätzlich treiben die ebenfalls verteuerten Lieferungen per Schiff die Kosten.

Mehr als 50% des Erdgases kommt über langfristige Verträge aus Russland.

Die gestiegenen Gaspreise wirken sich direkt auf die Strompreise aus. Einer noch unveröffentlichten Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zufolge resultiert jeder Euro an Gaspreissteigerung in einer direkten Erhöhung des Strompreises in Deutschland.

In Kürze: Steinkohle, Erdgas und andere fossile Energieträger werden teurer und sorgen für steigende Energiepreise – besonders in Europa.

Gleichzeitig haben sich die Öl- und Kohlepreise ebenfalls stark erhöht. An den Finanzmärkten stieg der Ölpreis im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr um fast zwei Drittel. Der Kohlepreis hat sich im selben Zeitraum sogar mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung wirkt sich in Deutschland aufgrund des noch immer großen fossilen Kraftwerksparks besonders stark auf die Strompreise aus (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Steigende Erdgaspreise sorgen für Preisdruck bei Strom Bild vergrößern

Erneuerbare Energien wirken preisdämpfend

Die erneuerbaren Energien sehen sich dennoch dem Vorwurf ausgesetzt, für den Anstieg der Strompreise verantwortlich zu sein. Fest steht, dass die Energiewende gesamtwirtschaftliche Investitionen erfordert. Energetische Sanierungen, die Umrüstung vom Verbrenner zum E-Auto sowie der Bau von Windkraft- und Solaranlagen sorgen kurz- bis mittelfristig für zusätzliche volkswirtschaftliche Kosten.

Um fast 2/3 stieg der Ölpreis 2021 gegenüber dem Vorjahr.

Tatsächlich ist aber, wie oben verdeutlicht, in erster Linie die kurzfristige Verteuerung fossiler Energieträger für den gegenwärtigen Druck auf den Strompreis verantwortlich. In der oben genannten Studie des Potsdame-Institut für Klimafolgenforschung zeigen die Autorinnen zum Beispiel auch, dass jede Gigawattstunde erneuerbaren Stroms, die ins deutsche Stromnetz eingespeist wird, zu einer signifikanten Strompreissenkung führt.

In Kürze: Die Energiewende wird gebraucht, trotz zusätzlicher volkswirtschaftlicher Kosten. Auch Öl und Kohle kosten und verteuern den Strompreis.

Neben den impliziten Kosten der fossilen Energien mit ihren Folgen für das Klima werden derzeit also auch die finanziellen Nachteile dieser Energieträger deutlich sichtbar. Der Ausbau der erneuerbaren Energien sorgt hingegen langfristig für Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern und führt damit auch zu weniger Anfälligkeit für Preisausschläge und Spekulationen auf den internationalen Märkten. Damit stellen sich die erneuerbaren Energien nicht als Teil des aktuellen Problems, sondern vielmehr als Teil der Lösung dar.

Auf 80% soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 steigen.

Mittelfristig wirkt der Ausbau der erneuerbaren Energien sogar preisniveaudämpfend, weil die Technologiekosten mit dem Markthochlauf sinken. Bereits heute sind die Stromgestehungskosten von erneuerbaren Energien niedriger als die von konventionellen Kraftwerken. Vergleicht man die Vollkosten von Errichtung und Betrieb einer neuen Anlage, kosten Photovoltaik-Freiflächenanlagen (PV) zwischen 3,1 und 5,7 Cent je Kilowattstunde (kWh), Gaskraftwerke hingegen zwischen 11,5 und 29 Cent pro kWh (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Stromentstehungskosten nach Technologie Bild vergrößern
Die Technologiekosten der Energiewende sinken mit dem Markthochlauf.

Dabei muss allerdings bedacht werden, dass erneuerbarer Strom nicht rund um die Uhr verfügbar ist und der Nutzen der verschiedenen Erzeugungsoptionen für das Gesamtsystem anhand der Marktwerte des erzeugten Stroms bewertet werden muss. Aber auch eine PV-Anlage inklusive Batteriespeicher – wodurch das Einspeiseprofil deutlich flexibler wird – ist immer noch deutlich günstiger als ein Gaskraftwerk. Die Bundesregierung verfolgt daher das Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien am Strommix bis 2030 auf 80 % zu erhöhen (2021: 46 %).

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CO2-Bepreisung im Moment nicht der entscheidende Preisfaktor

Die CO2-Bepreisung ist ein zentrales Instrument zur Erreichung der Ziele der Energiewende. CO2-Preise führen zu einer verursachergerechten und effizienten Internalisierung externer Kosten des Klimastreiks und tragen so dazu bei, diesen effektiv und kostengünstig zu mildern.

In Kürze: Bereits heute sind die Stromgestehungskosten von erneuerbaren Energien niedriger als die von konventionellen Kraftwerken.

Im Stromsektor gibt es dafür den europäischen Emissionshandel (ETS). In den Bereichen Wärme und Verkehr gibt es die nationale CO2-Bepreisung gemäß Brennstoffemissionshandelsgesetz. Die darin für private Endverbraucherinnen und -verbraucher angesetzten CO2-Kosten fallen zunächst relativ moderat aus: Der Preis für eine Tonne CO2 wird von 25 Euro im Jahr 2021 auf 30 Euro im laufenden Jahr angehoben. Bei der Erdgasheizung etwa schlägt die nationale CO2-Bepreisung nur mit 0,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) zu Buche, während die aktuellen Großhandelspreise von etwa zwei auf acht Cent pro Kilowattstunde gestiegen sind, also auf rund das Vierfache. Zudem soll der CO2-Preis an anderer Stelle an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden, insbesondere über die Wegfall der EEG-Umlage, perspektivisch auch über ein „Klimageld“.

CO2-Preise gelten als wichtiges Instrument für die Energiewende und den Klimachutz.

Um klimafreundliches Verhalten zu fördern, stellt die Bundesregierung darüber hinaus vielfältige Förderungen bereit, von der Innovationsprämie für E-Autos über die Förderung von besonders energieeffizienten Gebäuden bis hin zu zahlreichen Ausgleichsmaßnahmen für die Industrie. Darüber hinaus wurde – um der aktuellen Hochpreisphase etwas entgegenzusetzen – ein Entlastungspaket für Bürgerinnen und Bürger beschlossen. Durch ein Zusammenspiel aus steuerlichen Erleichterungen, dem Wegfall der EEG-Umlage, der Anhebung der Fernpendlerpauschale, Heizkostenzuschüssen und weiteren Hilfsmaßnahmen für Bedürftige gibt die Bundesregierung breite Unterstützung, um die Energiekostenbelastung der Haushalte zu mildern.

In Kürze: Steuererleichterungen, der Wegfall der EEG-Umlage, die Anhebung der Fernpendlerpauschale, Heizkostenzuschüsse und andere Maßnahmen sollen die Energiekostenbelastung mildern.

Die Bundesregierung hat den gesetzlichen Auftrag, die Energiewende voranzutreiben. Neben der Verantwortung gegenüber Natur und Klima sorgt die Politik so langfristig für Unabhängigkeit von internationalen Energiemärkten und zugleich für stabile Strompreise in Deutschland.


MEHR ZUM THEMA

Maßnahmenpaket des Bundes zum Umgang mit hohen Energiekosten vom 23. März 2022:
www.bmwk.de/massnahmenpaket-zum-umgang- mit-hohen-energiekosten

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DR. FELIX ARNOLD, CHRIS GOTHAN & DR. JIN-KYU JUNG
Referat: Beobachtung, Analyse und Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

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