3 Fragen, 2 Meinungen

MONIKA SCHNITZER
Professorin für Volkswirtschaftslehre an der LMU München

&

CHRISTIAN BAYER
Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn

Welchen Effekt hätte ein Energie-Embargo?

BAYER: 30 % unserer Energie kommen aus Russland. Ein Energie-Embargo wäre ein Einschnitt. Öl und Kohle lassen sich auf dem Weltmarkt von anderen Anbietern beschaffen. Es bleibt das Gas. Hier helfen frühes Gegensteuern und klare Festlegungen: jetzt Speicher füllen; Gaskraftwerke vom Netz; der Industrie keinen Zweifel lassen, dass sie den Sommer nutzen muss, um vorzusor-gen oder umzurüsten. Kommt es zum Embargo, steigen die Energiepreise weiter. Weltmarktkonkurrenz kann dann in bestimmten Bereichen gasintensive Produktion bei uns ersetzen. Diese marktwirtschaftliche Substitution durch Handel schafft gesamt wirtschaftliche Resilienz, auch wenn sie für einzelne Produzenten das Aus bedeuten kann. Denn solche Substitution reduziert im Embargo zugleich substanziell den Rückgang des Inlandsproduktes. Konjunktureffekte können so handhabbar bleiben.

SCHNITZER: Ein vollständiger Ersatz russischer Energielieferungen wäre in der kurzen Frist vor allem bei Gas nicht möglich, auch wegen fehlen-der Infrastruktur wie LNG-Terminals und Pipelines. Die Konsequenzen eines Embargos sind schwer abzuschätzen, weil es keine vergleichbaren Erfahrungen gibt. Die Gesamtschau der bisherigen Abschätzungen legt aber nahe, dass es bei einem sofortigen Embargo zu einer schweren Rezession kommen würde. Anders als bei den Lockdowns in der Pandemie wären von einem Gas-Embargo Produzenten von Vorprodukten und damit ganze Lieferketten negativ betroffen. Ein Ersatz durch Import dieser Vorprodukte wäre kurzfristig schwierig und mit hohen Kosten verbunden, wie die Lieferkettenunterbrechungen in der Pandemie gezeigt haben, und würde die Wirtschaftsstruktur dauerhaft verändern.

Halten Sie ein Embargo für sinnvoll?

BAYER: Ich denke, wir müssen mehr tun als jetzt – für eine möglichst schnelle Beendigung des Ukraine-Krieges, aber auch, um unsere Konfliktbereitschaft und Wehrhaftigkeit zu signalisieren. Ob ein Embargo oder ein Strafzoll der bessere erste Schritt wäre, könnte sich allerdings angesichts der russischen Gegenreaktion auch als akademische Debatte erweisen.

SCHNITZER: Ein Embargo schwächt zweifels-ohne die russische Wirtschaft. Ob dadurch Putin zur raschen Beendigung des Krieges gezwungen oder zum Einlenken motiviert werden würde, ist jedoch unklar. Ich persönlich bin eher skeptisch. Skeptisch bin ich auch, ob eine so starke Schwächung unserer Wirtschaft von Putin als Zeichen der Stärke interpretiert werden würde.

Wie sollte die Politik ein Embargo flankieren oder darauf reagieren?

BAYER: Der Staat wird besonders betroffene Industrien stützen müssen: Betriebe mit Staatsbeteiligungen, Arbeitnehmer mit Kurzarbeitergeld, Bedürftige mit Beihilfen für erhöhte Energiekos-ten. Ansonsten sollte die Bundesregierung Preissignale wirken lassen, damit die knappen Energiegüter dort landen, wo sie den höchsten Nutzen stiften, und auch, um Anreize für Energieeffizienz und Sparen nicht zu verwässern.

SCHNITZER: Wichtig ist es, sich umgehend vorzubereiten, indem alternative Lieferquellen auf-getan sowie detaillierte Notfallpläne entwickelt werden. Bei Lieferengpässen sollte die Rationierung über den Preismechanismus erfolgen. Besonders bedürftige Haushalte sollten durch Pauschalzahlungen und grundsätzlich überle-bensfähige Unternehmen mit Liquiditätshilfen unterstützt werden