IN KÜRZE

Die EZB prognostiziert für die Eurozone eine Inflation von 8,1 % in diesem und von 5,5 % im nächsten Jahr. Deshalb hebt die EZB die Leitzinsen, sodass die Zinsen für Unternehmen, Staaten und Haushalte ebenfalls steigen. Gegenüber dem US-Dollar ist der Euro unter die Parität gefallen.

Die monetäre Entwicklung der Eurozone bleibt dynamisch; im Vergleich zum Sommer hat sich einiges auf den Geld- und Kreditmärkten verändert. Hintergrund dazu bildet das weiter steigende allgemeine Preisniveau und die Reaktion der EZB darauf.

INFLATION

Die Inflation in der Eurozone zog weiter deutlich an. Im September stieg das allgemeine Preisniveau um 10,0% gegenüber dem Vorjahr. Das Spektrum der Raten der einzelnen Euroländer variiert dabei stark – von zuletzt 6,2 % in Frankreich bis 24,2 % in Estland (siehe Abbildung 1). Auch die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel, belief sich im September auf 4,8 %. Die EZB hat im September quartalsmäßig neue und abermals deutlich höhere Inflationsprognosen präsentiert (siehe Abbildung 2): Nach 8,1 % für dieses Jahr prognostiziert die Notenbank 5,5 % für 2023 und 2,3 % im Jahr 2024. Die EZB rechnet also auch mittelfristig mit Raten über ihrem 2 %-Ziel. Sie hat auch ihre Prognose für die Kernrate der Inflation angehoben: Nach 3,9 % in diesem Jahr rechnet die EZB mit 3,4 % im Jahr 2023 und 2,3 % für 2024.

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GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Am 8. September 2022 hat die EZB wie erwartet erneut die Leitzinsen angehoben – und zwar nochmals stärker als in ihrem ersten Zinsschritt im Juli – um 75 Basispunkte auf nun 0,75 % (Einlagefazilität), 1,25 % (Haupt-Refi) und 1,50 % (Spitzen-Refi). Weitere Zinsschritte seien geplant und sollen in einem „meeting-by-meeting approach“ datenabhängig beschlossen werden. Einen „Zielzins“ gäbe es laut Präsidentin Lagarde nicht. Die nächste EZB-Sitzung ist für den 27. Oktober geplant.

Die EZB reinvestiert vorerst weiter Erträge ausgelaufener Anleihen des Asset Purchase Programme (APP) und vor allem Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Die auslaufenden Posten des PEPP reinvestiert die EZB aufgrund der flexibleren Investitionsbedingungen insbesondere in die Staatsanleihen südeuropäischer Eurozonenlän- der. Bereits am 21. Juli 2022 hatte die EZB das Transmission Protection Instrument (TPI) vorgestellt, mit dem „Störungen der geldpolitischen Transmission“ bekämpft werden sollen. Eingesetzt wurde es bislang nicht. Außerdem könnten im Notfall auch die Outright Monetary Transactions (OMT), also Anleihekäufe geknüpft an ein Programm des Europäischen Stabilitätsmechanismus, aktiviert werden.

Die Bilanzsumme der EZB beträgt derzeit rund 8,7 Milliarden Euro, dies entspricht rund 75 % des Eurozonen-BIP (siehe Abbildung 3). Damit ist die Bilanzsumme absolut gesehen wieder etwas kleiner als noch zum historischen Höhepunkt im Mai 2022. Im Verhältnis zum derzeit stagnierenden Eurozonen-BIP ist sie aber etwas gestiegen. Nachfolgend die größten Posten der Bilanz:

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  • Asset Purchase Programme (APP): Das reguläre Ankaufprogramm ist zum 1. Juli 2022 ausgelaufen. Das APP ist weniger flexibel als das Notfallprogramm PEPP (siehe unten); zum Beispiel ist der Ankauf griechischer Staatsanleihen nicht möglich. Im September hielt die EZB insgesamt 3.256 Milliarden Euro; das entspricht 37 % ihrer Bilanz; etwa 80 % davon sind Staatsanleihen der Euroländer.
  • Targeted longer-term refinancing operations (TLTROs): Die an Banken vergebenen vergünstigten Langfrist-Kredite werden schon seit Dezember 2021 nicht mehr vergeben. Die EZB hält im Rahmen der TLTROs 2.117 Milliarden Euro; das entspricht 24 % ihrer Bilanz.
  • Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP): Das angesichts der Pandemie aufgelegte Notfallankaufprogramm ist bereits Ende März ausgelaufen. Reinvestitionen sind aber bis „mindestens“ Ende 2024 möglich. Im September hielt die EZB insgesamt 1.683 Milliarden Euro. Das entspricht 19 % ihrer Bilanz. 97 % davon sind Staatsanleihen der Euroländer.
ABBILDUNG 3: EZB-BILANZ Bild vergrößern

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die Banken der Eurozone haben nach der Zinserhöhung im September große Teile ihrer Überschussreserven in die nun wieder positiv vergütete Einlagefazilität verschoben. Die Überschussreserven belaufen sich auf derzeit rund 72 Milliarden Euro. Die Überschussliquidität beträgt nun aber rund 4,5 Billionen Euro (siehe Abbildung 4).

ABBILDUNG 4: LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, steigen die Zinsen weiter und liegen nun deutlich über dem Niveau der Einlagefazilität. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von 3 Monaten), notierte zuletzt bei etwa 1,38 % (siehe Abbildung 5). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit bleibt verhältnismäßig niedrig, ist aber seit Sommer wieder gestiegen und notierte zuletzt bei 0,32 %.

ABBILDUNG 5: GELDMARKTAB Bild vergrößern

Die ausstehende Kreditmenge in der Eurozone belief sich im August (letzter Datenpunkt) auf 6,6 Billionen Euro (an private Haushalte) und 14,1 Billionen Euro an Unternehmen (das entspricht ca. 57 % bzw. 122 % des Eurozonen-BIP). Ausstehende Kredite an Haushalte wuchsen um 4,7 % und Kredite an Unternehmen um 6,1 % im Vergleich zum Vorjahr (siehe Abbildung 6).

ABBILDUNG 6: KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Kreditzinsen in der Eurozone sind dabei weiter gestiegen. Anleihen mit einer BBB-Bewertung und mit einer Laufzeit von zehn Jahren notierten zuletzt beispielsweise bei 5,1 %, solche mit einem AAA-Rating bei 3,5 %. Die Finanzierungskosten für private Haushalte bewegen sich dazwischen, zuletzt bei 5,0 % (siehe Abbildung 7).

ABBILDUNG 7: ZINSEN AUF UNTERNEHMENS- ANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR PRIVATE HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Zinsen zehnjähriger deutscher Bundesanleihen bewegten sich zuletzt um 2,2 % (siehe Abbildung 8) – und damit weit über den noch negativen Zinsen zu Jahresbeginn. Die Zinsen auf Staatsanleihen der übrigen Euroländer stiegen ebenfalls. Die höchsten Zinsen gibt es hier nach wie vor bei griechischen und italienischen Staatsanleihen. Sie lagen zuletzt bei 5,0 beziehungsweise 4,7 %.

ABBILDUNG 8: ZINSEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Der Euro hat im Vergleich zum Jahresbeginn 14 % an Wert gegenüber dem US-Dollar verloren und ist mit zuletzt 0,98 US-Dollar pro Euro unter die Parität gefallen. Gegenüber dem britischen Pfund steht der Euro seit Jahresbeginn etwa 3 % wertvoller und notierte zuletzt bei 0,87 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn rund 11 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 145 Yen pro Euro (siehe Abbildung 9).

ABBILDUNG 9: WECHSELKURSE Bild vergrößern