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Die Weltwirtschaft stabilisiert sich auf niedrigem Niveau
Risiken dominieren weiterhin und Divergenzen nehmen zu
Einleitung
IN KÜRZE
Zwar hat sich die Prognose für die globalen Durchschnittswerte von Wachstum und Inflation gegenüber dem im August an dieser Stelle veröffentlichten Artikel kaum verändert, aber in den einzelnen Ländern und Regionen sind Verschiebungen zu beobachten. Dabei deutet sich zunehmend an, dass die Weltwirtschaft vor einer längeren Phase unterdurchschnittlichen Wachstums steht. Die mittelfristigen Aussichten für das Wirtschaftswachstum sind so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Länder mit mittlerem und niedrigem Einkommen sind relativ stärker betroffen mit der Folge, dass der Aufholprozess zu einem höheren Lebensstandard langsamer als zuvor verläuft.
Die Weltwirtschaft verliert an Schwung. Die an der Gemeinschaftsdiagnose (GD) beteiligten Forschungsinstitute bescheinigen der Weltkonjunktur nach kräftigem Start in das Jahr 2023 eine deutliche Verlangsamung über den Sommer. Diese resultiere im Wesentlichen aus einer schwachen Industrieproduktion und den in den meisten Weltregionen stark gestiegenen Zinsen, welche vor allem die Wohnungsbauinvestitionen hemmen. Als weiterer dämpfender Faktor wird die verhaltene Entwicklung in China, die wesentlich aus der Verschuldung im dortigen Immobiliensektor resultiert, ausgemacht. Sind kurzfristig geldpolitische Straffungen, Haushaltskonsolidierungen und Basiseffekte aus der Erholung nach der Pandemie die wesentlichen Faktoren, so dürften auf mittlere Sicht die schwache Produktivitätsentwicklung, geringes Tempo bei Strukturreformen und die Gefahr einer geoökonomischen Fragmentierung wachstumshemmend wirken. In den fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürften zudem die demografischen Herausforderungen zu einer verringerten Erwerbsbeteiligung beitragen.
Die Inflation sinkt nur langsam von sehr hohem Niveau. Die in fast allen Weltregionen sehr hohe Inflation sehen die Institute der GD mittelfristig wieder sinken und den durch sie erzeugten Kaufkraftentzug zunehmend durch Lohnzuwächse kompensiert. In den USA wird die Erreichbarkeit der 2 %-Inflationsmarke für Mitte 2024, für Europa gegen Ende 2024 erwartet. Über die Wintermonate wird noch nicht mit einer Erholung der Industrieproduktion gerechnet, aber die Realeinkommenszuwächse im Zuge der Lohnanpassungen sollten allmählich zur Belebung des Konsums beitragen. Sehr ähnlich wird die Lage von internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds IWF oder der OECD gesehen. Deren jüngste Prognosen (IWF: 10.10., OECD: 19.09.) bestätigen, dass sich die Weltwirtschaft verlangsamt, wobei die Inflation gegenüber dem Mehrjahreshoch des letzten Jahres zurückgeht. Der IWF sieht die Inflationsraten von 6,9 % in 2023 auf 5,8 % in 2024 sinken, wobei die meisten Länder nicht vor 2025 in die Nähe der Zielmarken ihrer Zentralbanken kämen. Auch die OECD erwartet im Jahresmittel 2024 weder in den USA noch in der Eurozone eine Inflationsrate von kleiner gleich 2 % und rechnet selbst für Japan mit 2,1%. Ungeachtet der jüngsten Volatilität der Ölpreise hat die Stabilisierung der weltweiten Rohstoffpreise die Gesamtinflation in den meisten Ländern auf das Niveau von Anfang 2021 zurückgeführt und damit die Krise bei den Lebenshaltungskosten gemildert.
Der Welthandel wächst sehr langsam. Der IWF erwartet, dass das Wachstum des Welthandels von 5,1 % im Jahr 2022 auf 0,9 % im Jahr 2023 zurückgeht, bevor es 2024 auf 3,5 % ansteigt. Damit läge des Handelswachstum deutlich unter dem Durchschnitt der Jahre 2000–2019 von 4,9 %. Der prognostizierte Rückgang im Jahr 2023 spiegelt die Entwicklung der globalen Nachfrage wider, aber auch die Verschiebung ihrer Zusammensetzung hin zu inländischen Dienstleistungen. Weitere Faktoren sind die verzögerten Auswirkungen der Dollaraufwertung, die den Handel aufgrund der weit verbreiteten Fakturierung von Produkten in Dollar verlangsamt, sowie zunehmende Handelsschranken.
Lieferkettenschwierigkeiten sind weitgehend durch neue Probleme abgelöst. Während sich die durch die Pandemie unterbrochenen Lieferketten weitgehend erholt haben, zeigt das globale Verarbeitende Gewerbe angesichts des schwachen Produktivitätswachstums, des Auslaufens der Stützungsmaßnahmen im Zuge der Covid-Krise und der schwierigen finanziellen Bedingungen Schwächen. Darüber hinaus haben die nach der Pandemie eingetretene Verschiebung der Nachfrage in Richtung des Dienstleistungssektors sowie die erhöhte Unsicherheit über die künftige geoökonomische Lage zu einer Investitionszurückhaltung geführt. Zudem gerät ein erhofftes Zugpferd der Weltkonjunktur ins Straucheln: Es gibt Anzeichen dafür, dass der Aufschwung durch die Wiederöffnung Chinas nur von kurzer Dauer war und sich die Dynamik verlangsamt hat.
Die Aussichten bleiben bescheiden, die Unterschiede nehmen zu. Der IWF geht davon aus, dass sich das globale Wachstum auf 3,0 % in diesem und 2,9 % im nächsten Jahr (von 3,5 % im Jahr 2022) abschwächen wird. Dies wird vor allem auf die nachlassende Erholung nach der Pandemie, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die strafferen geldpolitischen und finanziellen Rahmenbedingungen zurückgeführt. Die OECD erwartet für dieses Jahr 2,9 % und für nächstes Jahr 2,7 %. Hinter den Gesamtzahlen – die allesamt vor dem jüngsten Nahost-Konflikt veröffentlicht wurden – verbergen sich wachsende Unterschiede zwischen den Regionen. Besonders ausgeprägt ist die Verlangsamung in der Eurozone, wo das Wachstum von 3,6 % im Jahr 2022 auf 0,7 % (IWF) bzw. 0,6 % (OECD) in diesem Jahr zurückgehen dürfte. Für die meisten großen Schwellenländer außer Brasilien, China und Russland wird in diesem Jahr ebenfalls eine Abschwächung erwartet.
Die kurzfristigen Risiken sind nach wie vor eher abwärtsgerichtet. Die Wahrscheinlichkeit einer harten Landung hat sich nach der Beilegung des Streits um die US-Schuldenobergrenze Anfang Juni und dem Rückgang der Risiken im Bankensektor Anfang des Jahres verringert. Dennoch dominieren in der Gesamtbetrachtung die Risiken nach wie vor über die Chancen:
Der Krieg in der Ukraine und der Nahost-Konflikt könnten sich verschärfen und die Preise für Lebensmittel und Brennstoffe weiter in die Höhe treiben. Der jüngste Anstieg der Rohstoffpreise könnte sich fortsetzen und zu einer erneuten Krise der Lebenshaltungskosten führen, die vor allem die Schwächsten treffen würde.
Da die Reallöhne in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie liegen, könnte es dort, wo die Arbeitsmärkte angespannt sind, Spielraum für eine Erholung der Realeinkommen geben. Sollte dies der Fall sein, würde dies einen Aufwärtsdruck auf die Inflation ausüben, sofern sich die Gewinnmargen der Unternehmen nicht entsprechend verringern.
Weitere Inflationsschocks, bspw. durch Lohn-Preis- Spiralen oder kriegsbedingte Embargos, könnten eine noch restriktivere Geldpolitik auslösen, die Wirtschaftstätigkeit belasten und zu einer Neubewertung an den Finanzmärkten und einer Verschärfung der globalen Finanzbedingungen führen, was schließlich eine Staatsschuldenkrise in einer größeren Gruppe von Volkswirtschaften auslösen könnte.
Die Wachstumsdynamik Chinas könnte sich weiter abschwächen, sollte sich die Krise im dortigen Immobiliensektor verschärfen, mit negativen grenzüberschreitenden Auswirkungen. Klima- und geopolitische Schocks könnten zu einem weiteren Anstieg der Lebensmittel- und Energiepreise führen. Eine breitere geoökonomische Fragmentierung birgt das Risiko größerer Verzerrungen und politischer Unsicherheit.
Eine weitere Verschlechterung der globalen Finanzierungsbedingungen könnte die Verschuldungsproblematik verschärfen. Die Renditeaufschläge für Staatsanleihen liegen in den meisten Schwellen- und Entwicklungsländern über dem Niveau vor der Pandemie, und etwa ein Viertel der Staatsanleihen von Schwellenländern wird als notleidend eingestuft. Ein weiterer Anstieg der Kreditkosten würde die Kosten für den Schuldendienst sowie die Prolongations- und damit die Ausfallrisiken erhöhen. Eine unerwartet starke Aufwertung des US-Dollars würde die nachteiligen Auswirkungen auf Volkswirtschaften mit einem hohen Anteil an US-Dollar-Schulden noch verstärken.
Auf der Chancen-Seite ist dagegen zu vermerken, dass die Risiken für den Bankensektor in den letzten Monaten nachgelassen haben und die Gesamtinflation schneller als erwartet zurückgegangen ist. Wenn sich diese Tendenz fortsetzt und auch die Kerninflation erfasst, würde die Notwendigkeit einer geldpolitischen Straffung geringer und eine weichere Landung möglich. Die jüngsten Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz und Fortschritte bei grünen Technologien könnten das Produktivitätswachstum wieder ankurbeln. Als positiv bemerkt der IWF die Resilienz der Arbeitsmärkte, besonders in den entwickelten Volkswirtschaften, von denen bislang kaum Signale für Lohn-Preis-Spiralen ausgingen.
Entwicklung der Kerninflation mittelfristig bedeutend. Infolge der strafferen Geldpolitik und sinkender Rohstoffpreise hat sich die Gesamtinflation verringert. Auch die Krise bei den Lebenshaltungskosten hat sich aufgrund der nachlassenden Lebensmittel- und Energiepreise abgeschwächt. In den ärmsten Volkswirtschaften bleibt die Last aber drückend. Zudem erweist sich die Kerninflation als hartnäckig und bleibt in den meisten Volkswirtschaften über dem Zielwert. Diese Hartnäckigkeit nährt die Erwartung, dass die Zinssätze auch längerfristig hoch bleiben könnten. Angesichts steigender Schuldendienstkosten und eines starken Dollars dürfte dies die Verschuldung in einigen Schwellen- und Entwicklungsländern noch bedenklicher werden lassen.
Die mittelfristigen Aussichten sind so trübe wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Prognosen des IWF für das globale Wachstum fünf Jahre im Voraus sind von einem Höchststand von 4,9 % im Jahr 2013 auf nur noch 3,1 % im Jahr 2023 gesunken. Dabei sinkt das Wachstum der Schwellen- und Entwicklungsländer relativ stärker als das der fortgeschrittenen Volkswirtschaften, so dass der Aufholprozess der Lebensstandards deutlich langsamer verläuft. Gleichzeitig bringt dies Herausforderungen für die Schuldentragfähigkeit und für Investitionen zur Bekämpfung und Beherrschung des Klimawandels mit sich.
REGIONALE ENTWICKLUNGEN
In Nordamerika hat sich die wirtschaftliche Situation besser entwickelt, als noch im Sommer zu erwarten war. In den USA nahmen sowohl der private Konsum als auch die Anlageinvestitionen spürbar zu. Letzteres dürfte auch auf die jüngst eingeführten Subventionen für die Halbleiterindustrie und im Bereich der Transformationstechnologien zurückzuführen sein. Bei den Wohnungsbauinvestitionen hat sich der Abschwung fortgesetzt, aber etwas abgeschwächt. Im Winterhalbjahr dürfte sich der Konsum nach Einschätzung der an der GD beteiligten Institute vorübergehend abschwächen, zumal die während der Corona-Pandemie aufgestauten Ersparnisse der privaten Haushalte bereits zu großen Teilen aufgebraucht wurden. Angesichts der im historischen Vergleich niedrigen Sparquote ist hier kein neuer signifikanter Impuls zu erwarten. Die restriktive Geldpolitik sowie eine geringere Dynamik der Beschäftigungsnachfrage dürften die Konsumnachfrage ebenfalls dämpfen. Andererseits wird damit gerechnet, dass die Unternehmensinvestitionen, auch angesichts der staatlichen Förderprogramme, weiterhin zulegen, wenn auch weniger dynamisch als zuletzt.
Das diesjährige Wachstum der USA sieht die OECD nun bei 2,2 % und der IWF bei 2,1 %, was gegenüber den letzten Prognosen eine Aufwertung um 0,6 bzw. 0,3 Prozentpunkte bedeutet. Auch für 2024 erfolgten Anpassungen nach oben, bei der OECD um 0,3 Prozentpunkte auf 1,3 %, beim IWF um 0,5 Prozentpunkte auf 1,5 %. Die positive Überraschung wird auch von den internationalen Organisationen auf stärkere Unternehmensinvestitionen im zweiten Quartal und ein robustes Konsumwachstum zurückgeführt. Die Arbeitslosenquote sieht der IWF von voraussichtlich 3,6 % im zweiten Quartal 2023 auf einen Höchststand von 4,0 % im letzten Quartal 2024 ansteigen – ein niedrigeres Maximum als zuvor prognostiziert, das mit einer weichen Landung der US-Wirtschaft kompatibel ist. Die jüngste Zinserhöhungspause der Zentralbank nährt diese Hoffnung.
Die überraschend resiliente Nachfrage der USA strahlt auch auf den südlichen Nachbar Mexiko aus, dessen Wachstumsprognose für 2023 seitens IWF und OECD um 0,6 bzw. 0,7 Prozentpunkte nach oben auf 3,2 % bzw. 3,3 % angehoben wurde. Dafür wird insbesondere die mit Verspätung eingetretene Erholung im Baugewerbe und Dienstleistungssektor angeführt. Auch für 2024 wird Mexiko mit 2,1 % (IWF) bzw. 2,5 % (OECD) beim Wachstum in Nordamerika vorn gesehen. Für Kanada erwarten IWF und OECD in diesem Jahr 1,3 % bzw. 1,2 % und für 2024 1,6 % bzw. 1,4 % Wachstum, jeweils mit leichten Abwärtsrevisionen für dieses Jahr. Hohe Finanzierungskosten belasten die Konjunktur und niedrigere Rohstoffpreise haben die Terms-of-Trade- Gewinne des letzten Jahres zunichtegemacht.
Im Kontrast zu Nordamerika überraschte China in den letzten Monaten in negativer Hinsicht. Das Ende der Null- Covid-Politik im Dezember 2022 gab der Wirtschaft nur kurzzeitig Schub. Die Probleme am Immobilienmarkt wirken sich spürbar auf die Konjunktur aus. Die Wohnungspreise fallen seit dem Frühling wieder, die Zahl der Bauvorhaben ist stark zurückgegangen und weitere große Immobilienkonzerne sind in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Country Garden – der größte Immobilienentwickler und einer der Hauptprofiteure staatlicher Unterstützung – sieht sich einer schweren Liquiditätskrise gegenüber, was darauf hindeutet, dass sich die Immobilienkrise trotz politischer Unterstützung ausbreitet. Auch andere Bauträger sehen sich außerstande, bereits verkaufte Häuser fertigzustellen. Dies untergräbt das Verbrauchervertrauen. Die Immobilieninvestitionen gehen weiter zurück und die Wohnungspreise fallen, was die Einnahmen der lokalen Regierungen aus Grundstücksverkäufen unter Druck setzt und die ohnehin fragilen öffentlichen Finanzen belastet. Diese Entwicklungen haben zusammen mit der Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt – die sich in hoher Jugendarbeitslosigkeit (Juni 2023: über 20 %) widerspiegelt – den Konsum belastet. Auch die Industrieproduktion, die Unternehmensinvestitionen und die Exporte schwächen sich ab, was auf eine Kombination aus nachlassender Auslandsnachfrage und geopolitischer Unsicherheit zurückzuführen ist.
Dennoch bleibt das offizielle Wachstumsziel von 5 % in diesem Jahr erreichbar. Der IWF erwartet im Jahr 2023 ein Wachstum von 5,0 %, die OECD von 5,1 %, was Revisionen um -0,2 bzw. -0,3 Prozentpunkte entspricht. Für 2024 werden 4,2 % (IWF) und 4,6 % (OECD) erwartet, was aus Revisionen um -0,3 bzw. -0,5 Prozentpunkte folgt. Diese leichte Verlangsamung reflektiert im Wesentlichen ein geringeres Potenzialwachstum auch infolge der demografischen Entwicklung. Eine weitere Verschlechterung der Lage am Immobilienmarkt bildet derzeit das größte Abwärtsrisiko für die Konjunktur. Rohstoffexporteure und Länder, die Teil der industriellen Wertschöpfungsketten Asiens sind, sind am stärksten von Chinas nachlassender Dynamik betroffen. Angesichts der Wirtschaftsflaute und sinkender Energie- und Lebensmittelpreise ging die Inflation im zweiten Quartal 2023 dem IWF zufolge auf 0,2 % (im Jahresvergleich) zurück, womit China weltwirtschaftlich einen Ausreißer darstellt.
In Japan legte die gesamtwirtschaftliche Produktion im ersten Halbjahr 2023 kräftig zu, was im Wesentlichen auf zunehmenden Exporten infolge einer deutlichen Abwertung des Yens beruhte. Diese bedingte auch den für japanische Verhältnisse sehr deutlichen Anstieg der Inflation (Jan. 2023: 4,3 %, Sep. 2023: 3,0 %) . Der IWF und die OECD erwarten einen Anstieg des Wachstums von 1,0 % im Jahr 2022 auf 2,0 % bzw. 1,8 % in diesem Jahr, was einer Aufwärtskorrektur um 0,6 bzw. 0,5 Prozentpunkte entspricht und mit aufgestauter Nachfrage, einem Anstieg des Tourismus, akkommodierender Politik sowie der Erholung der Automobilexporte, die zuvor durch Lieferkettenprobleme gebremst worden waren, begründet wird. Für 2024 werden 1,0 % Wachstum erwartet.
Die europäische Konjunktur stagniert bei schwacher Tendenz. Während das EU-BIP im 3. Quartal mit 0,1 % ggü. Vorquartal minimal wuchs, schrumpfte das Eurozonen-BIP mit 0,1 % leicht. Während das deutsche BIP ebenfalls leicht schrumpfte (-0,1 %), stagnierte es in Italien (0,0 %) und wuchs minimal in Spanien und Frankreich (je +0,1 %). Der Einkaufsmanagerindex (ein umfragebasierter vorausschauender Indikator) zeigt – wie viele andere Indikatoren derzeit – weiteren Abschwung an. Die Inflation fiel zuletzt stärker als erwartet. Sie betrug im September in der Eurozone 2,9 %, die Kerninflation (ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel) lag bei 4,5 %, das Preisniveau bei Energie fiel um 11,1 %, während Lebensmittel um 7,5 % teurer wurden. Die deutsche Inflation liegt gemessen mit dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex im September bei 3,0 %, in Frankreich bei 4,5 %, in Italien bei 1,9 % und Spanien bei 4,9 %. Die Bandbreite innerhalb der Eurozone reicht dabei von -1,7 % in Österreich bis 7,8 % in der Slowakei; die Amplitude ist 9,5 %-Punkte – diese hat sich zuletzt wieder ausgeweitet.
Insgesamt wird das Wachstum im Euroraum den IWF-Projektionen zufolge von 3,3 % im Jahr 2022 auf 0,7 % im Jahr 2023 zurückgehen, bevor es im Jahr 2024 auf 1,2 % ansteigt. Die IWF-Prognose wurde für 2023 und 2024 um 0,2 bzw. -0,3 Prozentpunkte nach unten korrigiert, wobei die wichtigsten Volkswirtschaften des Euroraums voneinander abweichen: Für Deutschland, für das ein leichter Rückgang des Wirtschaftswachstums prognostiziert wurde, ergibt sich eine Abwärtskorrektur um 0,2 Prozentpunkte auf -0,5 %. Für Frankreich, wo die Industrieproduktion aufgeholt hat und die Auslandsnachfrage in der ersten Jahreshälfte 2023 überdurchschnittlich war, wurde eine Aufwärtskorrektur um 0,2 Prozentpunkte auf 1,0 % vorgenommen. Die OECD hat sehr ähnliche Erwartungen bezüglich des Euroraums – mit 0,6 % Wachstum für dieses und 1,1 % für nächstes Jahr bei Abwärtskorrekturen um 0,3 und 0,4 Prozentpunkte – und dessen größte Volkswirtschaften (Details s. Tabelle).
In Großbritannien ist die Produktion in den vergangenen drei Quartalen jeweils geringfügig gestiegen, die aktuelle Wirtschaftslage bleibt dennoch schwierig: Die Inflation geht zwar zurück, ist aber weiterhin höher als in den USA und im Euroraum. Um sie wieder einzudämmen, hat die Zentralbank ihren Leitzins seit Ende 2021 stetig erhöht, zuletzt auf 5,25 %. Die Institute der GD erwarten, dass der Leitzins im Winterhalbjahr seinen Gipfel bei 5,5 % oder 5,75 % erreichen wird. Die hohen Zinsen schlügen diesmal allerdings nicht so schnell wie früher auf die Realwirtschaft durch, denn der Anteil der Haushalte, die Hypotheken mit flexiblen Zinsen zu bedienen haben, sei in den letzten zehn Jahren stark zurückgegangen. Auch wenn die Arbeitslosenquote im Jahresverlauf um einen halben Prozentpunkt gestiegen sei, seien Arbeitskräfte weiter knapp. Bei hoher Lohndynamik dürften die Realeinkommen nach Rückgängen im Vorjahr in diesem Jahr in etwa stagnieren. Alles in allem dürfte das Bruttoinlandsprodukt in den kommenden Jahren nur leicht expandieren. Seitens des IWF wird ein Rückgang des Wachstums von 4,1 % im Jahr 2022 auf 0,5 % in diesem Jahr prognostiziert, wobei die Prognose um 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert wurde. Für 2024 werden 0,6 % erwartet, was einer Absenkung um 0,4 Prozentpunkte entspricht. Der Wachstumsrückgang spiegelt die straffere Geldpolitik zur Eindämmung der immer noch hohen Inflation und die anhaltenden Auswirkungen des Terms-of-Trade-Schocks durch die hohen Energiepreise wider. Die OECD erwartet in diesem Jahr 0,3 % und im nächsten Jahr 0,8 %.
In Russland hat die gesamtwirtschaftliche Produktion im zweiten Quartal 2023 ihr Niveau von vor dem Überfall auf die Ukraine wieder erreicht. Im Zusammenhang mit den gestiegenen Militärausgaben erhöhten sich die Investitionen, aber auch der private Konsum stieg dank höherer Reallöhne und Sozialleistungen. Allerdings zeigen sich Engpässe am Arbeitsmarkt, weil seit Beginn des Krieges viele Arbeitskräfte in die Armee eingezogen wurden oder das Land verlassen haben, um dem Kriegsdienst zu entgehen.
Dennoch erweist sich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung als robust. Die IWF-Prognose geht von einem Anstieg von -2,1 % im Jahr 2022 auf 2,2 % im Jahr 2023 aus, mit einer Aufwärtskorrektur von 0,7 Prozentpunkten für 2023. Für 2024 werden 1,1 % Wachstum erwartet, was einer Korrektur um -0,2 Prozentpunkte entspricht. Die OECD sieht dagegen nur 0,8 % in diesem und 0,9 % Wachstum im nächsten Jahr, hat damit aber ihre bisher noch geringeren Erwartungen um 2,3 bzw. 1,3 Prozentpunkte erhöht. Der Wachstumsanstieg – wie hoch er letztlich auch ausfallen mag – spiegelt einen erheblichen fiskalischen Stimulus, starke Investitionen und einen robusten Konsum vor dem Hintergrund eines angespannten Arbeitsmarktes wider. Bei der Interpretation ist allerdings weiter Vorsicht geboten. Insbesondere sind diese nur bedingt geeignet, Aussagen zur Wirksamkeit der gegen Russland verhängten Sanktionen zu treffen. Das Wachstum wird zu großen Teilen durch die Produktion militärischer Güter getrieben, die der Bevölkerung nicht zugutekommen.
Die lateinamerikanischen Volkswirtschaften bieten ein uneinheitliches Bild. Kräftig expandiert zurzeit die brasilianische Wirtschaft, gleichzeitig ist der Preisauftrieb in den vergangenen Monaten stark abgeflaut. Die Zentralbank hat vor diesem Hintergrund seit August begonnen, den Leitzinszu senken; den ersten drei Schritten um je 0,5 Prozentpunkte auf 12,25 % könnten weitere folgen. Demgegenüber hat Argentinien mit einer galoppierenden Inflation und rezessiven Tendenzen zu kämpfen. Die Konjunktur schwächelte zuletzt auch in Chile, Peru und Kolumbien. Der IWF erwartet für Lateinamerika und die Karibik einen Rückgang des Wachstums von 4,1 % im Jahr 2022 auf 2,3 % in den Jahren 2023 und 2024, wobei die Prognosen für 2023 und 2024 um 0,4 bzw. 0,1 Prozentpunkte nach oben korrigiert wurden. Die Aufwärtskorrektur für 2023 reflektiert das unerwartet starke Wachstum in Brasilien, das um 1,0 Prozentpunkte auf 3,1 % nach oben korrigiert wurde, was auf die dynamische Landwirtschaft und die robusten Dienstleistungen in der ersten Jahreshälfte 2023 zurückzuführen ist. Die OECD erwartet für Brasilien in diesem Jahr 3,2 und im nächsten Jahr 1,7 %, was Aufwärtskorrekturen um 1,5 und 0,5 Prozentpunkte entspricht.
Für die afrikanischen Länder südlich der Sahara prognostiziert der IWF einen Rückgang des Wachstums auf 3,3 % in diesem Jahr, bevor es sich auf 4,0 % im Jahr 2024 erhöht, wobei die Prognosen für 2023 und 2024 um 0,2 bzw. 0,1 Prozentpunkte nach unten korrigiert wurden und das Wachstum unter dem historischen Durchschnitt von 4,8 % bleibt. Der prognostizierte Rückgang wird mit einer Verschärfung von Unwetterereignissen, globaler Konjunkturabschwächung und inländischen Versorgungsproblemen, insbesondere bei der Stromversorgung, begründet. Das Wachstum in Nigeria sieht der IWF auf 2,9 % in 2023 und 3,1 % im Jahr 2024 zurückgehen. Die Prognose für 2023 wurde um 0,3 Prozentpunkte nach unten korrigiert, da die Öl- und Gasproduktion schwächer als erwartet ausfiel, was teilweise auf Wartungsarbeiten zurückzuführen sei. In Südafrika wird mit einem Rückgang des Wachstums von 1,9 % im Jahr 2022 auf 0,9 % im Jahr 2023 gerechnet, wobei der Rückgang auf die Stromknappheit zurückgehe, wenngleich die Prognose um 0,6 Prozentpunkte nach oben korrigiert wurde, da die Stromknappheit im zweiten Quartal 2023 geringer als erwartet ausfiel.
Die jüngsten Einschätzungen zur Entwicklung der Weltwirtschaft und ihrer regionalen Komponenten seitens IWF (10.10.) und OECD (19.09.) sind in Tabelle 1 zusammengefasst. Zudem sind die Korrekturen gegenüber den jeweils vorhergehenden Prognosen aus dem Juli (IWF) und Juni (OECD) dargestellt.
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