IN KÜRZE

Die EZB hat ihre Leitzinsen unverändert gelassen und weitere Schritte zur Verkürzung ihrer Bilanz angekündigt. 2025 rechnet die EZB mit durchschnittlich 2,1 % Inflation. Die Finanzierungsbedingungen für private Haushalte, Unternehmen und Staaten entspannen sich langsam wieder; die Zinsen haben ihren Zenit überschritten. Der Euro notiert seit Jahresbeginn 2023 gegenüber dem US-Dollar leicht im Plus, hat gegen das britische Pfund leicht ab- und gegen den Yen aufgewertet.

INFLATION

Die Inflation in der Eurozone fiel in den letzten drei Monaten weiter. Von Oktober bis Dezember stieg das allgemeine Preisniveau durchschnittlich „nur noch“ um 2,7 % gegenüber dem Vorjahr. Das Spektrum der Raten der einzelnen Euroländer variiert bei einer Amplitude von durchschnitt- lich rund 8 Prozentpunkten in den letzten drei Monaten – von zuletzt 0,5 % in Italien bis 6,6 % in der Slowakei (Abb. 1).1 Während die Energiepreise im letzten Quartal durchschnittlich um 9,8 % fielen, stiegen die Lebensmittelpreise im selben Zeitraum weiter um 6,8 %. Die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel, fiel im selben Zeitraum auf zuletzt 3,4 %.

Turnusgemäß hat die Notenbank am 14.12.23 auch neue Konjunkturprognosen für die Eurozone präsentiert. Diese fallen leicht pessimistischer aus als die letzten im Juni. Die EZB prognostiziert der Eurozone 2023 0,6 % Wachstum, 2024 0,8 %, und 1,5 % für 2025 und 2026. Bei der Inflation erwartet die EZB für dieses Jahr 2,7 %, für 2025 2,1 % und sogar 1,9 % für 2026. Für die Kerninflation – also ohne die stark schwankenden Preise für Lebensmittel und Energie – erwartet die EZB dieses Jahr 2,7 %, nächstes Jahr 2,3 % und 2026 2,1 %. EZB-Direktoriumsmitglied Schnabel wies am 04.12.23 darauf hin, dass man mit Blick auf die Inflation zunächst noch einmal einen „uptick over the coming months“ erwarte (u. a. wegen Basiseffekten) und dass man abwarte, ob der Abwärtstrend nachhaltig sei (hier seien vor allem die Lohnstückkosten entscheidend). Die „letzte Meile“ beim Kampf gegen die Inflation sei „unsicherer, langsamer und holpriger“.

Abbildung 1: Blick zurück; Abbildung 2: Blick nach vorne Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Die EZB hat am 14.12.23 wie erwartet die Zinsen unverändert belassen. Die Leitzinsen betragen weiter 4,50 % für Hauptrefinanzierungsgeschäfte, 4,75 % für den Spitzenrefinanzierungssatz und 4,00% bei der Einlagefazilität. Außerdem hat EZB-Präsidentin Lagarde erneut signalisiert, dass das aktuelle Zinsniveau voraussichtlich ausreiche, um die Inflation auf das 2 %-Ziel zu bringen. Künftige Entscheidungen treffe man weiter datenabhängig. Die nächste Zins- entscheidung ist am 25.01.24.

Wertpapierbestände und Bilanznormalisierung:

  • Die Bestände des regulären Ankaufprogramms APP (3.026 Milliarden Euro/44 % der EZB-Bilanz) schrumpfen weiter, nachdem die EZB im Sommer hier die Reinvestitionen fällig werdender Posten eingestellt hatte.
  • Die Bestände des Notfallprogramms PEPP (1.666 Milliarden Euro/24 % der EZB-Bilanz) blieben zuletzt kon- stant. Aber: Hier „intendiert“ die EZB nun, in der ersten Hälfte 2024 noch alle fällig werdenden Posten (ca. 15 Milliarden Euro/Monat) zu reinvestieren, diese aber dann in der zweiten Jahreshälfte auf 7,5 Milliarden Euro/Monat zu halbieren. Ab 2025 sollen die PEPP-Reinvestitionen eingestellt werden, sodass auch das PEPP dann auszulaufen beginnt. Dies entspricht einer leichten Straffung der Geldpolitik. Die EZB nutzt PEPP- Reinvestitionen „flexibel“, kauft also Staatsanleihen bestimmter Euroländer bevorzugt an – bislang vor allem italienische und EU-Anleihen, dafür relativ wenige deutsche und niederländische. Dies tut sie, um eine Fragmentierung zu verhindern, also das zu starke Auseinanderdriften der Spreads (Zinsaufschlag gegenüber Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit) von Euroländern.
  • Ferner verzeichnet die EZB weiter zunehmende vorzeitige Rückzahlungen der vergünstigten Kredite an den Bankensektor, den TLTROs. Letztere machen derzeit noch 1.149 Milliarden Euro aus (17 % der EZB-Bilanz). Anfang 2023 hatte die EZB hier die Zinsen dem Marktzins angepasst, also erhöht. Auch dies lässt die EZB- Bilanz weiter schrumpfen.
  • Frau Schnabel unterstrich am 04.12.23, dass die EZB dauerhaft ein „strukturelles“ Portfolio halten werde und möglicherweise auch neue vergünstigte Langfristkredite an Banken in Erwägung ziehe, sodass die EZB- Bilanz künftig zwar „viel größer“ als vor der Finanzkrise 2008 (EZB-Bilanz im August 2008: 1.449 Milliarden Euro), aber „viel kleiner“ als jetzt sein werde. Die EZB- Bilanz ist mit aktuell 6.935 Milliarden Euro etwa 21 % kleiner als zum Höhepunkt im Mai 2022.
ABB. 3: EZB-BILANZ Bild vergrößern

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die nominalen Kreditzinsen sind aktuell teilweise höher als in Zeiten der Staatsschuldenkrise vor 13 Jahren – scheinen aber ihren Zenit hinter sich gelassen zu haben. Unter- nehmen zahlten im letzten Quartal durchschnittlich 5,2 % Zinsen in der Eurozone insgesamt und 5,4 % in Deutschland. Im gleichen Zeitraum zahlten private Haushalte für einen Immobilienkredit 3,9 % in der Eurozone und 4,0 % in Deutschland (Abb. 4).

ABB. 4: ZINSEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR PRIVATE HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen der Eurozone sind binnen der letzten drei Monate wieder um rund 75 Basispunkte gefallen, Gleiches gilt in geringerer Intensität für die Spreads gegenüber Bundesanleihen. Deutsche Bun- desanleihen notierten zuletzt um 2,1 % (Abb. 5).
Die höchsten Zinsen gibt es bei italienischen Staatsanleihen; sie lagen zuletzt bei 3,7 % mit einem Spread zu Deutschland von 164 Basispunkten. EU- Anleihen (hier für NGEU) rentierten zuletzt bei 2,8 % mit einem Spread von 70 Basispunkten.

ABB. 5: ZINSEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Die ausstehende Menge von Krediten an Haushalte wuchs von Juli bis September (letzter Datenpunkt) um durch- schnittlich 0,2 % in der Eurozone und 1,4 % in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr. Die Kreditmenge an Unternehmen wuchs um 1,4 % in der Eurozone und 2,5 % in Deutschland. Damit hat sich das Wachstum der Kredit- menge deutlich gegenüber 2022 verlangsamt (Abb. 6).

ABB. 6: KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Banken der Eurozone haben angesichts der Leitzins- erhöhungen große Teile ihrer Überschussreserven – also Einlagen von Kreditinstituten auf Zahlungsverkehrskonten bei der Zentralbank, die über das Mindestreservesoll hinausehen – in die nun wieder positiv vergütete Einlagefazilität verschoben. Dort hielten Banken zuletzt etwa 3.537 Milliar- den Euro (Abb. 7).

ABB. 7: LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern


Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurz- fristigen Liquiditätsbedarf decken, scheinen die Zinsen ebenfalls ihren Zenit überschritten zu haben. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von drei Monaten) notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 3,9 % (Abb. 8). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instru- menten für die gleiche Laufzeit schwankte seit Jahreswech- sel wieder weniger und notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 0,1 %.

ABB. 8: GELDMARKT Bild vergrößern

WECHSELKURSE


Der Euro steht im Vergleich zum Jahresbeginn 2023 gegenüber dem US-Dollar mit 3 % im Plus und notierte bei zuletzt 1,10 US-Dollar pro Euro. Gegenüber dem britischen Pfund hat der Euro seit Jahresbeginn 2023 2 % abgewertet und notierte zuletzt bei 0,86 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn 2023 rund 14 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 158 Yen pro Euro (Abb. 9).

ABB. 9: WECHSELKURSE Bild vergrößern