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50 Jahre Monopolkommission – Mehr Wettbewerb ist immer möglich!
Einleitung
Wir werden die wissenschaftlichen Beratungsgremien der Bundesregierung nach dem Vorbild der Monopolkommission stärken und deren Unabhängigkeit garantieren.
Diese Passage aus dem Koalitionsvertrag von 2021 zeigt, welchen Wert eine unabhängige und kritische Beratung für die Politik hat. Die fünfköpfige Monopolkommission hat in ihrer Geschichte durch über hundert Haupt-, Sektor- und Sondergutachten die Wettbewerbssituation in Deutschland analysiert und mit ihren Empfehlungen die deutsche Wirtschaftspolitik maßgeblich geprägt. Die Monopolkommission nahm ihre Arbeit im Jahr 1974 auf, nachdem ein Jahr zuvor mit der zweiten Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ihre Grundlagen gesetzlich verankert worden waren. Das erste Hauptgutachten trug den Titel „Mehr Wettbewerb ist möglich“ (1976). Dieser Titel ist bis heute Leitbild für die Arbeit der Kommission, die in diesem Jahr ihr fünfzigjähriges Bestehen feiert.
Die Kommission und ihr Auftrag
Funktionierender und fairer Wettbewerb ist eine wesentliche Voraussetzung für Wohlstand, Beschäftigung, sozialen Zusammenhalt und ökologische Nachhaltigkeit. Wettbewerb ist ein zentraler Bestandteil unserer sozial-ökologischen Marktwirtschaft. Er sorgt für niedrigere Preise, höhere Produktqualität und mehr Auswahl. Davon profitieren Verbraucherinnen und Verbraucher ebenso wie Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen nachfragen. Wettbewerb führt zu mehr Investitionen und trägt auch dazu bei, dass Unternehmen innovative und zugleich klima- und umweltfreundliche Technologien hervorbringen. Intensiverer nationaler Wettbewerb führt zu einer verbesserten internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft und ihrer Unternehmen.
Die Monopolkommission ist ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung und der gesetzgebenden Körperschaften. Sie berät gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag zu Wettbewerbspolitik, Wettbewerbsrecht und Regulierung. Ihre Empfehlungen veröffentlicht sie seit ihrer Gründung alle zwei Jahre in so genannten Hauptgutachten, die neben der Würdigung der kartellrechtlichen Entscheidungspraxis der Kartellbehörden und -gerichte auch die Analyse der Unternehmenskonzentration und -entwicklung in Deutschland umfassen.
Die Bundesregierung hat bei Anträgen auf Ministererlaubnis, also auf Genehmigung eines vom Bundeskartellamt untersagten Unternehmenszusammenschlusses, eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen. Bisher gab es 23 solcher Anträge, erstmals im Jahr 1975.
Im Laufe der Jahre erhielt die Monopolkommission weitere gesetzliche Aufträge zur regelmäßigen Erstellung von Sektorgutachten, erstmals in den Bereichen Post und Telekommunikation (seit 1999), später auch in den Sektoren Bahn und Energie (seit 2007). Hinzu kommen zahlreiche Sondergutachten, die die Monopolkommission zu aktuellen wettbewerbspolitischen Fragestellungen erarbeitet hat. Von der „Konzeption einer europäischen Fusionskontrolle“ (1989) über „Die Buchpreisbindung in einem sich ändernden Marktumfeld“ (2018) bis zur „Krankenhausversorgung nach Corona: Wettbewerb, Planung und Finanzierung neu organisieren“ (2022) – die Monopolkommission hat sich im Lauf der Jahrzehnte mit zahlreichen und sehr unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaft und Gesellschaft befasst.
Mit den letzten beiden Novellen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in den Jahren 2021 und 2023 hat die Monopolkommission weitere, neue Aufgaben bekommen. Zum einen kann der Bundesgerichtshof in bestimmten Verfahren gegen große Digitalunternehmen, in denen er in erst- und letztinstanzlicher Funktion entscheidet, eine Stellungnahme der Monopolkommission anfordern. Zum anderen muss das Bundeskartellamt der Monopolkommission vor dem Erlass kartellbehördlicher Entflechtungsverfügungen Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Außerdem hat die Monopolkommission das Recht erhalten, innerhalb ihrer Gutachten Sektoruntersuchungen des Bundeskartellamtes zu initiieren.
Bedeutung der Kommission für wettbewerbliche Strukturen
Die Haupt- und Sondergutachten sowie die Sektorgutachten und sonstige Stellungnahmen der Monopolkommission sind seit nunmehr 50 Jahren fester Bestandteil der wettbewerbspolitischen und kartellrechtlichen Diskussion. Die Monopolkommission setzt sich kritisch mit dem Verhalten von Unternehmen und Branchen, aber auch mit Entscheidungen der Kartellbehörden und -gerichte sowie der Bundesregierung und des Gesetzgebers auseinander. Der Gesetzgeber hat der Stimme der Monopolkommission eine besondere Bedeutung verliehen: Die Bundesregierung hat die Gutachten der Monopolkommission unverzüglich nach Veröffentlichung dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat vorzulegen. Zudem ist sie verpflichtet, sich mit den Vorschlägen der Monopolkommission auseinanderzusetzen und zu den Haupt- und Sektorgutachten Stellung zu nehmen. Diese Auseinandersetzung erfolgt selbstverständlich auch dann, wenn die Monopolkommission Kritik an den Entscheidungen der Bundesregierung übt.
Die Vorschläge und Empfehlungen der Monopolkommission werden zunächst vom zuständigen Bundesministerium und dann innerhalb der Bundesregierung intensiv geprüft, erörtert und abgewogen. In den Stellungnahmen der Bundesregierung zu den Gutachten der Monopolkommission wird das Ergebnis dieser intensiven Prüfung dargelegt und ausführlich begründet. Die Stellungnahmen werden vom Bundeskabinett beschlossen und wiederum dem Deutschen Bundestag und dem Bundesrat vorgelegt. Die Empfehlungen der Monopolkommission sind bereits in vielen Fällen in das Regierungshandeln eingeflossen. Beispielsweise hat die Bundesregierung die Empfehlungen der Monopolkommission in den Sektorgutachten Post „Wettbewerb mit neuem Schwung“ (2021) und „Postwesen durch Wettbewerb erneuern!“ (2023) bei dem Entwurf für die Novelle des Postgesetzes berücksichtigt. Diese hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgelegt und die Novelle wurde am 20. Dezember 2023 vom Bundeskabinett beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, auch in Zukunft flächendeckend angemessene und ausreichende Postdienstleistungen zu gewährleisten, den fairen Wettbewerb zu stärken, angemessene Arbeitsbedingungen zu fördern und Anreize für einen ökologisch nachhaltigen Postsektor zu setzen. So wird der Wettbewerb insbesondere bei kleinformatigen Warensendungen gestärkt, was auch die Monopolkommission gefordert hatte.
Nicht alle Vorstellungen der Monopolkommission werden eins zu eins umgesetzt, die Bundesregierung bezieht die Empfehlungen aber mit in ihre Arbeit ein. So plädierte die Monopolkommission in ihren jüngsten Sektorgutachten Bahn für eine eigentumsrechtliche Entflechtung der Deutschen Bahn AG, um Anreize für eine bestmögliche Auslastung der Schieneninfrastruktur zu setzen. Als „Second Best-Lösung“ sieht die Monopolkommission die interne Herauslösung einer gemeinwohlorientierten Infrastruktursparte an, um „ein qualitativ hochwertiges und stabiles Netz [zu schaffen], das sich an den Kundenbedürfnissen orientiert“. Die Bundesregierung ist diesen Schritt mit der Gründung der „InfraGO“ am 1. Januar 2024 gegangen, die aus den bisherigen Infrastruktureinheiten DB Netz AG und DB Station & Service AG hervorgegangen ist.
Auch neue Märkte – z. B. der für Ladestrom für Elektroautos – rückten früh in den Fokus der Kommission, um schon von Anfang an wettbewerbliche Strukturen und faire Marktbedingungen zu fördern. So hat die Monopolkommission im 7. und 8. Sektorgutachten Energie (2019 und 2021) den Bedarf an „Konkurrenz von Betreibern der Ladesäulen“ betont. Die Bundesregierung setzte an vielen Stellen im „Masterplan Ladeinfrastruktur II der Bundesregierung“ auf wettbewerbliche Strukturen bei dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität. Im 9. Sektorgutachten Energie (2023) hat die Monopolkommission wettbewerbspolitische und kartellrechtliche Aspekte beim Aufbau und insbesondere bei der Förderung öffentlicher Ladeinfrastruktur betont, was von der Bundesregierung geteilt wird. Der Entstehung lokaler Marktmacht einzelner Anbieter sollte von Anfang an entgegengewirkt werden, damit das Preisniveau nicht ungünstig beeinflusst wird und sich keine lokalen Gebietsmonopole entwickeln.
Zusammensetzung der Kommission und ihre Unabhängigkeit
Die Monopolkommission arbeitet unabhängig. Das Gremium umfasst fünf Mitglieder, die über besondere volkswirtschaftliche, betriebswirtschaftliche, sozialpolitische, technologische oder wirtschaftsrechtliche Kenntnisse und Erfahrungen verfügen. Dabei sind nicht nur Mitglieder aus akademischen Institutionen vertreten, sondern auch Unternehmerinnen und Unternehmer, die die Arbeit der Kommission mit wertvollen Impulsen aus der Unternehmenspraxis bereichern. Die Mitglieder werden von der Bundesregierung vorgeschlagen und vom Bundespräsidenten für vier Jahre berufen. Sie wählen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden, der die Monopolkommission nach außen vertritt. Seit September 2020 hat Prof. Dr. Jürgen Kühling diese Funktion inne, der zum 30. Juni 2024 seine Arbeit in der Monopolkommission beenden wird. Neues Mitglied wird der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Rupprecht Podszun. Unterstützt wird die Monopolkommission durch eine Geschäftsstelle.
Die Inhalte der Gutachten, sonstigen Stellungnahmen und die Empfehlungen obliegen ausschließlich der Entscheidung der Monopolkommission. Aufgrund dieser besonderen Stellung ist das Gremium in der Lage, auch unbequeme Meinungen zu vertreten und Entscheidungen bzw. das Vorgehen von Unternehmen, Politik und Behörden offen kritisch zu hinterfragen. So warf die Monopolkommission den Banken im fünften Sondergutachten „Zur Entwicklung der Fusionskontrolle“ (1977) im Kontext der Fusion des Versandhandels Neckermann und der Warenhauskette Karstadt (1976) vor, Druck auf das Bundeskartellamt ausgeübt zu haben. Die Monopolkommission wiederholte hier ihre Kritik aus dem ersten Hauptgutachten an der Fusionskontrolle des Bundeskartellamtes. Sie habe „ihr Ziel nur unvollkommen erreicht, wirtschafts- und gesellschaftspolitisch bedeutende Zusammenschlüsse zu verhindern“.
Vier Jahrzehnte später, im Jahr 2015, kritisierte die Monopolkommission die Ministererlaubnis der Fusion der Handelsunternehmen Edeka und Kaiser‘s Tengelmann. Entgegen der Entscheidung des Bundeskartellamtes, diese zu untersagen, und einer entsprechenden Empfehlung der Kommission, erlaubte der damalige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel den Zusammenschluss unter bestimmen Auflagen mit dem Ziel, Arbeitsplätze zu sichern. Der damalige Vorsitzende der Monopolkommission, Prof. Dr. Daniel Zimmer, legte daraufhin sein Amt als Vorsitzender und sein Mandat als Mitglied der Kommission nieder. In seiner persönlichen Presseerklärung beurteilte er die Entscheidung des Bundesministers „unter Gemeinwohlgesichtspunkten als die schlechteste aller Lösungen“.
Dank und Anerkennung
Die großen wirtschaftspolitischen Herausforderungen unserer Zeit erfordern umso mehr die Stärkung des Wettbewerbs als Garant für unternehmerischen und gesamtwirtschaftlichen Erfolg. Die gegenwärtig schwierige geopolitische Lage sowie die notwendige klimaneutrale und digitale Transformation verlangen eine fundierte und ungeschönte wettbewerbspolitische Analyse. Die Arbeit der Monopolkommission ist daher auch in Zukunft von immenser Bedeutung.
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Referat: IB2 – Verbraucherpolitik, wettbewerbspolitische Fragen in verbraucherrelevanten Bereichen