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Wie aus vorwettbewerblicher Forschung Innovationen im Mittelstand entstehen
Einleitung
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat die Förderung der Industrieforschung insgesamt modernisiert. Zu diesem Zweck hat das BMWK die Innovationsförderprogramme „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ (IGF) und „Innovationskompetenz mit gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen“ (INNO-KOM) verlängert und Anfang des Jahres 2023 neu aufgesetzt.
In der IGF wird künftig noch mehr Fokus auf die Beteiligung der Wirtschaft und insbesondere von kleinen Unternehmen gelegt. So soll das Interesse der Wirtschaft am Projektthema weiter gestärkt werden. Außerdem ist das BMWK offen für neue Mitspielerinnen und Mitspieler für die IGF. Die Autorisierung neuer wirtschaftsgetragener Forschungsvereinigungen könnte neue Perspektiven und Forschungsthemen für das seit Jahrzehnten bestehende und erfolgreiche Innovationsförderprogramm mit sich bringen.
Ziel des BMWK ist es, durch diese Industrieforschung für den Mittelstand auch in Zukunft die Innovationsfähigkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) zu stärken und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten.
Die Programme IGF und INNO-KOM sind branchen-, technologie- und themenoffen. Die Akteurinnen und Akteure entscheiden im Wesentlichen selbst, auf welchen zukunftsträchtigen Technologiefeldern sie forschen wollen. Dieses Bottom-up-Prinzip sorgt über unterschiedliche Anwendungsfelder hinweg für eine schnelle Ausbreitung und Absorption von Trends aus der Grundlagenforschung in die Breite der anwendungsnahen Forschung.
Die Programme IGF und INNO-KOM sind vorwettbewerblich, d. h. die Forschungsergebnisse werden veröffentlicht. Alle Unternehmen können sie für eigene Anwendungen nutzen. Auf diese Weise erzielen beide Programme eine große Hebelwirkung. Insbesondere KMU, die sich keine eigene Forschung leisten können, erhalten so Zugang zu praxisorientierter Forschung.
Unterschiedliche Adressatinnen und Adressaten in IGF und INNO-KOM
Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Programmen liegt in erster Linie im Adressatenkreis: In der IGF sind ausschließlich so genannte Forschungsvereinigungen (Zusammenschlüsse von Unternehmen und Forschungseinrichtungen) antragsberechtigt. In den Forschungsvereinigungen steht der Netzwerkgedanke im Vordergrund. Regelmäßig sind Unternehmen, insbesondere KMU, an der Ideenfindung und Auswahl der beantragten Projekte beteiligt. Die Vorhaben führen Universitäten, gemeinnützige oder außeruniversitäre Forschungseinrichtungen im Auftrag der Forschungsvereinigungen durch. In so genannten Projektbegleitenden Ausschüssen wirken die Unternehmen darauf hin, dass sich das Projekt an den Bedürfnissen der KMU orientiert. Durch die Arbeit in den Forschungsvereinigungen und den Projektbegleitenden Ausschüssen können auch KMU über die Projekte selbst hinaus ein Netzwerk aufbauen.
Im Programm INNO-KOM sind hingegen rechtlich selbstständige gemeinnützige Forschungseinrichtungen antragsberechtigt. Diese dürfen weder Teil einer Hochschule sein noch zu mehr als 20 Prozent institutionell gefördert werden. Ihr Hauptsitz oder eine eingetragene Zweigniederlassung mit Forschungsbetrieb muss in einer strukturschwachen Region in Deutschland (so genanntes GRW-Gebiet) liegen. Darüber hinaus werden im Programm INNO-KOM nur Forschungseinrichtungen gefördert, die nachweisen können, dass sie die Ergebnisse der Forschungsprojekte hinreichend in kleine und mittlere Unternehmen transferiert haben bzw. transferieren werden.
Beiträge zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz in IGF und INNO-KOM
Mit der Neufassung der Richtlinien (2023) wird in den Zielen beider Programme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die geförderten Vorhaben die Ziele der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie und der Treibhausgasneutralität bis 2045 berücksichtigen sollen.
Bereits derzeit wird in beiden Programmen eine Reihe von Vorhaben in diesen Bereichen durchgeführt. So beschäftigten sich im Jahr 2022 ca. 51 Prozent der IGF-Vorhaben mit Themen des Klimaschutzes und 17 Prozent mit Themen der Energiewende.
Noch höher ist die Quote im Förderprogramm INNO-KOM: Seit dem Neustart der Richtlinie wurden in den Forschungs- und Entwicklungsmodulen des Programms ausschließlich Vorhaben gefördert, die zur ökologischen Transformation in strukturschwachen Regionen beitragen können.
In der IGF wird die wirtschaftliche Anwendung mitgedacht
Beim Förderprogramm IGF handelt es sich um das größte themenoffene vorwettbewerbliche Innovationsförderprogramm des BMWK. Im Jahr 2024 stehen 180 Millionen Euro für die IGF zur Verfügung.
Antrags- und zuwendungsberechtigt sind zurzeit 101 gemeinnützige, industrielle Forschungsvereinigungen aus verschiedenen Branchen. Von A wie Antriebstechnik über E wie Ernährungsindustrie, M wie Maschinenbau und T wie Textil bis Z wie Ziegelindustrie: Die inhaltliche Spannbreite der Forschungsvereinigungen ist sehr weit.
Das Potenzial der Projektanträge bewerten sieben thematisch differenzierte Begutachtungsgruppen u. a. anhand der Beurteilungskriterien KMU-Relevanz und Umsetzbarkeit bzw. Transfer der Ergebnisse. Das Begutachtungsverfahren sorgt dafür, dass nur die besten Anträge zur Förderung ausgewählt werden und einen nicht rückzahlbaren Zuschuss erhalten.
Jährlich werden durchschnittlich 400 Vorhaben bewilligt. Damit laufen derzeit insgesamt rund 1600 IGF-geförderte Forschungsprojekte mit einem durchschnittlichen Volumen von ca. 400.000 Euro und einer Laufzeit von bis zu drei Jahren.
Neben dem IGF-Normalverfahren gibt es Fördervarianten. So steht die Fördervariante CORNET für „Collective Research Networking“, also die Vernetzung von nationalen und regionalen Programmen der Gemeinschaftsforschung. An CORNETsind Ministerien und Projektträger aus derzeit 14 Ländern bzw. Regionen beteiligt: Belgien (Wallonien und Flandern), Brasilien, Deutschland, Japan, Kanada (Québec), Niederlande, Österreich, Peru, Polen, Schweiz, Taiwan, Tschechische Republik und Türkei.
Im Rahmen der Fördervariante „Leittechnologien für KMU“ für systemrelevante, breit angelegte Vorhaben finden regelmäßig gesonderte Förderaufrufe für Projekte der Energiewende statt.
Neuaufstellung der Industriellen Gemeinschaftsforschung
Die neue Förderrichtlinie der IGF wurde am 29.12.2022 im Bundesanzeiger veröffentlicht und gilt von 2023 bis 2026. Die wichtigsten Neuerungen sind:
Der Kreis der Antragsberechtigten für IGF-Fördermittel wurde geöffnet. Das heißt: Seit dem 1. Januar 2024 können sich, über die derzeit antragsberechtigten 101 Forschungsvereinigungen hinaus, die zum 31.12.2023 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. (AiF) sein mussten, auch andere wirtschaftsgetragene Forschungsvereinigungen für das Programm autorisieren lassen. Hierzu müssen sie, wie auch die bisher antragsberechtigten Forschungsvereinigungen mit einer Übergangsfrist bis zum 1. Januar 2026, die in der Anlage zur Richtlinie beschriebenen Qualitätsstandards erfüllen.
Es wird ein stärkerer Fokus auf die Partizipation von kleinen Unternehmen gelegt. So wird für die Mindestquote der Mitarbeit der KMU in den Projektbegleitenden Ausschüssen künftig die KMU-Definition der EU verwendet. Größere Unternehmen können sich über die Mindestquote hinaus aber trotzdem weiterhin an den Projekten beteiligen.
Die Höhe des Eigenanteils der Wirtschaft soll mindestens 10 Prozent der Zuwendungssumme betragen. Dieser neu in die Richtlinie aufgenommene Sollwert dient dazu, das Engagement der Wirtschaft noch stärker sicherzustellen.
Forschungsprojekte gemeinnütziger Forschungseinrichtungen in strukturschwachen Regionen
Das Programm INNO-KOM ist besonders auf die Bedürfnisse von Regionen mit geringerer Wirtschaftskraft beziehungsweise Strukturschwäche ausgerichtet. Diese Regionen sind regelmäßig stark mittelständisch und durch Kleinstunternehmen geprägt. Die gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen spielen hier als Forschungs- und Entwicklungsdienstleisterinnen für mittelständische Unternehmen und als Wissens-Transformatorinnen eine wichtige Rolle. So gaben bei der im Jahr 2021 durchgeführten Evaluation des Programms zwei Drittel der befragten und mit den geförderten Forschungseinrichtungen zusammenarbeitenden KMU an, wegen knapper personeller und finanzieller Ressourcen über keine eigene Forschungs- und Entwicklungseinheit zu verfügen. 82 Prozent der KMU nannten die fehlenden Kapazitäten als wichtigen Grund für die Kooperation mit den geförderten Forschungseinrichtungen.
Das BMWK fördert die Projekte der Forschungseinrichtungen im Programm INNO-KOM in drei Modulen: Forschungs- und Entwicklungsprojekte der Vorlaufforschung (VF), Projekte der marktorientierten Forschung und Entwicklung (MF) und auch investive Maßnahmen zur Verbesserung der wissenschaftlich-technischen Infrastruktur (IZ). Durchschnittlich bezuschusst das BMWK jährlich 236 solcher Vorhaben. Im Förderprogramm „INNO-KOM“ stehen 73 Millionen Euro im Jahr 2024 zur Verfügung.
Damit der Technologie- und Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis gelingt, bietet der INNO-KOM Innovationskatalog (https://www.innovationskatalog.de) einen Überblick über geförderte Institute und Projekte aus verschiedenen Forschungsgebieten. Mittelständische Unternehmen können auf diesem Weg einen passenden Forschungspartner oder Projektergebnisse finden.
Neuerung im Programm INNO-KOM
Am 02.02.2023 ist die neue Richtlinie des Förderprogramms INNO-KOM („Richtlinie zur Förderung der Innovationskompetenz mit gemeinnützigen Industrieforschungseinrichtungen“) in Kraft getreten.
Mit der neuen Richtlinie hat das BMWK insbesondere die Kooperationsmöglichkeiten gerade auch für sehr kleine Forschungseinrichtungen erweitert, um die themen- und fachübergreifende Zusammenarbeit zu stärken
Außerdem müssen die Antragstellenden seit dem Start der neuen Richtlinie mögliche Auswirkungen der Vorhaben prüfen und angeben, ob und wie das Vorhaben zur Dekarbonisierung, zum Klimaschutz, zur Ressourceneffizienz oder zur Nachhaltigkeit in strukturschwachen Regionen beitragen kann. Bei gleicher Qualität haben Vorhaben Vorrang, die diese Themen behandeln.
Paxisbeispiele IGF
Seltene Erden aus verbrauchten Magneten
Die Rückgewinnung von Seltenen Erden aus Altmagneten stellt einen Ansatz dar, um den Rohstoffmangel durch Recycling auszugleichen.
Im Rahmen eines IGF-Forschungsvorhabens haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling an der RWTH Aachen (IME) einen kombinierten hydro- (elektrochemisches Abscheiden) und pyrometallurgischen (Aufschmelzen) Prozess entwickelt, der auf einer ultraschallunterstützten selektiven Auslaugung basiert.
Zu den Zielgruppen zählen u. a. die Fertigungsbranchen der Metall-, Elektro- und Maschinenbauindustrie und die Recyclingtechnik. Weiterführende Informationen finden Sie hier:
Weniger Heizen durch infrarot-reflektierende Möbel
Ein Forschendenteam des Sächsischen Textilforschungsinstituts e. V. an der Technischen Universität Chemnitz, des Instituts für Holztechnologie Dresden gemeinnützige GmbH und der Materialforschungs- und -prüfanstalt an der Bauhaus-Universität Weimar will das Reflektieren der Wärme in Wohnräumen optimieren und damit deren Wirkungsgrad erheblich erhöhen.
Im Rahmen ihres IGF-Projektes wurden infrarot-reflektierende Beschichtungsmatrices für Möbel, Vorhänge, Tischtücher und andere Wohntextilien, Laminat und Parkett oder auch Wand- und Deckenverkleidungen entwickelt.
Das vom Kunststoffzentrum Leipzig gGmbH (KUZ) entwickelte Upcycling-Verfahren für den 3D-Druck ermöglicht eine Wiederverwendung von Druckabfällen wie Altpulver und Fehldrucke, die ein Qualitätsniveau wie Neuware aufweisen. Durch eine erneute Nutzung von Abfallmaterialien kann eine hohe Ressourcen- und Materialkosteneinsparung erzielt werden.
Zu den Zielgruppen der Entwicklung zählt die gesamte Branche der additiven Fertigung. In dieser Sparte ist ein steigender Bedarf an recycelten und anwendungsoptimierten 3D-Druckmaterialien zu verzeichnen, um die Reduzierung der Materialkosten voranzubringen.
Weitere Details zum Projekt sind im INNO-KOM Innovationskatalog abrufbar:
Bio-Schmelzklebstoffe auf Basis von Polymilchsäure
Das Thüringische Institut für Textil- und Kunststoff-Forschung e.V. (TITK) entwickelte einen biobasierten Schmelzklebstoff auf Basis von Polymilchsäure und ausgewählten biobasierten Harzen, Weichmachern und Wachsen. Die Entwicklung leistet damit einen Beitrag zur Steigerung der Erdölunabhängigkeit und zu mehr Nachhaltigkeit im Bereich des Klebens.
Der biobasierte Schmelzklebstoff bietet verschiedenen Industriezweigen eine biologisch abbaubare Alternative auf der Basis nachwachsender Rohstoffe mit einer großen Hitzestabilität und Haftung auf Holz, Papier und Polyester.
Weitere Details zum Projekt sind im INNO-KOM Innovationskatalog abrufbar: