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Verknüpfung von Personendaten für Wirtschaftsstatistik und Wirtschaftsforschung – Ergebnisse eines Rechtsgutachtens
Einleitung
In Deutschland werden viele Personendaten erhoben, die für die angewandte Forschung und die Wirtschaftsstatistik von großem Interesse sind. Aufgrund teilweise bestehender einzelgesetzlicher Beschränkungen können die an verschiedenen Stellen erhobenen Daten jedoch teilweise nicht miteinander verknüpft werden, wodurch ihre Nutzbarkeit stark eingeschränkt wird. Um auszuloten, welche Regelungen zur rechtssicheren Verknüpfung personenbezogener Daten möglich wären, hat das BMWK ein Gutachten in Auftrag gegeben.1 Es wurde nun veröffentlicht.
Fehlende Daten für die evidenzbasierte Wirtschaftspolitik
In den vergangenen beiden Krisen – der Corona-Krise und der Ukraine-Krise – hat sich gezeigt, dass für viele Analysen relevante Daten in Deutschland derzeit gar nicht oder nur mit größerer Zeitverzögerung zur Verfügung stehen. Dieser Mangel in der Datenverfügbarkeit erschwert die Umsetzung einer evidenzbasierten Wirtschaftspolitik. Die Wirtschaftsstatistik und die Wirtschaftsforschung können auf viele (Mikro-)Daten, die als analytische Grundlage für wirtschaftspolitische Entscheidungen wichtig sind, nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zugreifen. So musste die Ministerialbürokratie lange nach einer Lösung suchen, um die Daten aus den Corona-Hilfsprogrammen zu Evaluierungszwecken nutzen zu dürfen. Aus diesem Grund liegen bisher noch keine Evaluierungsergebnisse für die Corona-Hilfsmaßnahmen für Deutschland vor und somit fehlt es bisher an gesichertem Wissen darüber, ob die Maßnahmen überhaupt wirksam und effektiv waren. Mittlerweile sind zwar die Daten im Grundsatz verfügbar und es wurden Evaluierungsaufträge erteilt. Aus administrativen Gründen werden die Daten jedoch weiterhin noch nicht genutzt.
Mangelnde Datenverknüpfbarkeit ist auch ein Hindernis für evidenzbasierte Arbeitsmarktpolitik. Das zeigt sich etwa bei der Evaluierung des Mindestlohns, die aufgrund fehlender Verknüpfungsmöglichkeiten daran leidet, dass in der Vergangenheit auf Basis administrativer Daten keine Stundenlöhne ermittelt werden konnten, so dass die durch die Einführung oder Erhöhung des Mindestlohns betroffenen Personen in den Daten nicht eindeutig zu identifizieren sind. Aus demselben Grund lassen sich geschlechtsspezifische Lohnunterschiede nur schwer ermitteln. Auch die Frage, wie Frauen und Männer über den Umfang ihres Arbeitsangebots im familiären Kontext entscheiden, lässt sich nur unzureichend beantworten, da administrative Daten keine Auskunft zum familiären Hintergrund (etwa der Anzahl an Kindern im Haushalt) geben.
... und für die Forschung
Unter der ungünstigen Datenlage leiden nicht nur die evidenzbasierte Wirtschaftspolitik und die ihr zugrunde liegende angewandte Wirtschaftsforschung. Auch die Wirtschaftsforschung im Allgemeinen wird dadurch erheblich eingeschränkt. Da Verknüpfungen von Daten aus unterschiedlichen Quellen in Deutschland nicht möglich sind (häufig betrifft dies die Verknüpfung von Daten des Statistischen Bundesamtes mit Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bzw. der Bundesagentur für Arbeit), können viele exzellente Forschungsprojekte nicht umfassend durchgeführt werden. Bei einem gemeinsam mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) durchgeführten Werkstattgespräch wurden einige Projekte vorgestellt, die an den geltenden rechtlichen Vorgaben des Bundesstatistikgesetzes (BStatG) oder anderer gesetzlicher Regelungen gescheitert sind (siehe den unten zitierten Beitrag in den Schlaglichtern der Wirtschaftspolitik, 04/2024).
Es zeigt sich einerseits, dass die Datenlage in Deutschland heterogen ist. So sind beispielsweise im Bereich der Arbeitsmarktstatistik Datenverknüpfungen für die Forschung teilweise zulässig, während diese im Geltungsbereich des BStatG teilweise nicht zulässig sind. Auch zeigt sich, dass in anderen europäischen Ländern, für die derselbe europäische Datenschutzrahmen (DS-GVO) gilt, die Datenverfügbarkeit und die Möglichkeiten der Datenverknüpfung besser sind. So wurden beispielsweise in Frankreich bereits 2022 erste Ergebnisse zur Evaluierung der Corona-Hilfsmaßnahmen vorgelegt. Häufig weichen Forschende, die ihre Methoden gerne auf Deutschland anwenden würden, aufgrund des restriktiven deutschen Datenzugangs auf Daten anderer (europäischer) Länder aus, um Aussagen zu gewinnen. Dies hat den Nachteil, dass Forschungsergebnisse dann häufig nicht auf den institutionellen Rahmen in Deutschland übertragbar sind.
Besonderes Hemmnis: Daten liegen in Silos
Um die Datenverfügbarkeit für die Forschung zu verbessern, sieht der Koalitionsvertrag unter anderem ein Forschungsdatengesetz (FDG) noch in dieser Legislaturperiode vor. Eine interministerielle Arbeitsgruppe (unter Beteiligung des Statistischen Bundesamtes) hat zunächst wesentliche Hürden identifiziert, die für die schlechte Versorgung der Öffentlichkeit mit (wirtschafts-)statistischen Informationen und relevanten Forschungsergebnissen verantwortlich sind. Schwierigkeiten bei der Verknüpfung von teilweise an unterschiedlichen Stellen vorliegenden Daten haben sich dabei als besonders relevanter Faktor herausgestellt. Die AG hat daher beschlossen, dieses Thema tiefer zu prüfen. Das BMWK hat diesen Prüfauftrag für die Wirtschaftsstatistik und Wirtschaftsforschung mit dem jetzt vorliegenden Rechtsgutachten umgesetzt, das der renommierte Experte für Statistik- und Datenschutzrecht Prof. Dr. Jürgen Kühling verfasst hat.
Im Gutachten wird anhand des Beispiels zweier Forschungsprojekte (Arbeitsmarkteffekte von Globalisierung und Digitalisierung sowie Arbeitsangebotsentscheidungen im familiären Kontext) geprüft, welche gesetzlichen Anpassungen konkret nötig wären, um diese Projekte mit deutschen Daten vollständig durchführen zu können. Darüber hinaus hat das Gutachten den rechtlichen Rahmen analysiert, den die Verfassung, deutsche und europäische Gesetze sowie die Rechtsprechung vorgeben und in dem sich Regelungen zur Datennutzung und -verknüpfung für Statistik und Forschung bewegen müssen. Ganz konkret beschreibt das Gutachten anhand der bestehenden Gesetze die derzeitigen Steuerungsvorgaben für die Verarbeitung und Verknüpfung von Daten. Auf Basis dieser Analysen entwickelt das Gutachten konkrete Normvorschläge, wie sie im Bundesstatistikgesetz, in den Sozialgesetzbüchern, der Abgabenordnung und im Forschungsdatengesetz umgesetzt werden könnten, um Datenverknüpfungen forschungs- und statistikfreundlich auszugestalten.
Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der beschriebene Rechtsrahmen nicht zuletzt aufgrund der in der DS-GVO beabsichtigten Privilegierung von Statistik und Forschung umfassende einfachgesetzliche Erlaubnistatbestände für wirtschaftsstatistik- und -forschungsfreundliche Verknüpfungs- und Übermittlungsregelungen ermöglicht. Allerdings seien hierzu klare Vorgaben und prozedurale wie institutionelle Begleitbestimmungen nötig, wie sie üblicherweise in den entsprechenden Regelwerken vorgesehen sind. Das Gutachten verweist darauf, dass gerade Verknüpfungsmöglichkeiten von Datensätzen keineswegs einseitig die Intensität des mit der Erhebung verbundenen staatlichen Eingriffs gegenüber privaten Haushalten und Unternehmen erhöhen, sondern diese zugleich reduzieren, da sie dazu beitragen können, belastende Mehrfacherhebungen von Daten zu verhindern. Zudem sprechen nach Ansicht des Verfassers gewichtige Belange der verfassungsrechtlichen Forschungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG, die Funktionsfä- higkeit der Statistik und ergänzend auch Kosteneffizienzgesichtspunkte für weit gefasste Verarbeitungstatbestände einschließlich Verknüpfungsmöglichkeiten.
Im deutschen Recht findet sich laut Gutachten eine Vielzahl spezifischer Legitimationstatbestände zur Verknüpfung und Übermittlung von Daten zu Zwecken der Wirtschaftsforschung und -statistik mit unterschiedlichen, teils sehr strengen und engen, Anforderungen sowie Rechtsunsicherheiten in der Anwendung. Die derzeitige Rechtslage sei für Datennutzer unerfreulich und wenig forschungsfreundlich. Anhand der beiden Forschungsprojekte zeigt das Gutachten, dass einerseits zusätzliche Verknüpfungsmöglichkeiten im BStatG nötig wären, die zur Klarstellung ggf. entsprechend im Sozialgesetzbuch gespiegelt werden sollten. Andererseits sei auch die Abgabenordnung einschlägig und müsste entsprechend geändert werden. Das Gutachten entwickelt konkrete Normvorschläge für das BStatG, das FDG, die Sozialgesetzbücher und die Abgabenordnung.
Bessere Verknüpfungsmöglichketen im Forschungsdatengesetz
Die im Gutachten entwickelten Normvorschläge gehen über die Wirtschaftsstatistik und die Wirtschaftsforschung hinaus und weisen den Weg zu bereichsübergreifenden forschungs- und statistikfreundlichen Lösungen für eine bessere Verknüpfung und Übermittlung von Daten. Aus Sicht des BMWK sollten diese im Rahmen der anstehenden Anpassungen im Bundesstatistikgesetz und in weiteren Fachgesetzen sowie im Forschungsdatengesetz selbst umgesetzt werden.
1 Der vollständige Titel des Gutachtens lautet „Mögliche Regelungen zur rechtssicheren Verknüpfung und Übermittlung von Personendaten zu wirt- schaftsstatistischen Zwecken und für die Wirtschaftsforschung in bestehenden einfachgesetzlichen Regelungen und im Rahmen eines Forschungsdatengesetzes (FDG)“ und wird auf Anfrage gerne übermittelt.
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