IN KÜRZE

Die EZB hat ihre Leitzinsen in ihrer letzten Sitzung am 18. Juli nach der im Juni erfolgten, erwarteten Senkung um je 25 Basispunkte unverändert gelassen. Die Finanzierungsbedingungen für private Haushalte, Unternehmen und Staaten haben sich im letzten Quartal im Großen und Ganzen wenig verändert. Der Euro notiert seit Jahresbeginn 2023 gegenüber dem US-Dollar nahezu unverändert, hat gegen das britische Pfund leicht ab- und gegen den Yen aufgewertet.

INFLATION

Die Inflation ist nach fallender Tendenz in den ersten vier Monaten zwischenzeitlich wieder leicht angestiegen und lag im Juni bei 2,5 % in der Eurozone. Das Spektrum der Raten der einzelnen Euroländer variiert bei einer Amplitude von durchschnittlich 4,9 %-Punkten im Juni – von zuletzt 0,6 % in Finnland bis 5,5 % in Belgien (Abb. 1).1; Die Energiepreise stiegen im letzten Quartal durchschnittlich wieder leicht um 0,2 %, die Lebensmittelpreise im selben Zeitraum weiter um 2,5 %. Die Kernrate der Inflation, also ohne die stark schwankenden Preise für Energie und Nahrungsmittel, betrug zuletzt 2,9 %.

Turnusgemäß hat die EZB hat auch ihre Prognosen aktualisiert. Im Vergleich zu ihrer letzten Prognose im März sieht die EZB für die Eurozone nun etwas mehr Wirtschaftswachstum in diesem Jahr (0,9 %; vorher 0,6 %), aber etwas weniger im nächsten (1,4 %; vorher 1,5 %). Die Inflationsprognosen wurden für 2024 (2,5 %; vorher 2,3 %) und 2025 (2,2 %; vorher 2,0 %) etwas nach oben korrigiert. Die Prognosen für 2026 blieben unverändert. Die EZB-Prognosen ähneln damit jenen von KOM, IWF und OECD.

Abbildung 1: Blick zurück; Abbildung 2: Blick nach vorne Bild vergrößern

GELDPOLITISCHER KURS DER EZB

Zinsen: Die EZB hat am 06.06.24 wie erwartet die Leitzinsen um je 25 Basispunkte erstmals wieder gesenkt. In der jüngsten Sitzung am 18. Juli hingegen hat sie die Zinsen unverändert gelassen. Sie betragen nun 4,25 % für Hauptrefinanzierungsgeschäfte, 4,50 % für den Spitzenrefinanzierungssatz und 3,75 % bei der Einlagefazilität. Weiterhin lehnt die EZB explizit jede Vorfestlegung auf weitere Zinsschritte ab. Zinsentscheidungen treffe man wie zuvor datenabhängig und meeting-by-meeting. Auf der Pressekonferenz betonte EZB-Präsidentin Lagarde, dass man u. a. das Lohnwachstum in der zweiten Jahreshälfte genau beobachten werde. Eine weitere Zinssenkung mit dem nächsten turnusmäßigen Prognose-Update im September erscheint dennoch im Bereich des Möglichen.

Wertpapierankaufprogramme: Die Einstellung der Wertpapierankaufprogramme blieb ebenfalls unverändert. Das Quantitative Tightening, also der Abbau der Portfolios durch keine (beim APP)/immer weniger (beim PEPP) Reinvestitionen von fällig werdenden Posten, geht weiter. Die EZB-Bilanz belief sich im Juni auf 6.522 Mrd. Euro (etwa 45 % des BIP der Eurozone). Das sind rund 1/4 weniger als zum Höhepunkt im Mai 2022 – die Bilanz normalisiert sich also allmählich. En détail zu APP und PEPP:

  • Die Bestände des regulären Ankaufprogramms APP (2.835 Mrd. Euro/43 % der EZB-Bilanz) schrumpfen weiter, nachdem die EZB letzten Sommer hier die Reinvestitionen fällig werdender Posten eingestellt hat.
  • Die Bestände des Notfallprogramms PEPP (1.660 Mrd. Euro/25 % der EZB-Bilanz) blieben zuletzt konstant. Aber auch hier will die EZB von Juli bis Ende des Jahres nur noch die Hälfte aller fällig werdenden Posten (ca. 7,5 Mrd. Euro/Monat) reinvestieren. 2025 sollen die PEPP-Reinvestitionen eingestellt werden, sodass auch das PEPP dann auslaufen wird. Die EZB nutzt PEPP-Reinvestitionen weiter „flexibel“, kauft also Staatsanleihen bestimmter Euroländer bevorzugt an. Dies tut sie, um Fragmentierung zu verhindern, also das zu starke Auseinanderdriften der Spreads (Zinsaufschlag ggü. Bundesanleihen mit gleicher Laufzeit) der Euroländer.

Neues operatives Rahmenwerk: Darüber hinaus hatte die EZB bereits im März angekündigt, dass sie im September ihr operatives Rahmenwerk anpassen wird. Dabei geht es darum, wie sich Banken künftig Liquidität beschaffen, also Mittel zum kurzfristigen Begleichen von Schulden. Die EZB will Liquidität künftig wieder mehr über ihre regulären Auktionen als über den Ankauf von Wertpapieren steuern. Letzteres hat die Banken im Laufe der letzten Jahre sehr große Überschussliquidität aufbauen lassen (s.a. unten, Abb. 7). Dazu will die EZB den Abstand zwischen Einlage- und Hauptrefinanzierungssatz verkleinern. Außerdem sollen mittelfristig neue langfristige Kredite (LTROs) vergeben und ein „strukturelles“ Anleiheportfolio eingerichtet werden. Damit will sich die EZB auch für Maßnahmen im Rahmen ihres zweiten Mandates, der „Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der EU“, öffnen.

ABB. 3: EZB-BILANZ Bild vergrößern

FINANZIERUNGSBEDINGUNGEN

Die nominalen Kreditzinsen sind für Unternehmen weiter höher als in Zeiten der Staatsschuldenkrise vor 13 Jahren – haben aber ihren Zenit hinter sich gelassen. Immobilienkreditzinsen sind mittlerweile sogar etwas niedriger als zu ihrem Höhepunkt während der Staatsschuldenkrise. Unternehmen zahlten im letzten Quartal durchschnittlich 5,2 % Zinsen in der Eurozone insgesamt und 5,4 % in Deutschland. Im gleichen Zeitraum zahlten private Haushalte für einen Immobilienkredit 3,7 % in der Eurozone ebenso wie in Deutschland (Abb. 4).

ABB. 4: ZINSEN AUF UNTERNEHMENSANLEIHEN UND FINANZIERUNGSKOSTEN FÜR PRIVATE HAUSHALTE Bild vergrößern

Die Zinsen 10-jähriger Staatsanleihen der Eurozone sind binnen der letzten drei Monate leicht gefallen – mit Ausnahme der französischen Anleihen. Deren Spread gegenüber Bundesanleihen lag zwischenzeitlich auf Rekordniveau. Deutsche Bundesanleihen notierten zuletzt um 2,5 % (Abb. 5). Die höchsten Zinsen gibt es bei italienischen Staatsanleihen; sie lagen zuletzt bei 3,8 % mit einem Spread zu Deutschland von 132 Basispunkten. EU-Anleihen (hier für NGEU) rentierten zuletzt bei 3,0 % mit einem Spread von 59 Basispunkten.

ABB. 5: ZINSEN AUF 10-JÄHRIGE STAATSANLEIHEN Bild vergrößern

Die ausstehende Menge von Krediten an Haushalte sank von März bis Mai (letzter Datenpunkt) in der Eurozone um durchschnittlich 0,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Dagegen stieg in Deutschland die Kreditmenge an Haushalte um durchschnittlich 0,6 %. Die Kreditmenge an Unternehmen in der Eurozone stieg im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 0,2 %, in Deutschland um 0,2 %. Das Wachstum der Kreditmenge hat sich damit weiter verlangsamt (Abb. 6).

ABB. 6: KREDITWACHSTUM Bild vergrößern

Die Banken der Eurozone hielten zuletzt etwa 2.951 Mrd. Euro an Überschussliquidität (Abb. 7) in der Einlagefazilität, Tendenz fallend. Die oben erwähnte Änderung des operativen Rahmenwerkes soll den weiteren Abbau dieser Bestände befördern.

ABB. 7: LIQUIDITÄT IM EUROBANKENSYSTEM Bild vergrößern

Am Geldmarkt, an dem Banken unbesichert ihren kurzfristigen Liquiditätsbedarf decken, bewegen sich die Zinsen seitwärts. Der EURIBOR, einer der am stärksten genutzten Referenzzinssätze in der Eurozone (hier für Geschäfte mit Laufzeit von 3 Monaten), notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 3,8 % (Abb. 8). Der Risikoaufschlag zu besicherten Instrumenten für die gleiche Laufzeit schwankte seit Jahreswechsel wieder weniger und notierte in den letzten drei Monaten bei durchschnittlich 0,1 %.

ABB. 8: GELDMARKT Bild vergrößern

WECHSELKURSE

Der Euro steht im Vergleich zum Jahresbeginn gegenüber dem US-Dollar mit 1 % im Minus und notierte bei zuletzt 1,08 US-Dollar pro Euro. Gegenüber dem britischen Pfund hat der Euro seit Jahresbeginn 3 % abgewertet und notierte zuletzt bei 0,84 Pfund pro Euro. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro seit Jahresbeginn rd. 13 % an Wert gewonnen und notierte zuletzt bei 175 Yen pro Euro (Abb. 9).

ABB. 9: WECHSELKURSE Bild vergrößern