Grafik zum Artikel "Deutsches Auslandsvermögen"

© iStock

In der wirtschaftspolitischen Debatte steht Deutschland wegen seiner anhaltend hohen Leistungsbilanzüberschüsse immer wieder in der Kritik nationaler und internationaler Beobachter. Die Kritik zielt dabei nicht nur auf den Überschuss in der Handelsbilanz, sondern auch auf die damit einhergehenden Kapitalexporte ab. Der Anstieg des deutschen Auslandsvermögens und dessen Rentabilität werden regelmäßig diskutiert (z. B. Baldi und Bremer (2013), Deutsche Bundesbank (2018), Hünnekes et al. (2023)), da bei hohen Beständen an Finanzinvestitionen im Ausland auch kleinere Renditeunterschiede eine bedeutsame Rolle für die Entwicklung des Vermögenseinkommens spielen können. Zuletzt wurde Deutschland eine unterdurchschnittliche Performance bei der Rendite auf seine Auslandsforderungen im Zeitraum bis 2020 attestiert – sowohl mit Blick auf die nominalen als auch die inflationsbereinigten Renditen. Der vorliegende Beitrag untersucht auf Basis von Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF), wie sich das deutsche Auslandsvermögen sowie die Rentabilität der deutschen Auslandsforderungen im internationalen Vergleich in den letzten Jahren entwickelt haben.

Deutlicher Vermögensaufbau Deutschlands im Ausland

Das deutsche Netto-Auslandsvermögen ergibt sich aus dem Finanzvermögen, das Inländer im Ausland halten (Forderungen) abzüglich des Finanzvermögens, das von Ausländern in Deutschland investiert wird (Verbindlichkeiten). Seit der Jahrtausendwende sind die deutschen Forderungen an das Ausland zunehmend stärker gestiegen als die Verbindlichkeiten Deutschlands gegenüber dem Ausland (Abb. 1). Deutschland hat also sein Netto-Auslandsvermögen deutlich ausgeweitet. Dies ist i. W. eine Folge der anhaltenden Leistungsbilanzüberschüsse und der damit einhergehenden Kapitalexporte. Zum Jahresende 2023 betrug das deutsche Netto-Auslandsvermögen 2,9 Billionen Euro. Dabei entfielen 34 % auf ausländische Direktinvestitionen, 31 % auf übrige Kapitalanlagen wie grenzüberschreitende Kredite und 23 % auf Wertpapierinvestitionen, z. B. in Aktien oder Anleihen (Abb. 2).

ABBILDUNG 1: ENTWICKLUNG DES DEUTSCHEN AUSLANDSVERMÖGENS Bild vergrößern

In Relation zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist das deutsche Netto-Auslandsvermögen von 2012 bis 2023 von rund 23 % auf fast 72 % gestiegen und liegt im Vergleich mit den G7-Ländern damit auf Rang 2 knapp hinter Japan (Abb. 3). Deutschland rangiert also sowohl absolut gesehen als auch in Relation zum BIP unter den Top-Kapitalgebern weltweit. Dazu dürfte laut einer Analyse der Deutschen Bundesbank (Monatsbericht Dezember 2018) vor allem die demografische Entwicklung beigetragen haben, denn ein steigender Anteil älterer Menschen an der Bevölkerung führt zu höheren Ersparnissen für die Altersvorsorge, die auch im Ausland investiert werden. Hinzu kommt die starke Einbindung der deutschen Industrie in globale Wertschöpfungsketten, die mit entsprechenden Investitionen in ausländische Produktions-, Service- und Vertriebsstrukturen einhergeht. Die USA und das Vereinigte Königreich wiesen dagegen zuletzt eine negative Netto-Auslandsposition von -73 % bzw. -32 % relativ zum BIP aus. Hier übersteigen also die Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland die Forderungen.

ABBILDUNG 2: ZUSAMMENSETZUNG DES DEUTSCHEN NETTO-AUSLANDSVERMÖGENS IM JAHR 2023 Bild vergrößern

Rentabilität der Finanzinvestitionen Deutschlands im Ausland nur mittelmäßig

Vor dem Hintergrund des massiven Aufbaus grenzüberschreitender Forderungen stellt sich die Frage, wie sich die Rendite des deutschen Auslandsvermögens im internationalen Vergleich entwickelt hat. Verschiedene frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Erträge deutscher Vermögenspositionen im Ausland vergleichsweise gering ausfallen. Ein Maß für die Renditen der Auslandsforderungen im internationalen Vergleich ist die Summe des gesamtwirtschaftlichen Vermögenseinkommens eines Jahres und möglicher Wertveränderungen infolge von Marktpreis- und Wechselkursveränderungen in Relation zum Wert der grenzüberschreitenden Forderungen am Ende des Vorjahres.

Laut einer Studie von Hünnekes et al. (2023) für 13 Industrieländer lag die nominale Rendite der deutschen Auslandsforderungen für den Zeitraum 2009 – 2020 durchschnittlich bei 3,8 % und damit auf Rang 11. Die Betrachtung nominaler Renditen erlaubt, die Performance der Finanzinvestitionen verschiedener Länder unter gleichen internationalen Bedingungen ohne länderspezifische Faktoren wie die Inflation zu vergleichen. Aber auch wenn die Renditen mit dem Verbraucherpreisindex deflationiert werden, zeigt sich ein ähnliches Bild mit einer durchschnittlichen inflationsbereinigten Rendite deutscher Auslandsanlagen von 2,6 % (Rang 9).

ABBILDUNG 3: ENTWICKLUNG DER NETTO-AUSLANDSVERMÖGEN (FORDERUNGEN MINUS VERBINDLICHKEITEN), IN PROZENT DES BIP Bild vergrößern

Eigene Berechnungen auf Basis von Daten des IWF für die Renditen auf Auslandsvermögen für den Zeitraum bis 2023 fallen insgesamt ähnlich aus. Die Renditen auf Auslandsforderungen der hier betrachteten G7-Länder haben sich seit der Finanzkrise – analog zur globalen Niedrigzinsphase – zunächst tendenziell verringert, zuletzt waren sie wieder aufwärtsgerichtet (Abb. 4).

Im Vergleich mit anderen G7-Ländern befand sich die Rendite auf deutsche Auslandsforderungen nach einer schwachen Performance Mitte der 2010er Jahre seit 2020 aber im oberen Mittelfeld. Im Beobachtungszeitraum von 2009 bis 2023 betrug die nominale Durchschnittsrendite 3,5 %, am aktuellen Rand (2019 – 2023) verzeichnete sie wieder einen Anstieg auf durchschnittlich 5 %. Die durchschnittliche reale Rendite der deutschen Auslandsforderungen lag hingegen seit der globalen Finanzkrise mit 1,5 % infolge gestiegener Verbraucherpreise nochmals darunter. Die USA und Kanada erzielten fast durchgängig die höchsten Erträge auf ihre grenzüberschreitenden Finanzinvestitionen. Seit 2009 lag die durchschnittliche Rendite auf Auslandsforderungen der USA mit nominal 5,5 % und real 3,1 % deutlich über dem deutschen Wert.

Die Entwicklung der Renditen sollte mit Vorsicht betrachtet werden, denn je nach Renditemaß, betrachteten Zeiträumen und Glättungsverfahren können die Werte recht unterschiedlich ausfallen. Die Schwankungen von Jahr zu Jahr sind mit einer Renditespanne z. B. für Deutschland von -8 1⁄2 % bis +15 % beträchtlich. Darüber hinaus mittelt die dargestellte Gesamtrendite auf das Auslandsvermögen teils recht unterschiedliche Entwicklungen bei verschiedenen Komponenten des Auslandsvermögens, z. B. von ausländischen Direktinvestitionen (ADI), Wertpapierinvestitionen oder übrigen Kapitalanlagen wie Krediten.

Vielfältige Gründe für Renditedifferenzen

Die länderspezifischen Unterschiede in der Rentabilität des Auslandsvermögens können durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein, die mit der Portfoliostruktur und dem Risikoprofil der Anlagen zusammenhängen: Neben der Wahl der Anlageklassen, z. B. dem Anteil von Eigen- oder Fremdkapital, Laufzeiten der Fremdkapitaltitel oder Währungsnotierungen, und der geographischen und sektoralen Struktur des Auslandsportfolios einer Volkswirtschaft können auch Wechselkurseffekte und das Timing von Marktentscheidungen für die Renditeentwicklung eine bedeutsame Rolle spielen.

Hünnekes et al. (2023) zeigen, dass die vergleichsweise schwache Renditeentwicklung der deutschen Auslandsforderungen bis zum Jahr 2020 nicht allein durch die Portfoliokomposition (Anteile von Finanzinstrumenten, Risikostruktur) erklärt werden kann. Unterschiede in den Anteilen der Anlageklassen können nur etwa 1⁄4 der Renditedifferenz zwischen Deutschland und den USA erklären; höhere Renditen auf die US-Auslandsforderungen innerhalb der einzelnen Anlageklassen sind aber für den Löwenanteil der Renditedifferenz verantwortlich. Insgesamt gesehen schneidet Deutschland besonders bei Eigenkapitalinvestitionen wie Aktien oder Beteiligungen unterdurchschnittlich ab. Wechselkurseffekte spielen zwar für Renditeunterschiede zum Vereinigten Königreich, nicht aber gegenüber den USA eine Rolle.

Die geringere Rendite auf deutsche Auslandsforderungen kann laut den Studienergebnissen also nicht vollständig durch ein weniger risikoreiches Anlageverhalten, Wechselkurseffekte oder die geographische Struktur des Portfolios erklärt werden. Die vergleichsweise schwache Renditeentwicklung kann auf mehrere, teils schwer quantifizierbare Gründe zurückgeführt werden:

  • Bewertungsverluste: Anders als Deutschland konnten andere Länder im Beobachtungszeitraum signifikante Wertzuwächse bei ihren Vermögenspositionen erzielen. Dies scheint eine Hauptursache für die Unterschiede und auf ein ungünstigeres Timing bei den Anlageentscheidungen deutscher Investoren, insbesondere in Zeiten steigender Börsennotierungen, zurückzuführen zu sein.
  • Bankbasiertes Finanzsystem: Mit einem hohen Anteil regional tätiger Banken mit institutionellen Verbindungen könnte DEU möglicherweise schlechter aufgestellt sein als Länder mit einem höheren Anteil international tätiger Großbanken, um optimale grenzüberschreitende Investitionsentscheidungen treffen zu können.
  • Gewinnverlagerungen: Laut Literatur kann ein Teil der hohen US-Renditen dadurch erklärt werden, dass US-Unternehmen ihre Gewinne in Steueroasen verlagern, wodurch die Messung von ADI verzerrt wird. Allerdings weisen aktuelle Daten darauf hin, dass deutsche international tätige Konzerne in ähnlichem Maße Gewinne verlagern. Der Erklärungsgehalt für die Renditedifferenz dürfte damit gering sein.
  • Unterschiedliche Motive für ausländische Direktinvestitionen: Denkbar ist auch, dass DEU als exportorientierte Volkswirtschaft aus Motiven jenseits der Rendite ADI tätigt, z. B. mit dem Ziel der Markterschließung oder um Vertriebs- und Servicestrukturen für das Exportgeschäft vor Ort aufzubauen, und diese Investitionen geringere „direkte“ Renditen erzeugen.

ABBILDUNG 4: ENTWICKLUNG DER RENDITEN AUF AUSLANDSVERMÖGEN (FORDERUNGEN), GLEITENDE 5-JAHRES-DURCHSCHNITTE IN PROZENT Bild vergrößern

Fazit: Deutschland bei Renditen auf Auslandsforderungen im Mittelfeld der G7-Länder, USA und Kanada schneiden besser ab

Deutschland schneidet mit Blick auf die Renditen auf Auslandsforderungen schlechter ab als andere große Industrieländer wie die USA oder Kanada. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern lagen die deutschen Renditen seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise zwar meist leicht unter dem Euroraum-Durchschnitt, aber tendenziell über denen von Frankreich, Italien und Großbritannien und damit im Mittelfeld. Je nach Datengrundlage, Renditemaß und Beobachtungszeitraum fällt die Bewertung der Rentabilität der deutschen Auslandsforderungen aber recht unterschiedlich aus. Die Ursachen für die durchgängig deutlich höheren Renditen auf die US-amerikanischen Auslandsforderungen sind vielfältig und wurden bislang nur in einer kleinen Anzahl von Studien untersucht. Für eine genauere Bewertung ist weitere Forschung nötig.

KONTAKT:

Referat: IC1 – Beobachtung, Analyse und Projektion der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

schlaglichter@bmwk.bund.de

Baldi, G. und B. Bremer (2013): Verluste auf das deutsche Nettoauslandsvermögen – wie sind sie entstanden?, DIW Wochenbericht Nr. 49/2013: www.diw.de/Nettoauslandsvermögen

Deutsche Bundesbank (2018): Die deutsche Auslandsposition: Höhe, Rentabilität und Risiken der grenzüberschreitenden Vermögenswerte, Monatsbericht Dezember 2018: www.bundesbank.de/deutsche-auslandsposition

Hünnekes, F., Konradt, M., Schularick, M. und C. Trebesch (2023): Exportweltmeister: Germany‘s foreign investment returns in international comparison, Kiel Working Paper 2133: www.econstor.eu/exportweltmeister