Artikel - Konventionelle Energieträger

Gas

Einleitung

Gasflamme zu Konventionelle Energieträger

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Erdgas spielt mit einem Primärenergieverbrauchsanteil von 23,5 Prozent eine wichtige Rolle im Energiemix Deutschlands.

Erdgasversorgung in Deutschland

Erdgas: Aktueller Einsatz

Erdgas ist Energieträger für die Wärme- und Stromerzeugung, die Speicherung von Energie und für den Ausgleich für aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom und wichtiger Einsatzstoff vor allem in der Chemieindustrie. Bis zur Ablösung von aus erneuerbaren Energie produziertem Wasserstoff oder der Umstellung auf strombasierte Prozesse wird Erdgas zur Energieversorgung beitragen.

Biogas (Biomethan) lässt sich mit entsprechender Aufbereitung auf Erdgasqualität veredeln und in vorhandene Erdgasnetze einspeisen. So kann es zur Entlastung im Wärmemarkt, im Strombereich und im Kraftstoffbereich beitragen. Bei der Herstellung ist aber darauf zu achten, dass es zu keiner Konkurrenz mit der Produktion von Nahrungsmitteln kommt.

Da die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien je nach Wetterlage und Jahreszeit schwankt, können Erdgaskraftwerke neben anderen Energieträgern oder einer intelligenten Verbrauchssteuerung beim Ausgleich der Produktionsschwankungen spielen.

Bis zur vollständigen Umstellung des deutschen Energieverbrauchs auf erneuerbare Energien und die Nutzung von Wasserstoff wird Deutschland aufgrund seiner sehr geringen Eigenproduktion auch zukünftig in hohem Maße von Erdgasimporten abhängig sein.

Erdgas stellte im Jahr 2022 fast 24 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie zur Verfügung. Maßgeblich für die Entwicklung der Inlandsnachfrage sind die Verbrauchsentwicklungen in den einzelnen Sektoren. Wichtigster Einsatzbereich von Erdgas war im Jahr 2022 mit 37 35 Prozent die Industrie, gefolgt von privaten Haushalten mit 31 Prozent zur überwiegenden Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser. Im Jahr 2022 stammten 14 Prozent des in Deutschland erzeugten und in das Stromnetz eingespeisten Stroms aus Erdgas (BDEW 2023).

Infrastruktur

Für Transport und Verteilung des Erdgases sind die Rohrleitungen, aus denen sich das Gasnetz zusammensetzt, von substanzieller Bedeutung. Sie ermöglichen die sichere Lieferung über weite Strecken. Über deutsches Territorium werden erhebliche Gasmengen in andere EU-Staaten transportiert. Die wesentlichen Erdgasfernleitungen sowie deren Grenzübergangspunkte in Deutschland gehen aus nachfolgender Grafik hervor:

Das deutsche Gas-Fernleitungsnetz im Überblick Bild vergrößern

Das deutsche Gas-Fernleitungsnetz im Überblick; Stand Februar 2017

© Fernleitungsnetzbetreiber

Hinzu kommt ein engmaschiges Gasverteilnetz bis hin zum Endverbraucher. Das deutsche Gasnetz besteht zum einem aus dem Fernleitungsnetz mit einer Länge von ca. 40.000 Kilometern sowie dem Verteilnetz mit einer Länge von ca. 555.000 Kilometern.

Der Ausbau des deutschen Gasleitungsnetz geschieht anhand des Netzentwicklungsplans Gas (NEP Gas). Der NEP Gas ist ein von den deutschen Fernleitungsnetzbetreibern (FNB) erstellter Plan, der die Entwicklung des Gasnetzes in Deutschland für die nächsten zehn Jahre vorausschaut. Der NEP Gas wird alle zwei Jahre aktualisiert und muss von der Bundesnetzagentur genehmigt werden. Der NEP Gas enthält Informationen über den Bedarf an Gasinfrastruktur, die geplanten Investitionen in den Ausbau und die Modernisierung des Gasnetzes sowie Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Der NEP Gas ist außerdem ein wichtiges Instrument für die Planung und Umsetzung der Energiewende in Deutschland und der damit verbundenen zukünftigen Rolle von Wasserstoff.

Regulierung und Handel

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) ist die Regulierungsbehörde für den deutschen Gasmarkt. Sie ist verantwortlich für die Regulierung der Netzentgelte und die Überwachung der Gasnetzbetreiber. Verschiedene Gesetze gewährleisten Wettbewerb und Verbraucherschutz.
Um den europäischen Gasmarkt weiter zu liberalisieren und zu harmonisieren, wurden von der Europäischen Union bisher drei Binnenmarktpakete für den Gasmarkt verabschiedet. Sie haben dazu beigetragen, einen offenen und wettbewerbsfähigen Gasmarkt zu schaffen und die Marktintegration sowie die Interoperabilität der Gasnetze zu verbessern. Das dritte Binnenmarktpaket 2019 zielte darauf ab, die Verbraucherrechte und die Versorgungssicherheit zu stärken. Die aktuellen Verhandlungen um ein viertes Binnenmarktpaket fokussieren insbesondere auf die Rolle von Wasserstoff in einem zukünftigen europäischen Energiesystem.

Im Zuge der Energiekrise im Jahr 2022 wurden eine Reihe von regulatorischen Maßnahmen ergriffen. So wurden zur unmittelbaren Stabilisierung der Gasversorgung Schlüsselunternehmen unter Treuhandverwaltung gestellt, mit Fremd- und Eigenkapital versorgt sowie im weiteren Verlauf verstaatlicht. Um die Versorgungssicherheit mit Erdgas in Deutschland zu gewährleisten, wurden mit dem Gesetz vom 26. April 2022 zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen gesetzliche Mindestfüllstände für Gasspeicheranlagen erlassen. Diese Regelungen sehen die Befüllung der Gasspeicher am 1. Oktober zu 80 Prozent, am 1. November zu 90 Prozent und am 1. Februar zu 40 Prozent vor.

Der deutsche Gasmarkt zeichnet sich durch eine Vielzahl privatrechtlich organisierter Marktakteure in den Bereichen Gasnetze, Speicherbetrieb und Handel aus. Bis September 2021 gab es zwei Marktgebiete (Net Connect Germany, NCG, und Gaspool), mit je einem Marktgebietsverantwortlichen, der für die effiziente Abwicklung des Gasnetzzugangs und des Marktgeschehens sorgte. Am 1. Oktober 2021 startete das deutschlandweite Marktgebiet Trading Hub Europe (THE).

Der Zusammenschluss deutscher Fernleitungsnetzbetreiber Trading Hub Europe GmbH (THE) übernimmt die Rolle des Marktgebietsverantwortlichen für das gesamtdeutsche THE-Marktgebiet und betreibt es im Sinne der „Vereinbarung über die Kooperation“ gemäß § 20 Absatz 1 Buchstabe b EnWG der Betreibern von in Deutschland gelegenen Gasversorgungsnetzen. Zu den Aufgaben des Marktgebietsverantwortlichen gehören das Bilanzkreismanagement, das Regelenergiemanagement sowie die Bereitstellung und den Betrieb des virtuellen Handelspunkts THE. Seit dem Jahr 2022 übernimmt die THE GmbH darüber hinaus gesetzliche Aufgaben zur Sicherung der Versorgungssicherheit in Deutschland. Das Hochdruckleitungssystem im THE-Marktgebiet entspricht dem gesamten deutschen Fernleitungsnetz und verbindet mehr als 700 nachgelagerte Netze.

Auf dem deutschen Gasmarkt agieren derzeit 16 Fernleitungsnetzbetreiber für Erdgas. Davon sind zwölf Unternehmen Mitglieder des Branchenverbands Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas). Weitere Akteure sind die Verteilernetzbetreiber, Speicherbetreiber sowie Handelsunternehmen.

Importe und Produktion von Erdgas in Deutschland

Im Jahr 2022 wurden in Deutschland 47 Milliarden Kilowattstunden Erdgas gefördert. Der Anteil der inländischen Förderung an der Deckung des Primärenergieverbrauchs in Deutschland belief sich dabei auf fünf Prozent. Die inländische Erdgasförderung ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent gesunken. Neben der inländischen Produktion wird knapp 95 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs importiert. Im Jahr 2022 wurden insgesamt 1.441 Terrawattstunden (TWh) Erdgas nach Deutschland importiert (2021: 1.673 TWh). Die größte Liefermenge stammte mit 33 Prozent aus Norwegen, gefolgt von Russland mit 22 Prozent. Nach dem Stopp der russischen Lieferungen ab September 2022 (insbesondere durch die Sabotage der Offshore Pipeline Nord Stream 1) wurde der direkte Import von russischem Erdgas nach Deutschland komplett eingestellt. Im ersten Quartal des Jahres 2023 waren somit die größten Pipelineexporteure von Erdgas nach Deutschland Norwegen (42 Prozent), die Niederlande (29 Prozent) und Belgien (23 Prozent) (BDEW 2023). Das Erdgas aus den Niederlanden und Belgien kommt zum größten Teil über die dortigen Terminals für den Import von Flüssigerdgas (LNG-Terminals). Nach der Inbetriebnahme von LNG-Terminals in Deutschland im Dezember 2022 wurden bis Ende des ersten Quartals 2023 bereits ca. zwei Milliarden Kilowattstunden Erdgas in 18 Schiffsladungen in das deutsche Erdgasnetz eingespeist (ICIS 2023); dies entspricht fünf Prozent der gesamten nach Deutschland importierten Erdgasmenge.

Eine weitere Ansicht zu den deutschen Gasimporten finden sie hier.

Aufgrund der hohen Importabhängigkeit spielen die Instrumente zur Gasversorgungssicherheit eine zentrale Rolle. Weitere Informationen zu den Instrumenten der Gasversorgungssicherheit erhalten Sie hier.

Preise und Kosten für Erdgas

Wie für andere Waren und Dienstleistungen werden die Preise für Erdgas und Flüssigerdgas auf der Basis von Angebot und Nachfrage auf den entsprechenden Märkten frei gebildet. Unterschiedliche Kostenbestandteile liegen den Preisen zu Grunde.
Die Beschaffungskosten beinhalten den Einkaufspreis für Erdgas sowie alle seine Transportkosten. Die Verteilungskosten sind alle Kosten der Weiterleitung des Erdgases an die Endkunden. Darin enthalten sind auch alle Kosten, die mit dem Ausbau und der Instandhaltung des Erdgasnetzes verbunden sind.

Der Erdgassteuer liegt das Energiesteuergesetz zugrunde. Mit diesem wird die Verbrauchsmenge an Erdgas in den verschiedenen Einsatzbereichen besteuert.
Die Konzessionsabgabe müssen die Netzbetreiber an die jeweilige Gemeinde entrichten, wenn sie öffentliches Gebiet für das Verlegen und Betreiben von Gasleitungen nutzen.

Bis zum Ende des Jahres 2021 war die Volatilität der Marktpreise für Erdgas relativ gering. Im Vorfeld und in der Folge des völkerrechtswidrigen russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar 2022 und der damit einhergehenden Reduzierung der Liefermengen an Erdgas stiegen die Preise für Erdgas rasant an. Während im Februar 2022 die Börsenpreise für Erdgas nach einem Allzeithoch im Dezember 2021 sich wieder bei 70-90 Euro je Megawattstunde (Euro/MWh) eingependelt hatten, schoss der Preis Ende August 2022 auf über 300 Euro/MWh (EEX, BNetzA 2023). Am kurzfristigen Handelsmarkt betrug der Preis für Erdgas im Jahr 2022 durchschnittlich 125 Euro/MWh (EEX 2023). Im ersten Halbjahr 2023 pendelte sich der Terminmarkt für Lieferungen im kommenden Jahr auf ca. 50 Euro/MWh ein. Der kurzfristige Handelsmarkt stieg zu Beginn des Jahres bei ca. 70 Euro/MWh ein, fiel im zweiten Quartal 2023 auf ca. 22 Euro/MWh und lag am Ende des ersten Halbjahres 2023 jedoch bereits wieder bei ca. 35 Euro/MWh. Der Erdgasmarkt zeigte sich somit im ersten Halbjahr 2023 weiterhin volatil und zeichnet eine weiterhin bestehende Unsicherheit mit Blick auf den Winter 2023/24 ab. Grundsätzlich hat sich der Erdgasmarkt im Vergleich zum Jahr 2022 wieder beruhigt, jedoch auf einem höheren Niveau als vor der Energiekrise im Jahr 2022.

Um die Marktpreise während der Krise wieder zu senken, war ein eng koordiniertes Vorgehen der Bundesregierung mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union notwendig. Im Verlauf des Jahres 2022 wurden verschiedene Maßnahmen zur Bewältigung der akuten Energiekrise und zur Vorbeugung einer sich eventuell verschlimmernden Versorgungssituation von den EU-Mitgliedstaaten verabschiedet. Dazu gehörte auch die Verordnung (EU) 2022/1369 über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage – die sog. EU-Einspar-VO. Darin verpflichteten sich die Mitgliedstaaten zunächst freiwillig, ihre Gasnachfrage bis zum 31. März 2024 um bis zu 15 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Gasverbrauch im entsprechenden Zeitraum der letzten fünf Jahre zu reduzieren. Diese und weitere regulative Maßnahmen trugen dazu bei, dass sich der Markt für Erdgas grundsätzlich entspannte und auch die Preise für Erdgas seit dem Winter 2022/23 sanken.

Weitere Informationen zu den Gaspreisen erhalten Sie hier.

Bewältigung der Erdgaskrise im Jahr 2022 und darüber hinaus

Im Zuge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine reduzierten sich nicht zuletzt durch die Sabotage der Nord Stream 1-Pipeline die direkten physischen Gasimporte nach Deutschland. Um das damit einhergehende Risiko einer Unterversorgung Deutschlands mit Erdgas zu reduzieren und die Sicherstellung der Versorgungssicherheit zu gewährleisten, rief das BMWK nach dem Notfallplan Gas am Mittwoch, 30. März 2022, die Frühwarnstufe und am Donnerstag, 23. Juni 2022, die Alarmstufe nach Notfallplan Gas aus. Mit der Ausrufung der Krisenstufen trat das Krisenteam Gas, bestehend aus BMWK, BMI, Bundesnetzagentur, Bundesländern, Marktgebietsverantwortlichem, Fernleitungsnetzbetreibern und BDEW zusammen, um die Situation kontinuierlich zu bewerten. Aufgrund der Verlängerung der EU-Gas-Einspar-VO und der grundsätzlich geänderten Versorgungssituation im Vergleich zum vergangenen Jahr ist die Versorgungssituation mit Erdgas weiterhin angespannt, wenn auch weniger kritisch als zu Beginn des Winters 2022/23. Auf Bundesebene bedarf es weiterhin der Aufrechterhaltung notwendiger Maßnahmen, die direkt an die Aufrechterhaltung der Krisenstufe geknüpft sind. Diese Maßnahmen unterstützen bzw. gewährleisten letztlich die weiteren Vorbereitungen sowie die Wiederbefüllung der Erdgasspeicher mit Blick auf die Versorgungssituation im Winter 2023/24.

Weitere Informationen zur Bewältigung der Erdgas- bzw. Energiekrise im Jahr 2022 erhalten Sie hier.

Fracking

Um Erdgas aus tiefen Gesteinsschichten zu fördern, wird seit einigen Jahren insbesondere in den USA bei horizontal abgelenkten Bohrungen eine Technik angewandt, die unter dem Begriff "Hydraulic Fracturing" beziehungsweise "Fracking" bekannt geworden ist. Dabei werden durch Einpressen einer Flüssigkeit (Wasser und Additive) und dem damit einhergehenden Druckanstieg kontrolliert kleine Risse in dem Gestein erzeugt, in dem das Erdgas enthalten ist. Durch diesen Prozess wird das Gas freigesetzt, so dass es durch die Bohrleitungen an die Oberfläche geleitet werden kann. Bei der Fracking-Technologie differenziert man zwischen den Gesteinsschichten, aus denen das Erdgas gewonnen wird: Soll das Erdgas mittels Fracking aus Schiefer-, Ton- oder Mergelgestein oder Kohleflözgestein gewonnen werden, spricht man von Fracking aus unkonventionellen Lagerstätten. Soll das Erdgas hingegen mittels Fracking aus Sandgestein gewonnen werden, handelt es sich um Fracking in konventionellen Lagerstätten.

Um mehr Rechtssicherheit beim Fracking herzustellen, hatten das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im Jahr 2015 ein Regelungspaket in den Bundestag eingebracht, das am 11. Februar 2017 in Kraft getreten ist.

Weiterführende Informationen zum Thema Fracking finden Sie hier.

Maßnahmen zur Sicherung der Erdgasversorgung

Die Sicherungsmaßnahmen der deutschen Gasversorgungsunternehmen stützen sich auf einen breiten Maßnahmenkatalog. Hierzu zählen neben der Förderung von Erdgas in Deutschland insbesondere:

  • Die Diversifikation der Bezugsquellen und Transportwege,
  • Stabile Beziehungen zu Lieferländern wie Norwegen (Pipeline-Erdgas) und den USA (Flüssigerdgas),
  • Langfristige Gaslieferverträge,
  • Eine hohe Verlässlichkeit der Untergrundspeicher für Erdgas inklusive der entsprechenden Versorgungsinfrastruktur,
  • Der Ausbau der Infrastruktur für den Import Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) und
  • Eine regelmäßige Überwachung und Koordinierung der Versorgungssicherheit mit einer Vielzahl von involvierten Akteuren.

Diversifikation der ausländischen Bezugsquellen und Transportwege

Die deutsche Gasversorgung ist breit diversifiziert. Der Import und die Verteilung von Erdgas in Deutschland erfolgen über ein weit verzweigtes Pipelinesystem. Da Deutschland 95 Prozent seines Erdgases aus Importen bezieht, ist es elementar diese Importe durch einen hohen Grad an Diversifikation abzusichern.

Die Notwendigkeit der Diversifizierung der Bezugsquellen von Erdgas wurde insbesondere im Jahr 2022 deutlich. Bis Anfang September 2022 bezog Deutschland einen großen Anteil seines Erdgases durch Über-Land-Leitungen (Jamal-Pipeline von Russland durch Polen, Transgas-Pipeline von Russland über die Ukraine und die Slowakei) sowie über eine direkte Untersee-Pipeline (Nord Stream 1) aus Russland. Aufgrund der Sabotage der Nord Stream 1-Pipeline im Kontext des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde der direkte Import von russischen Erdgas nach Deutschland komplett eingestellt und auch der Transit durch die Ukraine reduziert.

In der Konsequenz stiegen die Lieferungen aus Norwegen. Aus Norwegen wird Erdgas über die Europipeline I und II mit einer Gesamtkapazität von 117 Milliarden Kubikmetern aus verschiedenen Gasfeldern nach Emden/ Dornum gebracht. Im Jahr 2022 flossen insgesamt 478 Milliarden Kilowattstunden Erdgas von Norwegen nach Deutschland (FNB Gas 2023). Damit stellt Norwegen ein Drittel des in Deutschland verbrauchten Erdgas zur Verfügung.

Hinzu kommt eine Vielzahl von Anbindungen in die Niederlande, unter anderem an das niederländische Gasfeld Groningen. Seit dem Ausbleiben der russischen Lieferungen spielen die Niederlande neben Belgien eine zentrale Rolle bei der Versorgung Deutschlands mit einer Versorgung von 253 Milliarden Kilowattstunden Erdgas im Jahr 2022. Aufgrund des Auslaufens der Produktion aus dem Gasfeld Groningen leitet die Niederlande insb. Erdgas aus importiertem Flüssigerdgas nach Deutschland weiter. Das traditionell aus den Niederlande und deutscher Erdgasproduktion stammende niederkalorische Erdgas (L-Gas) ist insbesondere zur Versorgung der nord-westlichen Bundesländer wichtig. Aufgrund der zurückgehenden bzw. eingestellten Produktion sowohl in Deutschland, als auch in den Niederlanden, wird hochkalorisches H-Gas in den Niederlanden und in Deutschland zu niederkalorischem L-Gas transformiert und kann somit weiterhin genutzt werden. Die Nutzung von L-Gas wird bis zum Jahr 2030 in Deutschland vollständig eingestellt werden – der entsprechende Prozess wird durch die deutschen Fernleitungsnetzbetreiber in Kooperation mit niederländischen, belgischen und französischen Netzbetreibern sowie den lokalen Gasfachunternehmen umgesetzt.

Weitere verlässliche Lieferanten für Deutschland waren im Jahr 2022 Belgien mit 258 Milliarden Kilowattstunden und auch Tschechien mit 117 Milliarden Kilowattstunden, insb. aus dem Transgas-Transit, sowie Österreich und die Schweiz mit 21 Milliarden Kilowattstunden, insb. aus Italien. Ab Oktober 2022 erhielt Deutschland das erste Mal direkt über einen französischen Grenzübergangspunkt Erdgas bis zum Jahresende 2022 in Höhe von vier Milliarden Kilowattstunden (BDEW 2023).


Am 21. Dezember 2022 wurde über das schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven erstmalig Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) ins deutsche Gasnetz eingespeist. Dies stellt den ersten direkten Import von Flüssigerdgas nach Deutschland dar. Im ersten Quartal 2023 gingen zudem zwei schwimmende LNG-Terminals, sog. Floating Storage Regasification Units (FSRU), in Lubmin und Brunsbüttel in den Regelbetrieb. Die Verfügbarkeit der neuen LNG-Infrastruktur spielt eine entscheidende Rolle in der Diversifizierung der deutschen Erdgasimporte, da Flüssigerdgas flexibel und per Schiff, unabhängig von bestehenden Leitungssystemen, nach Deutschland importiert werden kann.

Kapazitäten für Erdgas in Untergrundspeichern in Deutschland

Daten: Jahresbericht "Erdöl und Erdgas in der Bundesrepublik Deutschland" (LBEG), Grafik: BMWi

© LBEG, Grafik: BMWi

Erdgasspeicher spielen eine wichtige Rolle beim saisonalen Ausgleich von Produktions- und Verbrauchsschwankungen und für die Gewährleistung der Versorgungssicherheit.
Deutschland verfügt aufgrund günstiger geologischer Gegebenheiten über gute Bedingungen für die Einrichtung von Erdgasspeichern. Nach den USA, Russland und der Ukraine, zählen die deutschen Speicherkapazitäten zu den größten der Welt. Insgesamt verfügen die deutschen Untergrundspeicher über ein maximal nutzbares Arbeitsgasvolumen von insgesamt bis zu 280 Terrawattstunden. Davon entfallen 137 Terrawattstunden auf Kavernenspeicher-, 120 Terrawattstunden auf Porenspeicheranlagen und 22 Terrawattstunden auf sonstige Speicheranlagen für Erdgas (BNetzA 2022). Die vorhandenen Gasspeicher sind ausreichend dimensioniert, um die Versorgung auch während intensiver Winterphasen oder bei Lieferausfällen zu gewährleisten (die maximale Speicherkapazität reicht gegenwärtig statistisch gesehen im Durchschnitt für eine Vollversorgung von 80 Tagen). Voraussetzung hierfür ist ein adäquater Füllstand der Erdgasspeicher.

Zur Gewährleistung eines adäquaten Füllstands der Erdgasspeicher ist am 30. April 2022 das Gasspeichergesetz in Kraft getreten, das die Einhaltung von gesetzlichen Vorgaben für Füllstände der Gasspeicher sicherstellt. Am 29. Juli 2022 wurden per Ministerverordnung die festgelegten Füllstände noch einmal erhöht. Zum 01. Oktober eines Jahres müssen die Speicher nun zu 85 Prozent, zum 01. November zu 95 Prozent und am 01. Februar immer noch zu 40 Prozent gefüllt sein (BNetzA 2022).
Der Markt für den Betrieb von Untergrundspeichern für Erdgas ist nach wie vor hoch konzentriert. Der aggregierte Marktanteil der drei Unternehmen mit den größten Speicherkapazitäten betrug Ende des Jahres 2021 ca. 67 Prozent. Insgesamt werden die 40 Gasspeicherstandorte von 24 Speicherbetreibern betrieben.

Infrastruktur für Flüssigerdgas (LNG) in Deutschland

Von zunehmender Bedeutung für Deutschland ist auch der Zugang zu Terminals für den Import von Flüssigerdgas. Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) ist mittels Abkühlung verflüssigtes Erdgas, das aufgrund seines geringen Volumens besonders im Transport und in der Lagerung große Vorteile besitzt. Flüssigerdgas spielt weltweit eine immer größere Rolle und ist als Kraftstoff für die Schifffahrt und den Schwerlastverkehr außerdem enorm wichtig für die Senkung von Schadstoffemissionen und die Einhaltung der Klimaschutzziele.
Über die benachbarten Staaten Belgien (Zeebrügge), Niederlande (Rotterdam) oder andere europäische Staaten kann der Zugang zu Flüssigerdgas für den deutschen Markt sichergestellt werden. Deutsche Gasversorgungsunternehmen sind ebenfalls an LNG-Terminals im Ausland beteiligt (Belgien, Frankreich, Niederlande).

Am 21. Dezember 2022 wurde über das schwimmende LNG-Terminal in Wilhelmshaven, sog. Floating Storage and Regasification Unit (FSRU), erstmalig Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG) ins deutsche Gasnetz eingespeist. Dies stellt den ersten direkten Import von Flüssigerdgas nach Deutschland dar. Es gibt aktuell Planungen für insgesamt vier staatlich angemietete schwimmende Flüssigerdgasterminals (FSRU) sowie zwei private Projekte an der Ostsee (Lubmin/Mukran). Für die staatlich gemieteten FSRU sind Brunsbüttel, Stade sowie zwei Standorte in Wilhelmshaven vorgesehen. Die Terminals in Wilhelmshaven I und Brunsbüttel sind bereits seit Winter 2022/2023 in Betrieb, die Inbetriebnahme für Stade und Wilhelmshaven II ist für den kommenden Winter geplant. Neben den durch den Bund betriebenen FSRU ist seit Dezember 2022 eine privat betriebene FSRU in Lubmin im Einsatz, die im Winter 2023/2024 an den Standort Mukran verlegt werden soll. Am Standort Mukran soll gleichfalls ab dem Winter 2023/24 eine zweite private FSRU in dem dort bestehenden Projekt den Betrieb aufnehmen.

Im Folgenden finden Sie weitere Informationen zum FSRU Standort Mukran:

FAQs zum FSRU-Standort Mukran (PDF, 421 KB)

Neben den FSRU entstehen drei landseitige LNG-Terminals in Brunsbüttel (hier 50 % Beteiligung des Bundes über die KfW), Stade (FID noch nicht getroffen) und Wilhelmshaven.

Monitoring der Versorgungssicherheit

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) führt gem. § 51 Absatz 1 des Gesetzes über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz, EnWG) ein Monitoring der Versorgungssicherheit im Bereich der leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Erdgas durch.
Darüber hinaus legt der Notfallplan Gas in der Situation einer akuten Krise die Koordination durch ein fachlich übergreifendes Krisenteam fest, das im Vorfeld und im Verlauf einer Krise das BMWK beratend unterstützt. Das Krisenteam besteht grundsätzlich aus Vertretenden von Bund und Ländern, der Fernleitungsnetzbetreiber Gas (FNB) sowie des Marktgebietsverantwortlichen (MGV). Als nichtständige Mitglieder können ebenfalls Übertragungsnetzbetreiber, Untergrundspeicherbetreiber oder ggf. auch Verbände hinzugebeten werden.

Die aktuelle Lagebewertung der Gasversorgung in Deutschland erfolgt durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) anhand eines Indikatorsets. Die Indikatoren lassen eine Einschätzung und eine Prognose zur aktuellen Versorgungslage zu und erzeugen Transparenz hinsichtlich des Risikos einer akuten Gasmangellage. Die Bewertung durch die Indikatoren bieten grundlegende Anhaltspunkte für die Lagebewertung und stützen die Entscheidungsfindung des BMWK und der Bundesregierung bezüglich der Reduzierung des Risikos für einen Versorgungsengpass. Sie definieren jedoch nicht den Zeitpunkt, wann eine Krisenstufe bzw. insbesondere die Notfallstufe durch die Bundesregierung ausgerufen werden sollte. Parallel zu den Indikatoren werden regelmäßige Lageberichte veröffentlicht.
Weitere Informationen zur Lage der Gasversorgung in Deutschland finden sie hier.

Krisenvorsorge/-management, auch im Kontext der Versorgungssituation mit Erdgas im Jahr 2022

Die sichere Erdgasversorgung in der Europäischen Union liegt im Rahmen ihrer jeweiligen Tätigkeiten und Zuständigkeiten in der gemeinsamen Verantwortung der Erdgasunternehmen, der Mitgliedstaaten und insbesondere ihrer zuständigen Behörden sowie der Europäischen Kommission (EU-KOM). Diese gemeinsame Verantwortung erfordert ein gut abgestimmtes Maß an Informationsaustausch und Kooperation zwischen den Akteuren.

Die Verordnung (EU) 2017/1938 des europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2017 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung (sog. Security-of-Supply-Verordnung, SoS-VO) hat das Ziel, die europäische Versorgungssicherheit mit Erdgas zu erhöhen. Hierzu müssen die EU-Mitgliedstaaten adäquate Präventions- und Maßnahmen zum Krisenmanagement umsetzen. Unter anderem führen die Mitgliedstaaten Risikobewertungen durch und erstellen Notfallpläne, um im Fall von Störungen oder Engpässen im Gasmarkt schnell und koordiniert beheben zu können. Die Pläne werden regelmäßig auf Aktualität und Relevanz überprüft und aktualisiert.

Grundsätzlich unterscheidet die SoS-VO im Verlauf einer Versorgungskrise zwischen drei Krisenstufen (Frühwarnstufe, Alarmstufe und Notfallstufe). Sie sieht marktbasierte Maßnahmen der Gasversorgungsunternehmen in den ersten beiden Stufen sowie ergänzend und nur im Notfall umzusetzende hoheitliche Eingriffsmöglichkeiten vor. Sie definiert dabei Zuständigkeiten sowie Pflichten von Unternehmen, nationalen Behörden und der EU-KOM. Darüber hinaus legt die SoS-VO Prozesse eines adäquaten Krisenmanagement nebst präventiven Maßnahmen im Rahmen von Präventions- und Notfallplänen fest. Die zuständige Behörde für die Sicherstellung der Umsetzung der o. g. Maßnahmen ist das BMWK. Die BNetzA wurde die Zuständigkeit für die regelmäßige Erstellung und Aktualisierung der Risikobewertung bezüglich der Sicherheit der Erdgasversorgung in Deutschland übertragen.

Die Rahmenbedingungen und Gestaltungsrechte für Unternehmen und Behörden sind in dem in Deutschland geltenden Rechtsrahmen insbesondere im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), dem Gesetz zur Sicherung der Energieversorgung (Energiesicherungsgesetz 1975, EnSiG) und der Verordnung zur Sicherung der Gasversorgung in einer Versorgungskrise (GasSV) verankert.

Bis Februar 2022 wurde die Erdgasversorgungslage in Deutschland in hohem Maße als zuverlässig und stabil eingestuft, obwohl Deutschland zu 95 Prozent von Erdgasimporten abhängig war und immer noch ist. Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit und zur Vorbeugung einer sich verschlimmernden Versorgungslage rief Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am 30. März 2023 die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas aus. Die hohe Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen entwickelte sich im Verlauf des Jahres 2022 zu einer erheblichen Herausforderung. Da sich die Versorgungslage weiter zuspitze wurde am 23. Juni 2022 die Alarmstufe gemäß Notfallplan Gas ausgerufen. Als im September 2022 die russischen Erdgaslieferungen in Folge der Sabotage an der Nord Stream 1-Pipeline gänzlich unmöglich wurden, konnte der Ausfall der Lieferungen durch umfassende Vorbereitungen auf Grundlage des Notfallplans Gas aufgefangen werden. Die Versorgungssituation hat sich durch milde Temperaturen im Winter 2022/23 sowie erheblichen Einsparbemühungen durch Industrie und Haushalte im Frühjahr 2023 erheblich verbessert. Dennoch gilt die Situation im Vergleich zum Jahr 2021 weiterhin als angespannt. Eine erneute Zuspitzung der Lage, insb. durch Versorgungsausfälle in deutschen Nachbarstaaten oder erneute Sabotage an kritischer Infrastruktur oder auch ein erheblich erhöhter Gasverbrauch, kann weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Die Alarmstufe bleibt deshalb bis auf Weiteres in Kraft.

Über die bereits beschriebenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Vollversorgung mit Erdgas im Jahr 2022 hinaus, wurden die folgenden Instrumente eingesetzt. Diese Instrumente werden sich auch langfristig positiv auf die Versorgungssicherheit mit Erdgas in Deutschland auswirken und somit auch einen positiven Effekt auf die Versorgungssicherheit mit Erdgas in der gesamten Europäischen Union haben:

  1. Bau einer Infrastruktur für den Import von Flüssigerdgas,
  2. Sicherstellung der Befüllung der Untergrundspeicher mit Erdgas sowie Beschaffung von Erdgas durch die Bundesregierung im Verlauf der Energiekrise im Jahr 2022;
  3. Absicherung der Funktionsfähigkeit des Gasmarktes, z.B. durch die Stabilisierung der Gasunternehmen Uniper und Securing Energy for Europe GmbH (SEfE, früher Gazprom Germania GmbH), Finanzierungsprogramme z.B. für die Gewährleistung von Zahlungen für Sicherheitsanforderungen im Gashandel, sog. Margining, Einführung einer Gaspreisbremse zur Entlastung von Industrie und Haushalten im Jahr 2022/23,
  4. Maßnahmen zur Einsparung von Erdgas durch Industrie und Haushalte.

Auf die Einsparung von Gas hatten sich auch die EU-Mitgliedstaaten mit dem Ziel verständigt, den Gasverbrauch um 15 Prozent zu senken. Diese zunächst freiwillige Reduzierung des Gasverbrauchs ist bis zum 31. März 2024 verlängert worden.

Eine Zusammenstellung der für die Durchführung der Notfallplanung relevanten Rechtsgrundlagen finden Sie hier.
Der nationale Notfallplan Gas ist hier abrufbar.

Den nationalen Präventionsplan Gas finden Sie hier.


Weiterführende Informationen

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