Von Erdöl sind der private und gewerbliche Straßenverkehr, der Schiffs- und Flugverkehr, die Gebäudeheizung und die Produktion vieler Güter mehr oder weniger stark abhängig. Die Abhängigkeit unserer Volkswirtschaft vom Öl kann - wie schon in der Vergangenheit erfolgreich praktiziert - über verbesserte Energieeffizienz, Energieeinsparung sowie Substitution durch andere Energieträger weiter vermindert werden. Angesichts der hohen Einfuhrabhängigkeit und der Weltmarktrisiken ist aber auch Vorsorge gegen kurzfristige Versorgungsstörungen geboten. Für diese Fragen der Versorgungssicherheit und der Vorsorge für Versorgungskrisen ist innerhalb der Bundesregierung das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zuständig.
Internationale Einbettung
Bereits 1966 wurden die Mineralölgesellschaften verpflichtet, Vorräte zur Vorsorge für Versorgungsstörungen anzulegen. Die gesetzliche Pflicht zur Bevorratung von Erdöl und Erdölerzeugnissen wurde seither mehrfach angepasst, nicht zuletzt aufgrund europäischer Vorgaben und des 1974 unterzeichneten Internationalen Energieprogramms (IEP), das zur Gründung der Internationalen Energieagentur (IEA) führte. Dank der jüngsten europäischen Ölbevorratungsrichtlinie 2009/119/EG (PDF: 812,6 KB) des Rates vom 14. September 2009 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten, gilt ab 2013 für die 28 EU-Mitgliedstaaten die gleiche Bevorratungspflicht wie für die 29 IEA-Mitgliedsländer. National wurden diese Verpflichtungen durch das Gesetz über die Bevorratung mit Erdöl und Erdölerzeugnissen (Erdölbevorratungsgesetz, PDF: 92,3 KB) vom 16. Januar 2012 (BGBl. I S. 74 vom 16.01.2012) umgesetzt. Zum 1. Januar 2017 sind durch das Gesetz zur Bevorratung von Erdöl, zur Erhebung von Mineralöldaten und zur Umstellung auf hochkalorisches Erdgas (PDF: 71 KB) Änderungen des Erdölbevorratungsgesetzes Änderungen in Kraft getreten. Diese betreffen insbesondere die folgenden vier Aspekte:
- Neben inländischen Unternehmen können künftig auch Unternehmen mit Sitz in anderen EU-Mitgliedstaaten, Norwegen und der Schweiz Mitglied des Erdölbevorratungsverbandes werden.
- Hiesigen Mineralölunternehmen wird ermöglicht, auch Krisenvorräte für Vorratspflichtige aus Drittstaaten zu halten.
- Weil angesichts der gestiegenen Umweltanforderungen an Kraftstoffe für die Seeschifffahrt zunehmend beitragspflichtiger Dieselkraftstoff nicht beitragspflichtigen Bunkerkraftstoffen zugemischt werden, wird künftig alternativ zum bestehenden Beitragsabzug nach Bebunkerung ein Beitragsabzug sofort nach Zumischung zugelassen. Damit wird vermieden, dass in der Lieferkette von der Zumischung bis zur Bebunkerung jeweils die Mengen, die den Anspruch auf Beitragserstattung begründen, ausgewiesen werden müssen.
- Der Erdölbevorratungsverband erhält bei der Vergabe von Lieferungen und Leistungen mehr Flexibilität und kann so den Besonderheiten des Mineralölhandels und den Gegebenheiten an manchen Lagerstandorten besser Rechnung tragen.
Die Höhe und Zusammensetzung der vorhandenen Ölkrisenvorräte meldet für Deutschland das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) monatlich an die Europäische Kommission sowie das Sekretariat der Internationalen Energieagentur. Das BAFA ist sowohl für die amtliche Mineralölstatistik als auch die Überwachung der Erfüllung der Bevorratungspflicht durch den Erdölbevorratungsverband zuständig. Auf EU- und auf IEA-Ebene bestehen Arbeitsgruppen der jeweiligen Mitgliedstaaten, in denen ein regelmäßiger Austausch über die jeweilige Ölkrisenvorsorgepolitik und Entwicklungen am Ölmarkt stattfindet.
Strategische Ölreserven für 90 Tage Vollversorgung
Seit 1998 ist der Erdölbevorratungsverband (EBV) alleiniger Träger der Pflichtbevorratung. Der EBV wurde als bundesunmittelbare rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet und untersteht in der Rechtsaufsicht dem BMWi.
Heute hat der Erdölbevorratungsverband jederzeit Erdöl und Erdölerzeugnisse in Höhe der nach Deutschland in einem Zeitraum von 90 Tagen netto eingeführten Mengen zu halten. Mit diesen so genannten strategischen Ölvorräten könnte also für drei Monate ein vollständiger Ausfall aller Importe ausgeglichen werden.
Um seine gesetzliche Bevorratungspflicht zu erfüllen, hält der Erdölbevorratungsverband z. Zt. etwa 15 Millionen Tonnen Rohöl und 9,5 Millionen Tonnen fertige Mineralölerzeugnisse. Mit Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff, Heizöl EL und Flugturbinenkraftstoff werden die wichtigsten energetisch genutzten Erdölerzeugnisse unmittelbar vorgehalten; andere können über die Verarbeitung von Rohölreserven produziert werden. Die Vorräte an Erdölerzeugnissen sind über ganz Deutschland verteilt, um schnell und wirksam auf regionale Versorgungsstörungen reagieren zu können. Das Rohöl wird vorwiegend in Kavernen in Norddeutschland gelagert, von wo aus es über Pipelines oder auch per Schiff zur Verarbeitung in Raffinerien transportiert werden kann.
Die Finanzierung der Ölbevorratung wird durch Pflichtbeiträge der Unternehmen sichergestellt, die Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff, leichtes Heizöl oder Flugkraftstoff nach Deutschland einführen oder hier herstellen. Die Beitragssätze betragen einheitlich 3,56 Euro je Tonne. Umgerechnet sind dies je Liter für Dieselkraftstoff und leichtes Heizöl 0,3 Cent, für Ottokraftstoff 0,27 Cent und für Flugturbinenkraftstoff 0,285 Cent.
Schnelle Reaktion bei Versorgungsstörungen
Bei drohenden oder bereits eingetretenen Versorgungsstörungen können die Vorräte an Erdöl und Erdölerzeugnissen schnell in den Markt gebracht werden, um die Ölversorgung weiterhin sicherzustellen. Hierzu erlässt der Bundesminister für Wirtschaft und Energie auf Grundlage des Erdölbevorratungsgesetzes eine Rechtsverordnung, mit der die Bevorratungspflicht des Erdölbevorratungsverbandes für eine gewisse Zeit heruntergesetzt wird. Die auf diese Weise "freigegebenen" Vorräte bietet der Erdölbevorratungsverband dann seinen Mitgliedsunternehmen zum Kauf zu Marktpreisen an. So stehen den Marktteilnehmern innerhalb weniger Tage zusätzliche Mengen an Benzin, Diesel, Flugkraftstoffen und Heizöl zur Verfügung.
Die möglichen Anlässe für eine Freigabe von Krisenvorräten werden in § 12 Absatz 1 des Erdölbevorratungsgesetzes aufgezählt. Danach sind Freigaben unter anderem zulässig zur Verhütung unmittelbar drohender oder zur Behebung eingehender Störungen in der Energieversorgung; Abwehr eines beträchtlichen und plötzlichen Rückgangs der Lieferungen von Erdöl oder Erdölerzeugnissen sowie zur Erfüllung von Pflichten auf Grund eines Beschlusses des Verwaltungsrates der Internationalen Energieagentur.
Dem Geist des Erdölbevorratungsgesetzes nach kommt es vor allem auf den Aspekt "Störung der physischen Versorgung mit Erdöl/Erdölerzeugnissen" an, wenngleich eine drohende oder eingetretene Versorgungsstörung auch hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Folgen zu bewerten ist. Eine Freigabe darf jedoch nicht das primäre Ziel haben, Preise zu beeinflussen.
In Deutschland wurden bislang drei Mal strategische Ölreserven freigegeben, jeweils aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses der Mitgliedsländer der Internationalen Energieagentur: Die Anlässe waren der Golfkrieg 1990/91, die von den Hurrikanen "Katrina" und "Rita" 2005 angerichteten Schäden in den USA sowie der Ausfall libyscher Ölexporte im Jahr 2011.