Industrieland: Praxisbeispiel Glasbranche

Glas ist aus dem Alltag nicht wegzudenken. Man braucht es für Smartphones, Fenster, als Behälter für Lebens- und Arzneimittel und vieles mehr. Doch die Glasindustrie ist sehr energieintensiv: 2021 hat die Branche rund 3,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen verursacht. Damit gehört sie zu den energieintensivsten Industrien in Deutschland. Grund dafür sind vor allem die hohen Temperaturen von rund 1.500 Grad Celsius in den Schmelzöfen, in denen Glas verarbeitet wird. In konventionellen Schmelzwannen wird diese Hitze mithilfe von Erdgas erzeugt. Viele Glasunternehmen entwickeln jetzt Technologien, um den Schmelzprozess klimafreundlicher zu gestalten.

Eines davon ist die Ardagh Group. Am Standort im niedersächsischen Obernkirchen hat der Glashersteller den „NextGen Furnace“ gebaut, eine Schmelzwanne, die mit bis zu 80 Prozent Strom aus Erneuerbaren Energiequellen und 20 Prozent Gas betrieben werden kann. „Bisher gibt es dafür keine Referenzen. Wir haben den Prozess komplett neu entwickelt“, sagt Sven-Roger Kahl, Manager Furnace Operations bei Ardagh. Kahl hat die Entwicklung der Wanne von der ersten Idee bis heute im laufenden Betrieb begleitet und vorangetrieben. „Wenn es uns gelingt, das Ziel von 80 Prozent Stromeinsatz zu erreichen, können wir den CO2-Ausstoß um 69 Prozent verringern”, erklärt er.

In Obernkirchen stellt Ardagh aus Altglasscherben Braunglas für den Getränkehandel her. Das Material benötigt bestimmte Voraussetzungen, um geschmolzen und verarbeitet zu werden. Der Energiemix aus Gas und Strom ist dabei die richtige Lösung für das Unternehmen. „Die NextGen Furnace ist die erste weltweit, und sie produziert seit Oktober 2023 kommerziell. Das ist kein Forschungsprojekt“, sagt Kahls Kollegin, Sustainability Director Annelene Ikemann.

Das Stromnetz am Standort macht eine Versorgung mit Solarstrom möglich – so ist die Produktion mit 100 Prozent Erneuerbaren besonders klimafreundlich. Anderswo könnte der Netzausbau laut Kahl und Ikemann derzeit noch zur Herausforderung für ein Projekt wie dieses werden. Damit sich das ändert hat die Bundsregierung in den letzten zwei Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus auf den Weg gebracht.

Knapp 31 Millionen Euro hat Ardagh in den „NextGen Furnace“ investiert, gut 12 Millionen Euro Förderung gab es durch das Programm "Dekarbonisierung der Industrie" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz.